Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Kosten für die Fahrten zum Gericht und Aufwendungen für übliche Fachliteratur sind bei einem Referendar im Vorbereitungsdienst Werbungskosten. Aufwendungen für die Teilnahme an einem Vorbereitungskurs für das Assessorexamen gehören dagegen zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung.
Normenkette
EStG §§ 9, 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Bf. war im Streitjahr 1956 als Gerichtsreferendar beim Oberlandesgericht X. zur Ausbildung beschäftigt. Er erhielt einen Unterhaltszuschuß von 3.250 DM, der dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterworfen wurde; daneben hatte er Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung bei einer AG von 901 DM, von denen ebenfalls Lohnsteuer einbehalten wurde, sowie Einnahmen von 500 DM aus einer Nebentätigkeit bei einem Rechtsanwalt und Einnahmen von 253 DM aus schriftstellerischer Tätigkeit, von denen ein Steuerabzug nicht vorgenommen wurde.
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigte das Finanzamt Werbungskosten von 1.037 DM, nämlich 111,80 DM für den Bezug von Gesetzestexten und einer Fachzeitschrift und 925,20 DM für Fahrten zum Oberlandesgericht X., die der Bf. teils mit dem eigenen PKW, teils mit der Deutschen Bundesbahn gemacht hatte; Kosten für die Teilnahme an einem Repetitionskurs von 255 DM (Kursgebühr 170 DM und Fahrtkosten mit einem Sonderomnibus 85 DM) erkannte das Finanzamt nicht als Werbungskosten an.
Der Einspruch führte zu einer Verböserung. Der Steuerausschuß behandelte die gesamten Kosten als nichtabzugsfähige Ausbildungskosten, da der Bf. sich als Referendar noch in der Berufsausbildung befinde.
In der Berufung führte der Bf. aus, die Unterhaltszuschüsse eines Referendars seien nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 276/52 U vom 1. Juli 1954 (BStBl 1955 III S. 14, Slg. Bd. 60 S. 36) Bezüge für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst und Arbeitslohn; die zur Erlangung dieser Bezüge erforderlichen Aufwendungen müßten als Werbungskosten berücksichtigt werden. Die Fahrtkosten seien gemäß § 9 Ziff. 4, die Kosten für Fachliteratur gemäß § 9 Ziff. 5 EStG abzugsfähig. Alle Ausgaben, die ein Referendar mache, um die große juristische Staatsprüfung zu bestehen, seien Fortbildungskosten, nicht Ausbildungskosten. Der Jurist habe mit Ablegung der ersten Staatsprüfung seine Berufsausbildung abgeschlossen; als Referendar sei er bereits in seinem Beruf tätig. Der Referendar sei etwa einem Gesellen vergleichbar, der sich auf die Meisterprüfung vorbereite. Im übrigen seien die streitigen Kosten auch vorweggenommene Betriebsausgaben für den künftigen Beruf als Anwalt.
Die Berufung hatte teilweise Erfolg. In der angefochtenen Entscheidung, die in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1959 S. 417 veröffentlicht ist, trat das Finanzgericht dem Finanzamt darin bei, daß ein Referendar sich noch in der Ausbildung befinde und daß grundsätzlich alle Kosten, die dem Referendar im Hinblick auf die zweite Staatsprüfung entstehen, als Ausbildungskosten zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung rechneten. Die Kosten für den Repetitionskurs seien keine Werbungskosten, weil sie nicht unmittelbar mit der Tätigkeit als Referendar zusammenhingen, sondern so gut wie ausschließlich dem Zweck dienten, das Assessorexamen zu bestehen; es handle sich nur um Ausbildungskosten und nicht um Fortbildungskosten. Darum könnten sie auch nicht als Betriebsausgaben für den späteren Beruf eines Rechtsanwalts berücksichtigt werden. Anders sei es jedoch mit den Kosten für die Fahrten zum Oberlandesgericht und für Fachliteratur. Diese Aufwendungen ständen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis. Die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte müßten bei Referendaren wie bei allen Arbeitnehmern als Werbungskosten anerkannt werden; ebenso die üblichen und angemessenen Aufwendungen für Fachliteratur, die jedenfalls auch zur Erledigung der Dienstgeschäfte erforderlich seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet:
Es geht in erster Linie um die Abgrenzung der Ausbildungskosten von den Fortbildungskosten (vgl. die Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV a 20/36 vom 24. Juni 1937, RStBl 1937 S. 1089, und die Urteile des Senats VI 7/56 U vom 20. September 1957, BStBl 1957 III S. 424, Slg. Bd. 65 S. 498, und VI 81/58 U vom 13. November 1959, BStBl 1960 III S. 53, Slg. Bd. 70 S. 143).
Bei einem Referendar sind weder alle beruflichen Aufwendungen Ausbildungskosten noch alle Aufwendungen Fortbildungskosten. Es soll zwar, wie der Senat im Urteil VI 81/58 U a. a. O. angedeutet hat, der Begriff der Ausbildungskosten nicht zu weit ausgelegt werden. Es trifft aber nicht zu, daß allgemein die Berufsausbildung eines Juristen mit Ablegung der ersten juristischen Staatsprüfung endet. Das kann der Fall sein, wenn der Jurist nach Ablegung des Referendarexamens auf eine weitere Ausbildung verzichtet und zum Beispiel eine Stellung in der Wirtschaft annimmt. Auch soweit der Referendar im Vorbereitungsdienst eine Nebentätigkeit ausübt, zum Beispiel bei einer Bank, einer Versicherung oder bei einem Rechtsanwalt, gehört diese Tätigkeit nicht zur Berufsausbildung des Referendars.
Es kommt für die Würdigung der Aufwendungen eines Referendars darauf an, in welchem Zusammenhang die Aufwendungen zur Berufstätigkeit als Referendar stehen. Dienen sie vornehmlich dem Ziel der weiteren Ausbildung und damit der Vorbereitung für den künftigen Lebensberuf, so sind sie gemäß § 12 Ziff. 1 EStG nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung, selbst wenn sie nebenbei auch der Tätigkeit im Rahmen des Vorbereitungsdienstes als Referendar zugute kommen. Ermöglichen dagegen die Aufwendungen in erster Linie dem Referendar, seinen Dienst als Referendar zu leisten, so hängen sie mit dem Dienstverhältnis zusammen, auch wenn die dienstliche Tätigkeit wieder mit der Ausbildung zusammenhängt. In solchen Fällen kommt eine Aufteilung nicht in Betracht; die Kosten sind vielmehr ganz zum beruflichen oder ganz zum privaten Bereich zu rechnen, je nach dem, mit welchem Bereich sie überwiegend zusammenhängen.
Nach diesen Grundsätzen konnte das Finanzgericht ohne Rechtsverstoß die Kosten des Vorbereitungskurses als Kosten der Lebensführung bezeichnen, weil diese Kosten mit der noch nicht abgeschlossenen Ausbildung des Bf. zusammenhingen.
Die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte waren dagegen Werbungskosten; sie dienten zur Erlangung der Einnahmen, die dem Bf. aus dem Dienstverhältnis als Referendar zuflossen. Es bedeutet auch keinen Rechtsverstoß, daß das Finanzgericht die im üblichen Rahmen liegenden Aufwendungen für den Bezug von Gesetzestexten und einer juristischen Fachzeitschrift als Werbungskosten anerkannt hat.
Der Bf. meint, die Aufwendungen, die nicht als Werbungskosten abgesetzt würden, besonders die Kosten für den Examenskurs, müßten als vorweggenommene Betriebsausgaben des künftigen Anwaltsberufs berücksichtigt werden. Dem ist nicht zuzustimmen. Es fehlt hier an einem klaren und konkreten Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen aus der künftigen Berufstätigkeit (Vangerow, Steuer und Wirtschaft, 1960, Spalten 443 ff.). Bei einem Juristen steht während der Ausbildung im allgemeinen noch nicht fest, wie er später seine Kenntnisse verwerten wird. Auch wenn ausnahmsweise einmal während der Ausbildung feststeht, daß der Referendar nach dem Assessorexamen zum Beispiel in die Anwaltskanzlei seines Vaters eintreten wird, können im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die hier streitigen Kosten nicht als vorweggenommene Betriebsausgaben für einen künftigen Beruf behandelt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410181 |
BStBl III 1962, 5 |
BFHE 1962, 9 |
BFHE 74, 9 |