Leitsatz

Die Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 des Energiesteuergesetzes setzt voraus, dass das Energieerzeugnis im Rahmen der thermischen Abfallbehandlung zu zweierlei Zwecken verwendet und nicht nur verheizt wird. Ein neben dem Verheizen bestehender zweiter Verwendungszweck im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn eine chemische Reaktion stattfindet, für die ein Verbrennungsprodukt des Erdgases zwingend erforderlich ist.

 

Normenkette

§ 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb eine Anlage zur Reaktivierung gebrauchter Aktivkohle. Der Reinigungsprozess fand in Drehrohröfen und einer Nachbrennkammer statt. Für das im Streitjahr 2013 in den Drehrohröfen und der Nachbrennkammer verwendete Erdgas beantragte die Klägerin beim Hauptzollamt eine Entlastung von der Energiesteuer für die thermische Abfall- oder Abluftbehandlung nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG. Das Hauptzollamt setzte eine Entlastung für das in der Nachbrennkammer eingesetzte Erdgas fest, verweigerte aber eine Entlastung für das in den Drehrohröfen verbrauchte Erdgas.

Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.11.2020, 1 K 1275/18, Haufe-Index XXXXXX) bestätigte diese Entscheidung. Nach Auffassung des FG fehlte es an einer Verwendung mit zweierlei Verwendungszweck. Die Steuerentlastung für die thermische Abfall- und Abluftbehandlung könne nur dann greifen, wenn neben dem Verheizen des Energieerzeugnisses zusätzlich das Energieerzeugnis selbst, seine chemischen Bestandteile oder dessen Verbrennungsprodukte (z. B. Kohlendioxid) verfahrenstechnisch bzw. chemisch für die thermische Abfall- oder Abluftbehandlung erforderlich seien, indem sie zur Beseitigung des Schadstoffpotentials beitragen oder als notwendiger Bestandteil eines Zwischenprodukts an der Abfall- und Abluftbehandlung beteiligt seien. Ein solcher zweiter Verwendungszweck habe im Streitfall gefehlt.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verpflichtete unter Änderung des angefochtenen Bescheids das Hauptzollamt, der Klägerin eine weitere Steuerentlastung zu gewähren.

 

Hinweis

1. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse gewährt, die nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 9, 10 oder § 2 Abs. 3 Satz 1 EnergieStG versteuert und für die thermische Abfall- oder Abluftbehandlung verwendet worden sind.

2. Mit § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG soll, unter Berücksichtigung einer unionsrechtskonformen Auslegung, eine Verwendung zu zweierlei Zwecken (dual-use-Verwendung) begünstigt werden.

a) Die Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG setzt voraus, dass das Energieerzeugnis im Rahmen der thermischen Abfallbehandlung zu zweierlei Zwecken verwendet und nicht nur verheizt wird.

b) Unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils X vom 2.10.2014, C‐426/12, EU:C:2014:2247, Haufe-Index 7282000, geht der BFH davon aus, dass es allein darauf ankommt, ob das Energieerzeugnis selbst oder dessen Verbrennungsprodukte für den Abschluss des Produktionsprozesses erforderlich sind. Eine stoffliche Verbindung zwischen dem Energieerzeugnis und dem hergestellten Produkt ist nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 13.1.2015, VII R 35/12, BFH/NV 2015, 605, Rz. 26 und 28; BFH, Urteil vom 10.11.2015, VII R 40/14, BFH/NV 2016, 410, Rz. 11).

c) Daher liegt ein neben dem Verheizen bestehender zweiter Verwendungszweck vor, so der BFH, wenn eine chemische Reaktion stattfindet, für die ein Verbrennungsprodukt des Erdgases zwingend erforderlich ist.

d) Weitere Einschränkungen, etwa eine Begünstigung ausschließlich im Fall der Beseitigung eines Schadstoffpotentials, lassen sich weder dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG noch den Gesetzgebungsmaterialien noch den Vorgaben der Energiesteuerrichtlinie entnehmen, so der BFH.

3. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG waren im Streitfall erfüllt, weil im Produktionsprozess eine chemische Reaktion stattfand, für die ein Verbrennungsprodukt des Erdgases (Kohlendioxid) zwingend erforderlich war.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.3.2024 – VII R 1/21

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