Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der Kammerbeiträge für Geschäftsführer von Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften ist Arbeitslohn
Leitsatz (amtlich)
Obwohl die Anerkennung einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft voraussetzt, dass die Geschäftsführer Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater sind, führt die Übernahme der Beiträge zu den Berufskammern durch den Arbeitgeber zu Arbeitslohn. Der Arbeitgeber handelt nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; WiPrO § 28 Abs. 1, § 58 Abs. 1, § 61 Abs. 1; StBerG § 50 Abs. 1, § 73 Abs. 1, § 79 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) betrieben wird. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 2000 wurde festgestellt, dass die Klägerin Pflichtkammerbeiträge für ihre angestellten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Geschäftsführer unversteuert übernommen hatte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--), der darin die Zuwendung steuerpflichtigen Arbeitslohns sah, nahm die Klägerin in Haftung. Den dagegen erfolglos erhobenen Einspruch beschränkte die Klägerin auf die Versteuerung der übernommenen Kammerbeiträge für ihre Geschäftsführer.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1159 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Haftungsbescheid insoweit aufzuheben, als dort eine Nachversteuerung der Kammerbeiträge der Geschäftsführer der Klägerin zu Grunde gelegt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine tatsächliche Würdigung ist möglich; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal "für" ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen.
Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber --neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers-- ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. April 2006 VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691, m.w.N.; vom 26. Juli 2007 VI R 64/06, BStBl II 2007, 892).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Übernahme der Kammerbeiträge durch die Klägerin auch im eigenen Interesse der angestellten Geschäftsführer erfolgt und deshalb Arbeitslohn anzunehmen sei. Die Gesamtwürdigung, die revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar ist (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488; vom 10. November 2005 VI B 75/05, BFH/NV 2006, 530; BFH-Urteil vom 12. April 2007 VI R 77/04, BFH/NV 2007, 1643; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 87, m.w.N.), ist möglich; sie lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, sind Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gesetzlich verpflichtet, Mitglied in der jeweiligen Berufskammer zu sein (§ 58 Abs. 1 der Wirtschaftsprüferordnung --WPO--; § 73 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--). Die Pflichtmitgliedschaft, die unabhängig davon besteht, ob der Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater nach der Bestellung selbständig oder als Angestellter tätig wird, schließt die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen an die Berufskammern ein (§ 61 Abs. 1 WPO; § 79 Abs. 1 StBerG). Die Mitgliedschaft in der Berufskammer ist unabdingbar für die Ausübung des Berufs eines Wirtschaftsprüfers bzw. Steuerberaters. Die Zahlung der Kammerbeiträge durch den Arbeitgeber liegt damit in besonderer Weise im eigenen Interesse des Arbeitnehmers (vgl. dazu Senatsentscheidung in BStBl II 2007, 892).
b) Das eigene Interesse der Arbeitnehmer an der Übernahme der Kammerbeiträge ist auch dann zu bejahen, wenn diese als angestellte Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfungs- und/oder Steuerberatungsgesellschaft tätig sind.
Zwar ist Voraussetzung für die Anerkennung einer solchen Gesellschaft, dass die Mitglieder des Vorstandes, die Geschäftsführer oder die persönlichen Gesellschafter Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater sind (§ 28 Abs. 1 WPO; § 50 Abs. 1 StBerG). Für Doppelgesellschaften mit beschränkter Haftung, die, wie im Fall der Klägerin, sowohl die Voraussetzungen der WPO als auch des StBerG erfüllen, bedeutet dies, dass Geschäftsführer nur Personen sein können, die eine Doppelqualifikation als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater haben (Gehre/von Borstel, Kommentar zum StBerG, 5. Aufl., § 50 Rz 14). Daraus folgt jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass in diesen Fällen das vom FG zu Recht bejahte betriebliche Interesse an der Kammermitgliedschaft eines Wirtschaftsprüfers bzw. Steuerberaters und der damit verbundenen Zahlung der Beiträge das persönliche Interesse des Angestellten überlagerte.
Das FG führt zutreffend aus, dass nur ein bereits bestellter Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater zum Geschäftsführer einer GmbH berufen werden und diese Bestellung auch während seiner Geschäftsführertätigkeit nicht aufgeben darf, selbst wenn er ansonsten keine eigene berufliche Niederlassung unterhält. Das bedeutet, dass die Zwangsmitgliedschaft in den Berufskammern zwingende Voraussetzung für die Ausübung des Geschäftsführeramtes und damit für die Berufsausübung insgesamt ist. Deshalb kann der Auffassung der Klägerin, dass ab Beginn der Tätigkeit als Geschäftsführer seine Mitgliedschaft in der Berufskammer nur noch im ausschließlichen Interesse der GmbH bestehe, nicht gefolgt werden. Ohne die weiterbestehende Mitgliedschaft könnte der Arbeitnehmer sein Amt als Geschäftsführer nicht ausüben. Aus denselben Erwägungen teilt der Senat auch nicht die Ansicht der Klägerin, dass die Organstellung der Geschäftsführer ihre Arbeitnehmerfunktion überlagere und die Zahlung der Kammerbeiträge nur der Organstellung geschuldet sei.
Fundstellen
Haufe-Index 1933751 |
BFH/NV 2008, 665 |
BStBl II 2008, 378 |
BFHE 2008, 266 |
BB 2008, 527 |
DB 2008, 501 |
DStR 2008, 444 |
DStRE 2008, 392 |
DStZ 2008, 199 |
HFR 2008, 345 |