Leitsatz
Die sachliche Zuständigkeit des Bundeszentralamts für Steuern für die Antragsveranlagung beschränkt Steuerpflichtiger und die Durchführung des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes erstreckt sich nicht auf die Außenprüfung.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12, Nr. 1, § 19 FVG, § 193 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine KG, die eine Konzertdirektion im Inland betreibt, veranstaltet dort das jährlich stattfindende Musikfestival. Dafür engagiert sie ausländische Künstler, Künstlergruppen und Produktionsgesellschaften, die beschränkt steuerpflichtige Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG bzw. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erzielen. Mit diesen Einkünften unterliegen die betreffenden Künstlergruppen beziehungsweise Produktionsgesellschaften dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw. § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die Klägerin nahm diesen Abzug vor und übermittelte Meldungen in elektronischer Form an das gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 FVG i.V.m. § 73e Satz 2 EStDV) für den Steuerabzug zuständige BZSt.
Unter dem 12.2.2020 hat das FA eine Prüfungsanordnung wegen einer LSt-Außenprüfung erlassen; die Prüfung sollte sich auch auf den "Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG" beziehen. Das BZSt hatte zuvor die Übersendung von Kontrollmaterial angeregt und darum gebeten, im Rahmen von Außenprüfungen (LSt-Außenprüfung, Außenprüfung) den Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 EStG in die Prüfung einzubeziehen. Das BZSt hatte dabei auch ausgeführt, dass dazu die Erteilung eines Prüfauftrags nicht erforderlich sei, da die sachliche Zuständigkeit für Außenprüfungen bei den Ländern verblieben sei.
Gegen die Prüfungsanordnung vom 12.2.2020 legte die Klägerin Einspruch ein; dass ein örtliches FA nach Übertragung der Kompetenzen für den Steuerabzug gemäß § 50a EStG auf das BZSt noch für Prüfungen im Kontext des § 50a EStG zuständig sei, müsse bezweifelt werden.
Die gegen die zurückweisende Einspruchsentscheidung erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG ging davon aus, dass nicht das FA, sondern das BZSt für die Prüfung des Steuerabzugs im Rahmen einer Außenprüfung sachlich zuständig sei. Die vom FA erlassene Prüfungsanordnung sei deshalb nichtig (Niedersächsisches FG, Urteil vom 10.3.2021, 7 K 1/21, Haufe-Index 14534215, EFG 2021, 1161).
Entscheidung
Der BFH hat auf die Revision des FA das FG-Urteil aufgehoben und die Klage gegen die Prüfungsanordnung abgewiesen. Die Begründung kann den Praxis-Hinweisen entnommen werden
Hinweis
1. Zwischen den Beteiligten war streitig, ob für die Anordnung der Außenprüfung betreffend den Steuerabzug nach § 50a EStG das (örtliche Landes-)FA oder aber das BZSt zuständig ist. Während es für den Steuerpflichtigen vielleicht eher unwichtig ist, ob er von dem einen oder dem anderen Amt geprüft wird, so kommt dieser Frage für die Finanzverwaltung recht große Bedeutung zu, wie der Beitritt zum Revisionsverfahren sowohl des zuständigen Landesfinanzministeriums als auch des Bundesfinanzministeriums anschaulich zeigt.
2. Auslöser des Streitfalls war die vom Gesetzgeber im Jahr 2009 angeordnete Aufgabenübertragung an das BZSt. Dieses sollte gemäß dem neu eingefügten § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 FVG nunmehr auch für die Antragsveranlagung beschränkt Steuerpflichtiger und den – für beschränkt Steuerpflichtige noch wichtigeren – Steuerabzug gemäß § 50a EStG zuständig sein. War mit dieser Aufgabenübertragung zugleich auch die sachliche Zuständigkeit für die Außenprüfung an das BZSt übergegangen?
3. Das FG verneinte die Frage. Die Außenprüfungsanordnung, die vom (Landes-)FA erlassen worden war, sah das FG überdies als nichtig an. Die fehlende sachliche Zuständigkeit führe im Unterschied zu Verstößen gegen die örtliche Zuständigkeit zu dieser "drastischen" Fehlerfolge.
4. Dem ist der BFH nicht gefolgt. Die höchstrichterlich ungeklärte Frage, ob Verstöße gegen sachliche Zuständigkeitsnormen die Nichtigkeitsfolge auslösen, konnte offenbleiben. Denn die Prüfungsanordnung entsprach dem geltenden Recht. Der Gesetzgeber hatte mit § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 FVG nur eine punktuelle Aufgabenübertragung vorgenommen (für Veranlagung und Steuerabzug beschränkt Steuerpflichtiger einschließlich des Erlasses von Haftungs- und Nachforderungsbescheiden und deren Vollstreckung). Diese an konkrete Einzeltätigkeiten anknüpfende Aufgabenübertragung erfasst jedoch nicht die Außenprüfung, die als besondere Sachaufklärungsmaßnahme einem streng formalisierten eigenen Verfahren folgt und deshalb gerade nicht als Teil einer Veranlagung oder eines Steuerabzugs angesehen werden kann.
5. Unberührt davon bleibt die grundsätzliche Befugnis des BZSt, an einer vom örtlichen FA angeordneten Außenprüfung teilzunehmen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FVG i.V.m. § 19 FVG).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.12.2023 – I R 21/21