Leitsatz (amtlich)
1. Wenn im einheitlichen Feststellungsbescheid betreffend Betriebsvermögen der KG der Zustellungsbevollmächtigte nicht ausdrücklich im Kopfe des Bescheids benannt ist, liegt ein Mangel in der Zustellung vor.
2. Dieser Zustellungsmangel wird geheilt, wenn der Zustellungsbevollmächtigte den Steuerbescheid nachweislich erhalten hat; von diesem Zeitpunkt an läuft die Rechtsmittelfrist zur Einlegung des Einspruchs.
Normenkette
AO §§ 215, 219, 236; VwZG §§ 8-9
Tatbestand
In den Einheitswertbescheiden 1959 bis 1963 über das Betriebsvermögen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Kommanditgesellschaft mit mehreren Gesellschaftern, war im Kopf der Einheitswertbescheide nur die Firma mit Anschrift angegeben, nicht jedoch der Name des Zustellungsbevollmächtigten, der dem Beklagten und Revisionskläger (FA) als Zustellungsbevollmächtigter für alle Steuerangelegenheiten der Klägerin benannt worden war. Die Einheitswertbescheide wurden am 4. August 1967 abgesandt. Das FA hat den am 21. September 1967 eingegangenen Einspruch gegen sämtliche Bescheide wegen Verspätung als unzulässig verworfen.
Die Klägerin beanstandete mit der Klage die sachliche Richtigkeit der Bescheide und vertrat die Auffassung, die Einsprüche seien rechtzeitig eingelegt worden, da die Einspruchsfrist mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht mit dem 8. August 1967 begonnen habe. Die Zustellung einheitlicher Feststellungsbescheide nach § 219 AO sei an den genannten Zustellungsbevollmächtigten zu bewirken. Dieser müsse deshalb in dem Bescheid selbst genannt sein. Sie beantragte daher, die angefochtenen Einheitswertbescheide aufzuheben, vorab über die Zulässigkeit des Einspruchs zu entscheiden.
Das FA erklärte demgegenüber, die Feststellungsbescheide seien den Vorschriften entsprechend in einem verschlossenen, an den Zustellungsbevollmächtigten persönlich adressierten Umschlag abgesandt worden und diesem zugegangen. Dies ergebe sich aus den entsprechenden innerdienstlichen Verfügungen und Vermerken, die auf der Rückseite des jeweiligen Bescheids enthalten seien. Die Wirksamkeit der Zustellung nach § 219 AO erfordere nicht, daß der Name des Zustellungsvertreters zusätzlich in dem Kopfe des Steuerbescheids erscheine.
Das FG verneinte eine Fristversäumnis; es hob die Einspruchsentscheidung auf und verwies die Sache an das FA zur erneuten Entscheidung über den Einspruch zurück.
Es führte aus: Die Zustellung von einheitlichen Feststellungsbescheiden richte sich bei Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten nach § 219 Abs. 1 Sätze 2-4 AO in Verbindung mit § 8 VwZG. Die Zustellung sei nur dann wirksam erfolgt, wenn sie an den Zustellungsbevollmächtigten ordnungsgemäß bewirkt sei. Eine wirksame Zustellung eines einheitlichen Feststellungsbescheids liege dann nicht vor, wenn neben der Bezeichnung der Personenvereinigung als der Steuerpflichtigen der Name des Zustellungsbevollmächtigten im Bescheid selbst fehle. Denn die Zustellung der Feststellungsbescheide an die Personenvereinigung stelle nicht gleichzeitig eine Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten dar. Die notwendige Zustellung an diesen sei nicht schon dadurch bewirkt, wenn allein auf dem Briefumschlag dessen Name angegeben sei; dieser müsse vielmehr in dem Bescheid selbst bezeichnet werden. Andernfalls bliebe es im Rahmen des Postablaufs der Firma dem Zufall überlassen, ob der Bescheid überhaupt oder rechtzeitig zum Bevollmächtigten gelange. Da die Verfassungsmäßigkeit des § 219 AO nicht zweifelsfrei sei, sei eine enge Auslegung erforderlich. Infolgedessen müsse im Rechtsschutzinteresse der beteiligten Gesellschafter dem Bevollmächtigten persönlich der Bescheid bekanntgemacht werden. Es bedeute keine Überspannung formaler Anforderungen, den Namen des Bevollmächtigten außer auf dem Briefumschlag auch im einzelnen Bescheid aufzunehmen. Durch den nicht rechtswirksamen Zugang der Bescheide sei eine Rechtsbehelfsfrist nicht in Lauf gesetzt worden und die Einsprüche seien zulässig. Die Zurückverweisung an das FA zur sachlichen Entscheidung beruhe auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
Gegen das Urteil legte das FA Revision ein mit dem Antrag auf Klageabweisung, die es mit Verletzung der §§ 91, 211 in Verbindung mit § 218 Abs. 1, § 219 AO und der §§ 8 Abs. 1, 9 und 17 VwZG begründete. Entscheidend sei allein die Frage, ob bei Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten die Wirksamkeit davon abhänge, daß in der Ausfertigung des Bescheids der Name des Bevollmächtigten aufgenommen werde. Es genüge jedoch, daß der allein die Bezeichnung der Personengesellschaft tragende Bescheid in einem an den Zustellungsbevollmächtigten persönlich adressierten Briefumschlag abgesandt werde, wie es hier geschehen sei. Das Urteil des FG lasse bei seiner Entscheidung die tatsächliche Beschriftung des Briefumschlags dahingestellt, weil nach seiner Auffassung die Klage auch dann begründet sei, wenn der Umschlag die vom FA behauptete Beschriftung getragen habe. Demgegenüber verlangten die §§ 91, 211 in Verbindung mit 218 Abs. 1 AO im Bescheid nur die Benennung des steuerlichen Adressaten, an den sich der Verwaltungsakt inhaltlich richte, dagegen nicht die Angabe des Vertreters in der Ausfertigung des Bescheids. Nach dem VwZG müsse lediglich die Zustellung an den Vertreter gerichtet werden, was hier durch entsprechende Beschriftung des Briefumschlags geschehen sei. Wenn der Bevollmächtigte die Anschrift der Firma als seine Anschrift angebe, sei es allein deren Sache, die Postsendung laut Umschlag zuzuleiten, und zwar auch dann, wenn die Firma bei Abwesenheit des Adressaten die Eingangspost öffne. Der Briefumschlag sei maßgeblich, ihn aufzubewahren sei Sache des Empfängers. Bei dieser Rechtslage könne der BFH trotz der von der Klägerin bestrittenen Beschriftung des Briefumschlags selbst entscheiden. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts sei kaum möglich. Durch den Akteninhalt werde in einer von der Klägerin nicht zu widerlegenden Weise bestätigt, daß der Briefumschlag im Einklang mit der für den Feststellungsbescheid ergangenen Aktenverfügung an den Zustellungsbevollmächtigten gerichtet worden sei. Schließlich wäre nach der neuen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 8. Februar 1972 VIII R 14/68, BFHE 105, 85, BStBl II 1972, 506) der Zustellungsmangel gemäß § 9 Abs. 1 VwZG geheilt worden, selbst wenn die Zustellung entgegen der Revisionsbegründung nicht ordnungsgemäß erfolgt wäre.
Die Klägerin hält das Urteil des FG für richtig. Soweit das FG bei seiner Rechtsauffassung zugunsten des FA unterstellt habe, der Briefumschlag sei in der vom FA behaupteten Art und Weise auf den Namen des Zustellungsvertreters adressiert gewesen, so werde diese Behauptung bei anderer Rechtsauffassung des Gerichts bestritten. Ein Steuerpflichtiger sei nicht verpflichtet, den Briefumschlag aufzubewahren. Das vom FA benannte BFH-Urteil VIII R 14/68 überzeuge sie nicht. Empfangsberechtigter sei der Zustellungsbevollmächtigte und nicht die Klägerin gewesen. Der Zugang in den Bereich der Firma sei nicht gleichzusetzen mit einem Zugang an den Zustellungsbevollmächtigten, dem das Schriftstück nicht vorgelegt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.
Nach den Feststellungen des FG ist "X" dem FA als Vertreter im Sinne des § 219 Abs. 1 Satz 2 AO von der Klägerin und deren Gesellschaftern benannt worden. Die Gesellschafter haben dem FA den Vertreter zu benennen, nicht die Gesellschaft als solche, der alsdann in der Regel nur die Mitteilung der Vereinbarung obliegt (siehe Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 219 AO Anm. 2). Danach ist hier verfahren worden. Die in § 219 Abs. 1 AO getroffene Regelung, daß Feststellungsbescheide einem Gesellschafter mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter zugehen können, ist mit dem GG, insbesondere mit Art. 103 Abs. 1, 19 Abs. 4, vereinbar (Urteil des BFH vom 27. November 1968 III 244/64, BFHE 94, 517, BStBl II 1969, 250). Dort ist eingangs ausgeführt, daß die Zustellung von Einheitswertbescheiden über die Feststellung des Betriebsvermögens einer Kommanditgesellschaft an den gemäß § 219 Abs. 1 AO benannten Zustellungsbevollmächtigten auch Zustellungswirkung gegenüber der Kommanditgesellschaft hat. Ein förmlicher Steuerbescheid muß in erster Linie den Steuerschuldner, an den er gerichtet ist, bezeichnen, wie sich aus §§ 210, 212 AO ergibt, da er gegen einen bestimmten Steuerpflichtigen gerichtet ist (Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 210 AO An. 11). Das ist hier die Kommanditgesellschaft.
Die Rechtsprechung des BFH über die Unheilbarkeit des materiellen Mangels der falschen Bezeichnung des Steuerschuldners im Steuerbescheid (Entscheidungen vom 28. November 1963 II 103/60, HFR 1964, 126; vom 17. März 1970 II 65/63, BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598, und vom 20. Oktober 1970 II 167/64, BFHE 100, 56, BStBl II 1970, 826) greift im vorliegenden Fall nicht Platz. Denn bei dem jeweils dort entschiedenen Sachverhalt handelte es sich um Steuerbescheide, in deren Kopf allein der Vertreter, Bevollmächtigte oder Testamentsvollstrecker ohne Benennung des dahinterstehenden Steuerschuldners bezeichnet war, während in den hier fraglichen Einheitswertbescheiden zwar die KG als Steuerschuldner benannt ist, aber der Bevollmächtigte nicht angeführt ist. Die Adresse auf dem Umschlag ist insoweit nicht maßgeblich, da der Umschlag zwar auch dem Zugang an den postalischen Adressaten dient, aber nicht für den Inhalt des Bescheids von Bedeutung ist. Das FG hat daher zutreffend das Fehlen der Angabe des Zustellungsbevollmächtigten im Einheitswertbescheid des Betriebsvermögens der Klägerin als einen Mangel in der Zustellung bewertet. Der einheitliche Feststellungsbescheid betreffend das Betriebsvermögen der KG, der entweder die einzelnen Gesellschafter der Handelsgesellschaft oder die Firma im Bescheid zu benennen hat, müßte an sich jedem Gesellschafter zugestellt werden. Die vereinfachte Zustellung des § 219 Abs. 1 AO ermöglicht jedoch die Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter. Im Fall des § 219 Abs. 1 Satz 3 AO kann nicht davon abgesehen werden, den Gesellschafter, an den zugestellt wird, im Bescheid selbst zu bezeichnen, weil sonst der Adressat der besonderen Belehrung über die Wirkung der Zustellung für und gegen alle fehlen würde, die für die Wirksamkeit dieser Belehrung notwendig ist. Während also die Benennung des Empfangsbevollmächtigten kein Erfordernis für die Rechtsgültigkeit des Bescheids ist, ist sie eine Frage der gehörigen Bekanntmachung, also für den ordnungsgemäßen Zugang und damit für den Beginn der Rechtsmittelfrist. Auf das Vorliegen eines Zustellungsmangels neben dem dort angenommenen Mangel des Bescheids selbst geht auch das BFH-Urteil II 65/63 unter Bezugnahme auf das Verwaltungszustellungsgesetz ein (BStBl II 1970, 600). Somit wäre an sich die Revision unbegründet, wenn der Mangel der Zustellung nicht nach § 9 Abs. 1 VwZG geheilt werden könnte, weil § 9 Abs. 2 VwZG mit der Nichtanwendbarkeit des Abs. 1 auch die Rechtsbehelfsfrist gegen einen Steuerbescheid umfasse (so BFH-Entscheidung II 65/63 unter Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 16. Juli 1968 II R 57/66, BFHE 93, 129, BStBl II 1968, 728). Inzwischen hat die neue Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, diesen Standpunkt aufgegeben und vertritt die Ansicht, daß § 9 Abs. 2 VwZG nur dann anzuwenden ist, wenn mit der Zustellung eine Frist für Verfahren vor Gerichten in Lauf gesetzt wird (BFH-Entscheidung VIII R 14/68). Somit wird der Zustellungsmangel eines Steuerbescheids bzw. eines Feststellungsbescheids hinsichtlich der Einspruchsfrist geheilt, wenn der Empfangsberechtigte das zuzustellende Schriftstück nachweislich erhalten hat und mit der Zustellung nur eine außergerichtliche Rechtsbehelfsfrist in Lauf gesetzt wird. So liegt hier die Rechtslage. Der Zustellungsbevollmächtigte hat unstreitig die Einheitswertbescheide betreffend das Betriebsvermögen der KG 1959 bis 1963 erhalten. Der Zeitpunkt, in dem der Zustellungsbevollmächtigte die Einheitswertbescheide nachweislich erhalten hat, ist bisher nicht tatbestandsmäßig geklärt. Es erfolgt Zurückverweisung an das FG, da von dieser Klärung sodann die Zulässigkeit des am 21. September 1967 eingegangenen Einspruchs gegen die Einheitswertbescheide abhängt.
Fundstellen
BStBl II 1974, 367 |
BFHE 1974, 453 |