Leitsatz
Sind Aktien Gegenstand eines "Treuhandvertrags", so sind auf sie entfallende Dividenden nur dann steuerlich dem "Treugeber" zuzurechnen, wenn dieser sowohl nach den mit dem "Treuhänder" getroffenen Absprachen als auch bei deren tatsächlichem Vollzug das Treuhandverhältnis in vollem Umfang beherrscht (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
§ 20 Abs. 2a EStG 1997, § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gesellschafter ausschließlich Kommunen sind. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Wahrnehmung Rechte und Pflichten der kommunalen Aktionäre in einer AG, einem Energieversorgungsunternehmen (EVU); die Beteiligung beträgt 6 % des Stammkapitals.
Aufgrund eines Treuhand-Rahmenvertrags schlossen die Kommunen mit der Klägerin jeweils als "Treuhandvertrag". Das jeweilige Treuhandverhältnis ist auf 10 Jahre befristet und soll sich auf 15 Jahre verlängern, sofern ein Beteiligter dies spätestens ein Jahr vor Fristablauf fordert oder das Treuhandverhältnis mit einer Frist von sechs Monaten kündigt. Die Klägerin darf als Treuhänder alle Gesellschaftsrechte ausüben. Die Kommunen sind von der Ausübung dieser Rechte ausgeschlossen und nicht berechtigt, Weisungen in Bezug auf das Stimmrecht zu erteilen. Die Erträge der Aktien stehen der Klägerin zu. Diese hat keinen Anspruch auf eine Vergütung und auf Aufwendungsersatz und muss sich jeder Verfügung über die Aktien enthalten. Die Kommunen sind nicht verpflichtet, die Klägerin von Verpflichtungen freizustellen, die aus der Führung der Treuhand entstehen.
Als Gegenleistung für die Einräumung des Treuhandverhältnisses erhalten die Kommunen ein jährliches Entgelt i.H. einer marktüblichen Darlehensverzinsung.
2000 bzw. 2001 nahm die AG eine Gewinnausschüttung für die Geschäftsjahre 1999 bzw. 2000 vor. Die AG stellte für die auf die Treuhand-Aktien entfallende Dividende der Klägerin eine Steuerbescheinigung nach § 44 KStG 1999 aus. Die Klägerin setzte ihrerseits in den Treuhandverträgen vorgesehene Entschädigungen der Kommunen fest.
Dem Begehren der Klägerin auf Anrechnung der auf die Treuhand-Aktien entfallenden KSt und KapESt folgte das FA nicht. Zwischen der Klägerin und ihren Gesellschaftern bestünden hinsichtlich der Aktien Treuhandverhältnisse i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO, sodass sie den einzelnen Kommunen als wirtschaftlichen Eigentümern zuzurechnen seien. Die Dividenden seien keine Betriebseinnahmen der Klägerin, sondern verdeckte Einlagen der Kommunen in die Klägerin, und die an die Kommunen gezahlten Entschädigungen keine Betriebsausgaben der Klägerin, sondern vGA.
Die anschließende Klage war erfolglos (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.12.2008, 6 K 923/06, Haufe-Index 2115292, EFG 2009, 547).
Entscheidung
Der BFH sah das anders. Er hob das FG-Urteil auf und gab der Klägerin recht:
Die streitigen Einkünfte seien nach dem in den Praxis-Hinweisen entwickelten Beurteilungskriterien der Klägerin zuzurechnen.
Hinweis
1. Die persönliche Zurechnung von Dividenden richtet sich nach § 20 Abs. 2a EStG a.F., jetzt § 20 Abs. 5 EStG n.F. Anteilseigner ist danach derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an der Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 2a S. 2 EStG a.F., § 20 Abs. 5 S. 2 EStG n.F.).
2. Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. "Eigentümer" i.S. dieser Regelung ist der zivilrechtliche Eigentümer bzw. Inhaber des Wirtschaftsguts. Abweichend davon bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO, dass bei Treuhandverhältnissen die Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen sind.
3. Diese Vorschrift greift jedoch nur dann ein, wenn im konkreten Einzelfall ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis besteht und das wirtschaftliche Eigentum auf den Treugeber übergeht. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sind weder im Zivilrecht noch für das Steuerrecht gesetzlich bestimmt. Die Rechtsprechung hat jedoch Kriterien entwickelt:
- Formale Bezeichnung: Nicht jede als "Treuhandvertrag" bezeichnete Vereinbarung führt zum Vorliegen eines steuerlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses.
- Umfassende Einschränkung der Verfügungsmacht: Die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht muss so zugunsten des Treugebers eingeschränkt sein, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint.
- Beherrschung des Treuhandverhältnisses nach Vertrag und Vollzug: Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen, und zwar nicht nur nach den mit dem Treuhänder getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren tatsächlichem Vollzug. Es muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass der Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt.
- Weisungsbefugnis des Treugebers: Wesentliches und im Grundsatz unverzichtbares Merkmal einer solchen Beherrschung ist eine Weisungsbefugnis des Treugebers – und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders – in Bezug auf die Behandlung des Treuguts.
- Jederzeitiges Rückgabeverlangen...