Leitsatz
1. Für den Umfang des Vorsteuerabzugs bei Erwerb und erheblichem Umbau eines Gebäudes, das anschließend vom Erwerber für steuerpflichtige und steuerfreie Verwendungsumsätze vorgesehen ist, ist vorgreiflich zu entscheiden, ob es sich bei den Umbaumaßnahmen nur um Erhaltungsaufwand am Gebäude oder um anschaffungsnahen Aufwand zur Gebäudeanschaffung handelt oder ob insgesamt die Herstellung eines neuen Gebäudes anzunehmen ist.
2. Vorsteuerbeträge, die den Gegenstand selbst (Gebäude) oder die Erhaltung, Nutzung oder Gebrauch des Gegenstands betreffen, sind gesondert zu beurteilen.
3. Handelt es sich insgesamt um Aufwendungen für das Gebäude selbst, kommt nur eine Aufteilung der gesamten Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab in Betracht (§ 15 Abs. 4 UStG 1991). Dieser kann ein Flächenschlüssel oder ein Umsatzschlüssel sein. Ein sog. Investitionsschlüssel ist nicht zulässig.
4. Der Umfang der abziehbaren Vorsteuerbeträge auf sog. Erhaltungsaufwendungen an dem Gebäude kann sich danach richten, für welchen Nutzungsbereich des gemischt genutzten Gebäudes die Aufwendungen vorgenommen werden.
5. Ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab i.S.d. § 15 Abs. 4 UStG 1991 für die Vorsteuerbeträge auf den Erwerb (bzw. die Herstellung) eines gemischt genutzten Gegenstands, der einem bestandskräftigen USt-Bescheid für den entsprechenden Besteuerungszeitraum zugrunde liegt, ist – auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume – bindend und der Besteuerung zugrunde zu legen. Das gilt auch dann, wenn ggf. noch andere "sachgerechte" Ermittlungsmethoden in Betracht kommen, wie z.B. die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der mit dem Gegenstand ausgeführten Umsätze (gegenstandsbezogener Umsatzschlüssel).
6. Der gewählte (sachgerechte) Aufteilungsmaßstab ist auch maßgebend für eine mögliche Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1991; die Bestandskraft der Steuerfestsetzung für das Erstjahr gestaltet die für das Erstjahr "maßgebende" Rechtslage für die Verwendungsumsätze.
Normenkette
§ 15 Abs. 4, § 15a UStG 1991, Art. 17 Abs. 2, Art. 17 Abs. 5 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine GbR hatte ein Grundstück zum Preis von 1,5 Mio. DM gekauft, 1991 einen Generalunternehmer mit dem Aus- und Umbau zu einem Festpreis beauftragt (ca. 10 Mio. DM). Es wurde sukzessive ab 1992 gemischt vermietet.
Die Klägerin hatte zunächst die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach den Nutzflächen beantragt. Nachdem das FA die Aufteilung als nicht proportional zur Höhe des auf Gewerbe- und Wohnflächen entfallenden Ausbaus bei einer Prüfung beanstandet hatte, änderte es die Bescheide. Im Lauf des Klageverfahrens beantragte die Klägerin schließlich den Abzug der gesamten Vorsteuerbeträge nach dem sog. Umsatzschlüssel.
Das FG gab der Klage statt. Es meinte – zu Unrecht –, weil die Klägerin einen Generalunternehmervertrag geschlossen habe, sei deren Interesse, sich nicht mit den Einzelheiten der Baumaßnahmen befassen wollen, zu berücksichtigen.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück; das wird die – für die in den Praxis-Hinweisen erläuterten Kriterien – notwendigen tatsächlichen Feststellungen nachholen müssen. Dabei wird es allerdings auch prüfen müssen, ob der Unternehmer in einem formell bestandskräftigen Bescheid bereits einen sachgerechten Aufteilungsmaßstab (Umsatz- oder Flächenschlüssel) getroffen hatte. Ist das der Fall, ist er an diese Wahl gebunden (BFH, Urteil vom 2.3.2006, V R 49/05, BFH-PR 2006, 441). Ob durch einen Einspruch gegen den erklärungsgemäß erlassenen Vorauszahlungsbescheid die – durch § 15 Abs. 4 UStG i.d.F.d. StÄnG 2003 erheblich eingeschränkte – Wahlmöglichkeit offen gehalten werden kann, ist offen.
Hinweis
1. Bei umfassender Renovierung älterer Gebäude ist zunächst abzuklären, ob es sich um Erhaltungsaufwand oder um anschaffungsnahen Herstellungsaufwand oder die Herstellung eines neuen Gebäudes handelt. Für diese Abgrenzung können die einkommensteuerrechtlichen Grundsätze (grundlegend: Urteil vom 12.9.2001, IX R 39/97, BFH-PR 2002, 281) herangezogen werden.
2. Für den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten solcher Gegenstände (sowie aus deren nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten) gilt die Vorsteuerberichtigungsregelung nach § 15a UStG/Art. 20 der 6. EG-RL. Für Erhaltungsaufwendungen an diesen Gegenständen (Wirtschaftsgütern) greift die Regelung nicht ein.
3. Bei gemischten Ausgangsumsätzen i.S.d. § 15 Abs. 4 UStG ist daher zunächst zu prüfen, ob und welche Leistungsbezüge direkt und unmittelbar mit den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen (Verwendungsumsätze) zusammenhängen. Dieser Zusammenhang ergibt sich grundsätzlich daraus, dass die Aufwendungen für den Bezug der Eingangsumsätze Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sind. Insbesondere ist zwischen der Verwendung des Gegenstands selbst und der Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen zur Erhaltung oder zum Gebrauch des Gegenstands (bzw. für seine Nutzung und Wartung) zu unters...