Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Leistungen eines Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung sind bei Überschreiten einer Freigrenze als Arbeitslohn zu werten. In die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, können die den Arbeitgeber treffenden Gesamtkosten der Veranstaltung einbezogen und zu gleichen Teilen auf die Gäste aufgeteilt werden, sofern die entsprechenden Leistungen Lohncharakter haben und nicht individualisierbar sind (Anschluss an Senatsentscheidung vom 12.12.2012, VI R 79/10, BFHE 240, 44).
2. Aufzuteilen ist der Gesamtbetrag auch auf Familienangehörige der Arbeitnehmer, sofern diese an der Veranstaltung teilgenommen haben (Anschluss an Senatsentscheidung vom 22.3.1985, VI R 82/83, BFHE 143, 550, BStBl II 1985, 532).
3. Der auf die Familienangehörigen entfallende Aufwand ist den Arbeitnehmern bei der Berechnung, ob die Freigrenze überschritten ist, grundsätzlich nicht zuzurechnen (Abweichung vom Senatsurteil vom 25.5.1992, VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655).
Normenkette
§ 8 Abs. 2 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Das Konzernunternehmen K mit 340 Arbeitnehmern richtete 2005 für die gesamte Belegschaft ein Sommerfest aus. 600 Arbeitnehmer und Familienangehörige wurden erwartet, tatsächlich nahmen nur 348 Personen (Arbeitnehmer teilweise mit Begleitpersonen) teil. K entstanden Gesamtkosten von 27.166 EUR (inkl. USt), davon entfielen 20.247 EUR auf das Catering. Die LSt-Außenprüfung rechnete: Gesamtaufwand 27.166 EUR, abzgl. 252 nicht teilnehmender Arbeitnehmer (252 × 12,50 EUR zzgl. 16 % MwSt./Person = 3.654,00 EUR), verbleibender Gesamtaufwand: 23.512 EUR; damit ergab sich also ein Betrag von 67,56 EUR/Person bei 348 Teilnehmern. Damit sollte bei jedem Arbeitnehmer, der mit mindestens einer Begleitperson erschienen war, Lohn vorliegen, weil dann die Grenze von 110 EUR überschritten sei; 18.984 EUR (281 Personen × 67,56 EUR) seien nachzuversteuern. Die Klage war nur teilweise erfolgreich (FG Düsseldorf, Urteil vom 17.1.2011, 11 K 908/10 L, Haufe-Index 2670866, EFG 2011, 969).
Entscheidung
Der BFH entsprach aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen der Klage in vollem Umfang.
Hinweis
Das hier besprochene Urteil befasst sich ebenfalls mit Betriebsveranstaltungen. Es ändert die bisherige (alte) Rechtsprechung hinsichtlich des lohnsteuerrechtlichen Vorteils des Arbeitnehmers, wenn er bei einer Betriebsveranstaltung von Angehörigen begleitet wird (vgl. 2. und 3. Leitsatz!), indem der BFH zu den Grundsätzen seiner noch älteren Rechtsprechung zurückkehrt.
1. Unverändert gilt (vgl. vorstehend besprochenes Urteil VI R 94/10), dass auch Zuwendungen des Arbeitgebers aus Anlass von Betriebsveranstaltungen Lohn sein können, sofern die Veranstaltung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegt. Bekanntermaßen hat der BFH dazu die Freigrenze von 110 EUR geschaffen, bei deren Überschreiten eben ein solches "Interesse" nicht mehr überwiegt und daher in vollem Umfang zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt (vgl. BFH, Urteil vom 12.12.2012, VI R 79/10, BFH/NV 2013, 637, BFH/PR 2013, 144).
2. Neu ist nicht nur die grundsätzliche Bewertung des Vorteils (vgl. dazu vorstehendes Urteil VI R 94/10), sondern auch die Teilnahme von Familienangehörigen und Gästen des Arbeitnehmers, wie hier: Der auf die Familienangehörigen entfallende Aufwand ist den Arbeitnehmern nicht als Lohn zuzurechnen. Insoweit kehrt der Lohnsteuersenat zu seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 1985 zurück (vgl. 2. Leitsatz mit dem zitierten Urteil), die er 1992 aufgegeben hatte (vgl. 3. Leitsatz). Entscheidend ist jetzt, dass Beköstigung, musikalische Unterhaltung und Kinderanimation üblich sind und aus der Sicht des Arbeitnehmers regelmäßig nicht dessen Entlohnung, sondern dem Arbeitgeber zur Förderung des Betriebsklimas dienen (Stärkung der Verbundenheit zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Kollegen, Verständnis der Familienangehörigen für betriebliche Abläufe).
3. Diese Regel findet ihre Bestätigung in der Ausnahme, nämlich wenn nach der Art der Betriebsfeier auch den Familienangehörigen der Arbeitnehmer ein Vorteil zugewendet werden soll; dies kann etwa der Fall sein, wenn die Veranstaltungen einen "marktgängigen Wert" haben, wenn etwa die Arbeitnehmer samt Angehörigen gemeinschaftlich ein Musical besuchen oder Konzerte weltberühmter Künstler anlässlich von Betriebsfeiern gegeben werden.
4. Für die Praxis heißt das: Bei von Familienangehörigen begleiteten Arbeitnehmern vervielfachen sich die zugewandten "üblichen" Vorteile nicht mehr entsprechend. Damit betrug der hier durch die Betriebsveranstaltung zugewandte Vorteil beim Arbeitnehmer höchstens 67,56 EUR, die Freigrenze von 110 EUR war nicht überschritten und daher war kein Lohn anzusetzen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.5.2013 – VI R 7/11