Zusammenfassung
Die am 12.12.2024 im EU-Amtsblatt veröffentlichte EU-Zwangsarbeitsverordnung (ZwangsarbeitsVO) soll einen weiteren Baustein setzen zur vollständigen Beendigung von Zwangsarbeit mit Bezug zur Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten. Dafür sollen sowohl das Inverkehrbringen von mit Zwangsarbeit hergestellten Produkten im Markt der Europäischen Union sowie deren Ausfuhr untersagt werden können. Die ZwangsarbeitsVO wird Wirkung gegenüber Wirtschaftsbeteiligten ab dem 14.12.2027 entfalten. Dieser Artikel soll daher einen Überblick über die wesentlichen Inhalte der ZwangsarbeitsVO geben und die Zusammenhänge mit anderen Regelungen aufzeigen, um Unternehmen auf mögliche Anordnungen nach dieser Rechtsgrundlage vorzubereiten. Insbesondere stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und der EU-Lieferkettenrichtlinie.
1 Zwangsarbeitsverordnung: Hintergrund und Zusammenhang
Die ZwangsarbeitsVO geht auf den EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2020–2024 zurück, der die vollständige Abschaffung der Zwangsarbeit als politisches Ziel benannt hat. Die Initiative steht dabei in engem politischen und inhaltlichen Zusammenhang mit der EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), dem sog. EU-Lieferkettengesetz. Genau wie diese setzt sie auf die Einführung und Einhaltung internationaler Standards zur Wahrung der Menschenrechte, wie sie etwa in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte oder den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln ausgedrückt sind, durch in der EU ansässige oder tätige Unternehmen. Entsprechend nimmt auch die ZwangsarbeitsVO für ihren materiellen Anwendungsbereich und die zugrundeliegenden Definitionen Bezug zu den ILO-Konventionen Nr. 29 und 105 sowie das Protokoll zur Zwangsarbeitskonvention von 2014. Daneben ist die ZwangsarbeitsVO aber auch im Zusammenhang mit der EU-Richtlinie 2011/36/EU zur Bekämpfung von Menschenhandel zu sehen, welcher häufig einem Zwangsarbeitsverhältnis vorausgeht. Für die Umsetzung schließlich bedient sich die ZwangsarbeitsVO unter anderem der Mechanismen, die mit der EU-Whistleblower-Richtlinie Nr. 2019/1937 eingeführt wurden und stützt sich auf den Zollkodex der Europäischen Union.
2 Wesentliche Inhalte der Zwangsarbeitsverordnung
2.1 Inkraftreten und rechtliche Wirkung
Als EU-Verordnung gilt die ZwangsarbeitsVO mit Inkraftreten seit dem 13.12.2024 unmittelbar. Für die Wirkung gegenüber Wirtschaftsbeteiligten und die meisten anderen Regelungen gilt jedoch nach Art. 39 VO (EU) 2024/3015 eine Übergangsfrist von 36 Monaten bis zum 14.12.2027, um den Aufbau der erforderlichen Prozesse und Informationsgrundlagen (s. dazu 3. "Informationsquellen für Behörden und Wirtschaftsakteure") zu ermöglichen.
Nach dem Wortlauf des Art. 3 VO (EU) 2024/3015 ist das Inverkehrbringen oder Bereitstellen im Unionsmarkt oder der Export aus dem Unionsmarkt von Produkten, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, nach Ablauf der Übergangsfrist verboten. Ob dieser Verbotstatbestand tatsächlich erfüllt ist, bedarf nach Art. 20 Abs. 1 VO (EU) 2024/3015 jedoch der feststellenden Entscheidung der zuständigen nationalen Behörde. Und auch Sanktionen nach nationalem Recht (insbes. Bußgelder) gemäß Art. 37 VO (EU) 2024/3015 sind an einen Verstoß gegen eine Entscheidung nach Art. 20 VO (EU) 2024/3015 geknüpft und nicht an den Verstoß gegen das Verbot nach Art. 3 VO (EU) 2024/3015. Dies ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit zu begrüßen.
2.2 Personeller und sachlicher Anwendungsbereich
Handlungsverpflichtet werden neben der EU-Kommission und den zu benennenden nationalen Behörden die in der EU tätigen Wirtschaftsakteure. Dies umfasst jede natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung, die Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt oder bereitstellt oder Produkte ausführt. Damit ist der Anwendungsbereich anders als unter der EU-Lieferkettenrichtlinie nicht besc...