Crypto Assets als Finanzinstrumente?

Der zweite Teil des Entwurfes der technischen Regulierungsstandards für die Regulierung des Handels mit Crypto Assets der ESMA befasst sich mit den Kriterien zur Erfassung von Crypto Assets als Finanzinstrumente. Dies erscheint insb. hinsichtlich der bilanziellen Behandlung von Crypto Assets interessant.

Die ESMA hat Ende März dieses Jahres den letzten Teil des Entwurfes der technischen Regulierungsstandards für die Regulierung des Handels mit Crypto Assets publiziert. Dieser besteht aus drei Teilen, wobei die ersten beiden bereits Ende Januar publiziert wurden. Während sich der erste und der dritte Teil mit Themen wie umgekehrte Kundenwerbung, Überwachung, Aufdeckung und Meldung von Marktmissbrauch beschäftigen, befasst sich der zweite Teil mit den Kriterien zur Erfassung von Crypto Assets als Finanzinstrumente. Die folgende News fasst die Kriterien für mögliche Finanzinstrumente dieses Entwurfs zusammen.

Mögliche Gruppen von Finanzinstrumenten

Das Ziel des zweiten Teils der technischen Regulierungsstandards ist es, Kriterien festzulegen, nach denen verschiedene Stakeholder (Emittenten, Dienstleister, Anbieter von Crypto Assets, Investoren und Behörden) beurteilen können, ob Crypto Assets als Finanzinstrumente zu erfassen sind oder nicht. Zunächst stellt die ESMA eine Liste möglicher Gruppen von Finanzinstrumenten auf, wobei sie auf die Liste der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) zurückgreift. Zu den möglichen Gruppen von Finanzinstrumente gehören demnach:

  • übertragbare Wertpapiere,
  • Geldmarktinstrumente,
  • Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen,
  • verschiedene derivative Instrumente und
  • Emissionszertifikate.

Ob Crypto Assets als Finanzinstrumente eingestuft werden können, hängt von den Eigenschaften des einzelnen Crypto Assets ab. So soll bei der Entscheidung der Klassifizierung als Finanzinstrument einzelfallbezogen u.a. geprüft werden, welche Rechte mit dem Crypto Asset verbunden sind. Dabei soll der in der externen Rechnungslegung bekannte substance over form-Grundsatz befolgt werden. So soll sich die Klassifizierung von Crypto Assets als Finanzinstrumente nicht an der dahinterstehenden Technologie orientieren, sondern anhand der ökonomischen Substanz beurteilt werden.

Zuordnung von Crypto Assets zu den Gruppen der Finanzinstrumente

Laut ESMA können Crypto Assets als übertragbare Wertpapiere eingestuft werden, wenn sie Rechte vergleichbar zu Aktien oder Anleihen gewähren und die drei folgenden Kriterien erfüllen:

  1. Bildung einer und Zugehörigkeit zur „Gattung von Wertpapieren“,
  2. handelbar am Kapitalmarkt und
  3. kein Zahlungsmittel.

Ob Crypto Assets eine Gattung von Wertpapieren bilden können, entscheidet sich daran, dass Crypto Assets austauschbar sind, von demselben Emittenten ausgegeben werden, Ähnlichkeiten zueinander aufweisen und Zugang zu gleichen Rechten bieten. Insgesamt können sog. tokenisierte Aktien als übertragbare Wertpapiere gesehen werden, da sie grundsätzlich Aktien verkörpern, die mittels der Blockchain-Technologie herausgegeben werden. Hier zeigt sich der substance over form-Grundsatz, da die ökonomische Substanz und nicht die dahinterstehende Technologie im Vordergrund steht.

Als Geldmarktinstrumente werden Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und commercial papers gesehen. Um als solche Instrumente zu gelten, müssen Crypto Assets verschiedene Eigenschaften erfüllen, wie Aufweisen einer (gesetzlichen) Restlaufzeit, Wertstabilität und minimale Volatilität sowie Orientierung der Rendite an kurzfristigen Zinssätzen. Insb. die Eigenschaft der minimalen Volatilität dürfte aktuell von den meisten Crypto Assets nicht erfüllt werden. Handelt es sich um kurzfristige Schuldverpflichtungen, die vom Staat herausgegeben werden, oder um kurzfristig handelbare von einer Bank oder einem Unternehmen herausgegebene Schuldverpflichtungen, dürfte eine Einstufung als Geldmarktinstrument vertretbar sein.

Für eine Klassifizierung als Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen müssen folgende Eigenschaften erfüllt werden: Repräsentation von Rechten von Investoren, ferner muss die Organisation, die die Crypto Assets herausgibt, als Organismus für gemeinsame Anlagen dienen. Möglich wäre eine Kategorisierung unter diese Gruppe bei Crypto Assets, die von Investoren in einen Staking Pool und/oder Liquidity Mining Pool eingelegt werden, um Renditen zu generieren.

Derivate sind Instrumente, bei denen der Wert von einem Basiswert (z.B. Index, Finanzinstrument, Rohstoff) abgeleitet wird. Zu derivativen Instrumenten gehören Kontrakte, wie Optionen, Futures, Swaps und Forwards. Um als Derivat zu gelten, müssen Crypto Assets folglich ein digitales Abbild dieser Kontrakte sein. D.h., es muss sich um einen digitalen Kontrakt handeln, dessen Wert von einem Referenzwert abhängt und bei dem die Bedingungen der involvierten Parteien, wie Fälligkeit, Preis usw. festgelegt sind. Seit einigen Jahren existieren sog. Crypto Derivates, die als Future- und Forward-Kontrakte fungieren und bei denen andere Crypto Assets, wie Bitcoin, als Referenzwert dienen und die mithin als Derivate zu klassifizieren sind. Die letzte Gruppe, die von der ESMA diskutiert wird, sind Emissionszertifikate. Eine Einstufung von Crypto Assets als Emissionszertifikate ist dann möglich, wenn sie ein Recht repräsentieren, um eine bestimmte Treibhausgasmenge auszugeben. Ferner muss dem EU-Emissionshandelssystem (oder einem vergleichbaren Rahmenwerk) gefolgt werden und eine Genehmigung durch EU-Mitgliedstaaten erfolgen. Insgesamt ist die ESMA der Ansicht, dass es (noch) kaum möglich ist, Crypto Assets als Emissionszertifikate einzustufen.

Im letzten Schritt befasst sich die ESMA ausführlich mit einigen Kategorien von Crypto Assets und beurteilt, ob und inwieweit diese als Finanzinstrumente klassifiziert werden können.

Kategorien von Crypto Assets laut ESMA

Es werden die Oberkategorien der MiCA-VO verwendet:

  • vermögenswertreferenzierte Token,
  • E-Geld-Token und
  • Crypto Assets, die nicht vermögenswertreferenziert und keine E-Geld-Token sind.

Während die ersten zwei Oberkategorien umfassend in der MiCA-VO diskutiert wurden und einzelfallbezogen als Finanzinstrumente eingestuft werden können, befasst sich die ESMA mit der letzten Oberkategorie, die nicht unter die Regelungen der MiCA-VO fallen. Zu dieser gehören sog. utility token, die dazu bestimmt sind, in einem Crypto Projekt (Metaverse) für bestimmte Zwecke konsumiert/genutzt zu werden. Sie sollten keine Stimmrechte und Rechte am Erfolg (z.B. Dividende) von einem Projekt besitzen. Trifft dies nicht zu, dann handelt es sich um vermögenswertreferenzierte Token, die u.U. Finanzinstrumente sein können.

Als nächstes werden non-fungible Token (NFTs) betrachtet, die einzigartige digitale Werte repräsentieren. Die ESMA unterscheidet hierbei zwischen tatsächlich einzigartigen NFTs und scheinbar einzigartigen NFTs, was u.a. auf den substance over form-Grundsatz zurückzuführen ist. Grundsätzlich sind NFTs aufgrund ihrer Nummer in der Blockchain einzigartig, allerdings können sie in manchen Fällen bezüglich ihrer Eigenschaften nicht als einzigartig gesehen werden. So können bspw. mehrere digitale Bilder mit identischen Eigenschaften als NFTs erzeugt werden. Sie sind zwar technologisch gesehen einzigartig, jedoch nicht hinsichtlich ihrer inhaltlichen Eigenschaften, da mehrere identische Bilder existieren. Damit sind sie als scheinbar einzigartige NFTs einzustufen und würden unter die Regelungen der MiCA-VO fallen. Nur Bilder oder Stücke, die sowohl aufgrund ihrer Eigenschaften als auch technologisch einzigartig sind, sind als tatsächlich einzigartige NFTs zu betrachten.

Abschließend werden von der ESMA hybride token betrachtet, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie die Eigenschaften mehrerer token auf sich vereinen. Hier ist nach dem substance over form-Grundsatz vorzugehen und einzelfallbezogen zu klären, ob die Kriterien eines Finanzinstruments erfüllt sind.

Zusammenfassende Tabelle der zentralen Kriterien für eine Einstufung von Crypto Assets als Finanzinstrumente

Die folgende Tabelle fasst die zentralen Kriterien für eine Einstufung als Finanzinstrumente zusammen und enthält einige Beispiele.

Gruppe Finanzinstrument

Kriterien

Beispiel

übertragbare Wertpapiere

Wertpapiergattung, handelbar am Kapitalmarkt, kein Zahlungsmittel

tokenisierte Aktien; hybride token

Geldmarktinstrumente

gesetzlichen Restlaufzeit, Wertstabilität und minimale Volatilität, Orientierung der Rendite an kurzfristige Zinssätze

kurzfristige vom Staat herausgegebene digitale Schuldverpflichtungen, kurzfristig handelbare von einer Bank oder Unternehmen herausgegebene digitale Schuldverpflichtungen

Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen

Rechte von Investoren, Ausgeber ist ein Organismus für gemeinsame Anlagen

Crypto Assets im Rahmen von Staking Pools, Liquidity Mining; hybride token

verschiedene derivative Instrumente

digitaler Kontrakt, dessen Wert von einem Referenzwert abhängt, festgelegte Bedingungen der involvierten Parteien, wie Fälligkeit, Preis usw.

Crypto Derivates; hybride token

Emissionszertifikate

Recht zu Emission einer bestimmten Treibhausgasmenge, Befolgung des EU-Emissionshandelssystems (oder eines vergleichbaren Rahmenwerks), Genehmigung von EU-Mitgliedstaaten

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Tab. 1: zentralen Kriterien für eine Einstufung von Crypto Assets als Finanzinstrumente 


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Schlagworte zum Thema:  Bitcoin, ESMA, Bilanzierung