Leitsatz (amtlich)
1. Die Vergütungen, die an Mitglieder des Kreditausschusses einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse des Landes Nordrhein-Westfalen gezahlt werden, die zugleich Mitglieder des Verwaltungsrats dieser Sparkasse sind, sind gemäß § 12 Nr. 3 KStG nicht abzugsfähig.
2. Der Bundesfinanzhof ist als Revisionsgericht an die Feststellungen des Finanzgerichts über Bestand und Inhalt landesrechtlicher Vorschriften gebunden, soweit ihm gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO die Prüfung des angefochtenen Urteils nur im Hinblick auf die Verletzung von Bundesrecht erlaubt ist.
2. Soweit das Finanzgericht aus dem von ihm dem Bestande und dem Inhalt nach festgestellten Landesrecht Schlüsse auf die Anwendbarkeit von Vorschriften des Bundesrechts gezogen hat, ist dessen Urteil revisibel.
Normenkette
KStG § 12 Nr. 3; FGO § 118 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine öffentlich-rechtliche Sparkasse - ist Rechtsnachfolgerin der Städtischen Sparkasse X, die ebenfalls eine öffentlich-rechtliche Sparkasse war. Letztere hat bei der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Gewinns für den Veranlagungszeitraum 1973 einen Betrag von 720 DM als Betriebsausgabe abgesetzt, den sie an Mitglieder ihres Verwaltungsrats für deren Tätigkeit in ihrem Kreditausschuß geleistet hatte. Sie gab an, die Tätigkeit des Kreditausschusses sei geschäftsführender und nicht überwachender Art.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ den genannten Betrag aus Anlaß der Körperschaftsteuerfestsetzung 1973 gemäß § 12 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nicht zum Abzug zu. Die Sachbehandlung entsprach dem - im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und den obersten Finanzbehörden der Länder - ergangenen Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 17. April 1974 - S 2785 - 5 - V 34 -. Nach diesem Erlaß sind an Mitglieder des Verwaltungsrats von Sparkassen für ihre Tätigkeit im Kreditausschuß gezahlte Vergütungen gemäß § 12 Nr. 3 KStG nicht abzugsfähig, weil die im Kreditausschuß tätigen Mitglieder des Verwaltungsrates insoweit Verwaltungsratsfunktionen wahrnähmen, nicht geschäftsführend, sondern überwachend tätig seien.
Die mit Zustimmung des FA ohne Vorverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 190 - EFG 1977, 190 -).
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 12 Nr. 3 KStG. Im wesentlichen beanstandet sie die Beurteilung der Funktionen der Kreditausschußmitglieder auf der Grundlage des Sparkassengesetzes und der Sparkassenverordnung durch das FG.
Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die umstrittenen Vergütungen als abzugsfähige Aufwendungen anzusehen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Gemäß § 12 Nr. 3 KStG i. d. F. der Bekanntmachung vom 13. Oktober 1969 (BGBl I 1969, 1869, BStBl I 1969, 633) sind nicht abzugsfähig die Vergütungen jeder Art, die an Mitglieder des Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Grubenvorstandes oder andere mit der Überwachung der Geschäftsführung beauftragte Personen gezahlt werden. Die Merkmale dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt.
1. Das Gesetz schließt die Abzugsfähigkeit von Vergütungen aus, die für die Überwachung der Geschäftsführung gewährt werden. Den Begriff Überwachung hat die Rechtsprechung stets in einem weiten Sinne aufgefaßt (so schon Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 26. Juni 1928 I A 507/27, RFHE 24, 11, Mrozek-Kartei, Körperschaftsteuergesetz 1925 § 17 Nr. 4, Rechtsspruch 2; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. September 1966 I 265/62, BFHE 87 8 [11], BStBl III 1966, 688, mit weiteren Nachweisen) und darunter jede Tätigkeit verstanden, die im möglichen Rahmen der Überwachungstätigkeit liegt (so schon Urteil des RFH vom 17. September 1919 II A 122/19, RFHE 1, 179 zum Reichsstempelgesetz 1913 Tarifnr. 9 Abs. 2 im Anschluß an das Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 13. Mai 1910 VII 419/09, RGZ 73, 355).
Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 KStG greift jedoch nicht ein, wenn die Vergütung für eine Tätigkeit gezahlt wird, die - etwa aufgrund besonderer Verträge - nicht zur Überwachungsfunktion gehört (BFH-Urteil I 265/62, BFHE 87, 12). Eine Tätigkeit dieser Art hat der BFH jedoch für Fälle verneint, in denen sich das Verhalten der betreffenden Person sowohl als Aufsichtsratstätigkeit als auch als gesellschaftsrechtlich bedingte Mitarbeit an der Geschäftsführung darstellte (Urteil vom 12. September 1973 I R 249/71, BFHE 110, 277, BStBl II 1973, 872), oder in denen Aufsichtsratsmitglieder neben anderen, teils der steuerpflichtigen GmbH angehörenden, teils ihr nicht angehörenden Personen Mitglieder eines über die Bewilligung von Darlehen entscheidenden Kreditausschusses gewesen waren (Urteil des BFH vom 27. Januar 1971 I R 162/69, BFHE 101, 221, BStBl II 1971, 310; in der zuletzt genannten Sache entsprang die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern der GmbH in den Kreditausschuß deren freier Entschließung, war also nicht "zufällig" i. S. des Urteils des RFH vom 21. Juni 1935 I A 92/35, RStBl 1935, 1435).
2. Für die Entscheidung der Frage, ob die Vergütungen, die an Kreditausschußmitglieder gezahlt wurden, die zugleich Mitglieder des Verwaltungsrats der Klägerin waren, dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 KStG unterliegen, hat sich das FG im Hinblick auf die für diese Vorschrift erhebliche Beurteilung der Betätigung der Kreditausschußmitglieder auf Vorschriften des für das Land Nordrhein-Westfalen maßgebenden Sparkassenrechts bezogen. Soweit das FG Bestand und Inhalt dieser landesrechtlichen Vorschriften festgestellt hat, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil ihm die Prüfung des angefochtenen Urteils nur im Hinblick auf die Verletzung von Bundesrecht erlaubt ist (Urteil des BFH vom 18. Februar 1970 I R 157/67, BFHE 99, 42 [46], BStBl II 1970, 519; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 15. Juli 1975 VII C 33/73, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976 S. 181 - HFR 1976, 181 -, und vom 1. Oktober 1971 VII C 10/68, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 137 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - Nr. 50; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. April 1957 V ZR 75/56, BGHZ 24, 159).
Der BFH hat zwar im Urteil vom 8. Juli 1971 V R 1/68 (BFHE 103, 247 [250], BStBl II 1972, 70) ausgesprochen, daß nicht revisibles Recht, soweit es sich dabei um Vorfragen für die Anwendung von bundesrechtlichen Steuerrechtssätzen handle, in der Revisionsinstanz nachprüfbar sei. Diese Äußerung bezieht sich aber ersichtlich auf den Fall, daß sich das FG mit Existenz und Inhalt als Vorfrage entscheidungserheblichen Landesrechts nicht befaßt hat. Dies beweist einerseits die Bemerkung (BFHE 103, 250 unter b Abs. 1), die Prüfung der Frage, ob die Steuerpflichtige eine Körperschaft öffentlichen Rechts kraft Landesrecht sei, wäre dem Senat verwehrt, wenn das FG eine Entscheidung über Bestehen und Inhalt von landesrechtlichen Gesetzen getroffen hätte, und andererseits die Berufung auf die Urteile des BGH vom 23. Oktober 1963 V ZR 146/57 (BGHZ 40, 197) und des BVerwG vom 26. August 1964 V C 128 u. 129/63 (BVerwGE 19, 204).
Soweit das FG jedoch aus dem von ihm dem Bestande und dem Inhalt nach festgestellten Landesrecht Schlüsse im Hinblick auf die für die Anwendung des § 12 Nr. 3 KStG erhebliche Frage gezogen hat, ob die zugleich dem Verwaltungsrat angehörenden Kreditausschußmitglieder auch eine überwachende Funktion haben, und ob eine Aufteilung in Aufsichtstätigkeit und geschäftsführende oder sonstige Tätigkeit in Betracht kommt, ist die Entscheidung des FG im Hinblick auf die Anwendung von Bundesrecht revisibel.
3. Der Senat muß aufgrund der aus Vorschriften des Landesrechts abgeleiteten Feststellungen des FG davon ausgehen, daß die einzelnen Kreditausschußmitglieder, die aufgrund ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Verwaltungsrats aus dessen Mitte gewählt worden sind (§ 15 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des für das Land Nordrhein-Westfalen geltenden Gesetzes über die Sparkassen sowie über die Girozentrale und Sparkassen- und Giroverbände in der für den Streitfall maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 2. März 1971 - SpkG - NRW -, Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen 1971 S. 52), im Kreditausschuß neben der Geschäftsführung zuzuordnenden Tätigkeiten auch solche überwachender Art ausgeübt haben. Nach dem Wortlaut des § 12 Nr. 3 KStG ist auf die den einzelnen Personen gewährte Vergütung abzustellen, die mit der Überwachung der Geschäftsführung beauftragt sind.
Das FG hat aus § 1 der Verordnung über den Betrieb und die Geschäfte der Sparkassen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 1. September 1970 - SpkVO-NRW - (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen 1970 S. 692), wonach der Kreditausschuß in dem dort beschriebenen Umfange für die Entscheidung vom Vorstand vorzubereitender Kreditanträge zuständig ist, geschlossen, daß der Kreditausschuß insoweit geschäftsführend tätig sei. Andererseits war das FG der Ansicht, daß eine überwachende Tätigkeit auch in der Teilnahme an besonders wichtigen laufenden Geschäftsabschlüssen gesehen werden müsse; nach § 1 SpkVO-NRW habe der Kreditausschuß über Kredite größeren Umfangs zu entscheiden. Diese Begrenzung auf die Beschlußfassung über besonders wichtige Kreditgeschäfte könne mit der Zustimmungsbedürftigkeit besonders wichtiger Geschäfte gemäß § 111 des Aktiengesetzes (AktG) 1965 (vgl. dazu schon zum Aktiengesetz 1937 Großkommentar zum Aktiengesetz, 1. Aufl., W. Schmidt, § 95 Anm. 19; zum Aktiengesetz 1965, 3. Aufl., Meyer-Landrut, § 111 Anm. 14) verglichen werden; es handle sich hierbei um Aufsichtstätigkeit insoweit, als Mitglieder eines Aufsichtsorgans an solchen Geschäften beteiligt seien. Nach der gesetzlichen Zusammensetzung des Kreditausschusses könnten die aus dem Verwaltungsrat - einem Aufsichtsorgan der Sparkasse (§ 13 Abs. 1 SpkG-NRW) - gewählten Mitglieder nicht überstimmt werden, denn nach § 15 Abs. 1 Buchst. b SpkG-NRW solle die Zahl der dem Kreditausschuß angehörenden Mitglieder des Verwaltungsrats immer um eins höher als die der Vorstandsmitglieder sein. Die Aufsichtsfunktion der Kreditausschußmitglieder, die zugleich dem Verwaltungsrat angehören, komme dadurch zum Ausdruck, daß gewichtige Kreditgeschäfte ohne ihre Zustimmung nicht zustande kämen.
Nach § 2 Abs. 1 SpkVO-NRW habe der Vorstand vorübergehend gewisse Befugnisse, die an sich dem Kreditausschuß zustünden; doch müsse er solche Fälle in der nächsten Sitzung zur Prüfung und Beschlußfassung dem Kreditausschuß vorlegen; hier könne es sich nur noch um eine Prüfung der Verwaltungsratsmitglieder handeln, da sich der Vorstand bereits für die Kreditgewährung entschieden habe. Die Kontrollfunktion des Kreditausschusses bringe auch § 2 Abs. 3 SpkVO-NRW zum Ausdruck; nach dieser Vorschrift müsse der Vorstand dem Kreditausschuß Auskunft über die von ihm in eigener Zuständigkeit gewährten und abgelehnten Kredite erteilen. Die Auskunfterteilung sei auf die aus dem Verwaltungsrat kommenden Kreditausschußmitglieder gerichtet, denn der Vorstand sei über den Umfang dieser Vorgänge bereits aus dem laufenden Geschäft unterrichtet.
4. Die Feststellungen des FG über Art und Umfang der Tätigkeit der dem Kreditausschuß angehörenden Mitglieder des Verwaltungsrats nach dem Sparkassenrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO), rechtfertigen die Schlußfolgerung, daß die umstrittenen Vergütungen für eine überwachende Tätigkeit im Sinne des § 12 Nr. 3 KStG gezahlt worden sind. Die Vergütungen sind für die Tätigkeit als Kreditausschußmitglied entrichtet worden, bei der die überwachende Tätigkeit wesentlich ist. Eine Aufteilung der einheitlichen Vergütungen in solche für Überwachungstätigkeit und in solche für sonstige - von der überwachenden getrennte - Tätigkeiten kommt nicht in Betracht. Die Vergütungen sind für eine einheitliche Tätigkeit als Kreditausschußmitglied gezahlt worden. Das FG ist mit Recht von der Rechtsprechung ausgegangen, nach der eine Zerlegung in Aufsichtstätigkeit und sonstige Leistung grundsätzlich nicht in Betracht kommt (BFH-Urteil I 265/62 mit Nachweisen; vgl. auch oben 1.).
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Senat der Ansicht des FG anschließen könnte, durch die Begrenzung der Entscheidungsbefugnisse des Kreditausschusses auf besonders wichtige Kredite (§ 1 SpkVO-NRW) i. V. m. § 15 Abs. 1 Buchst. b SpkG-NRW komme die Aufsichtsfunktion der zugleich dem Verwaltungsrat angehörenden Kreditausschußmitglieder zum Ausdruck, weil gewichtige Kreditgeschäfte ohne ihre Zustimmung nicht zustande kämen. Denn schon die Schlüsse, die das FG aus § 2 SpkVO-NRW gezogen hat, rechtfertigen seine Entscheidung.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 4 SpkVO-NRW sind dem Kreditausschuß Kredite zur Prüfung und Beschlußfassung vorzulegen, für die der Vorstand auf Grund § 2 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SpkVO-NRW die Überziehung von Konten und Kreditüberschreitungen in solchen Fällen zugelassen hat, in denen der Kreditausschuß zuständig ist. Hierbei kann es sich nur um die Prüfung von Entscheidungen des Vorstandes handeln. Solche Prüfungen sind aber Ausfluß der Aufsicht über geschäftsführende Maßnahmen des Vorstandes. Dies zeigt auch die Tatsache, daß der Kreditausschuß über die zu prüfenden Kredite Beschluß zu fassen hat. Da die Kontenüberziehungen oder Kreditüberschreitungen vom Vorstand bereits zugelassen sind, kann sich die Beschlußfassung des Kreditausschusses nur auf die Billigung oder Mißbilligung geschäftlicher Maßnahmen des Vorstandes beziehen.
Auch § 2 Abs. 3 SpkVO-NRW ist im Hinblick auf die vom Verwaltungsrat aus seiner Mitte gewählten Mitglieder des Kreditausschusses - dem, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mit Recht bemerkt hat (§ 15 Abs. 1 Buchst. c SpkG-NRW), im Gegensatz zum Verwaltungsrat keine Dienstkräfte der Sparkasse angehören dürfen - im Sinne einer überwachenden Funktion zu verstehen. Die durch diese Vorschrift dem Vorstand auferlegte Pflicht, dem Kreditausschuß nach Maßgabe der vom Verwaltungsrat zu erlassenden Geschäftsanweisung Auskunft über die von ihm - dem Vorstand - in eigener Zuständigkeit bewilligten oder abgelehnten Kredite zu erteilen, kann nur den Sinn haben, die geschäftliche Tätigkeit des Vorstands im Hinblick auf die in dessen Zuständigkeitsbereich fallenden Kreditentscheidungen zu überwachen. Dem FG ist darin zuzustimmen, wenn es insoweit dem Umstand Gewicht zugemessen hat, daß die Anzahl der vom Verwaltungsrat - einem die Geschäftsführung überwachenden Organ - aus seiner Mitte gewählten Mitglieder des Kreditausschusses um ein Mitglied höher ist als die aus dem Vorstand stammenden Mitglieder.
Fundstellen
BStBl II 1979, 193 |
BFHE 1979, 424 |