Leitsatz

Seit der Neufassung des § 1a Abs. 1 EStG 2002 durch das JStG 2008 können unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Staatsangehörige der EU/des EWR die Zusammenveranlagung mit ihrem im EU/EWR-Ausland lebenden Ehegatten auch dann beanspruchen, wenn die gemeinsamen Einkünfte der Ehegatten zu weniger als 90 % der deutschen ESt unterliegen oder die ausländischen Einkünfte der Ehegatten den doppelten Grundfreibetrag übersteigen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3 S. 1, § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr 2008 im Inland als Arbeitnehmer beschäftigt und unterhielt dort aus beruflichen Gründen einen doppelten Haushalt. Er erzielte Einkünfte i.H.v. 27 292 EUR. Seine Ehefrau wohnte in Polen am Familienwohnsitz und bezog dort ausweislich der "Bescheinigung EU/EWR" Einkünfte von 9 849 EUR.

Der Kläger und seine Ehefrau beantragten die Zusammenveranlagung. Dies lehnte das FA ab. Die dagegen gerichtete Klage war erfolglos (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.03.2010, 6 K 2559/09, Haufe-Index 2313945, EFG 2010, 854).

 

Entscheidung

Der BFH sah das anders. Er gab der Klage statt. Es sei zusammenzuveranlagen. Darauf, ob die Grenzwerte des § 1 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des JStG 2008 überschritten seien, komme es dafür nicht (mehr) an.

 

Hinweis

1. Die Zusammenveranlagung von Ehegatten setzt grundsätzlich gem. § 26 Abs. 1 S. 1 EStG die unbeschränkte ESt-Pflicht beider Ehegatten voraus.

Staatsangehörige eines EU/EWR-Mitgliedstaats, die nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder die nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln sind, können nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG jedoch beantragen, dass ihr nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland für die Anwendung des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.

2. Weitere einschränkende Voraussetzungen bestehen nicht.

Zwar: Nach dem Einleitungssatz des § 1a Abs. 1 EStG in der bis zur Änderung durch das JStG 2008 geltenden Fassung erforderte die Ehegattenveranlagung zusätzlich, dass der nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt ESt-Pflichtige auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 bis 4 EStG erfüllte. Da gem. § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG bei Anwendung des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Betrag von 6 136 EUR zu verdoppeln war, war eine Zusammenveranlagung nur möglich, wenn die Einkünfte beider Ehegatten zu mindestens 90 % der deutschen ESt unterlagen und die nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte 12 272 EUR nicht überstiegen.

Jedoch: Die Rechtslage hat sich seit der Neufassung des Einleitungssatzes in § 1a Abs. 1 EStG duch das JStG 2008 geändert. Der nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Ehegatte muss nicht mehr zusätzlich die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 bis 4 EStG erfüllen. § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG ist seither auf nach § 1 Abs. 3 EStG als un­beschränkt einkommensteuerpflichtig behandelte Ehegatten beschränkt. Denn nur in diesem Fall kommt es zur Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG, und nur in diesem Fall ist gem. § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG zu verdoppeln.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 08.09.2010 – I R 28/10

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