Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligung i. S. des § 17 EStG gegen eine nicht wesentliche Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft, die ebenfalls Privatvermögen wird, getauscht, so erfüllt dieser Vorgang grundsätzlich den Tatbestand einer Veräußerung i. S. des § 17 EStG. Die hingegebene und die erlangte Beteiligung sind regelmäßig schon deshalb nicht wirtschaftlich identisch i. S. des sogenannten Tauschgutachtens des BFH vom 16. Dezember 1958 I D 1/57 S (BFHE 68, 78, BStBl III 1959, 30), weil die hingegebene Beteiligung "steuerbefangen" war, während die erlangte Beteiligung dies nicht ist.
2. Wird eine wesentliche Beteiligung i. S. des § 17 EStG veräußert und erhält der Veräußerer als Entgelt börsengängige Aktien, so bestimmt sich der Veräußerungspreis i. S. des § 17 EStG auch dann nach dem Kurswert der erlangten Aktien im Zeitpunkt der Veräußerung, wenn der Veräußerer der wesentlichen Beteiligung sich persönlich verpflichtet hat, die erlangten Aktien fünf Jahre nicht zu veräußern.
Normenkette
EStG § 17
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1964, ob der Tausch einer im Privatvermögen gehaltenen ca. 30 %igen Beteiligung an einer AG gegen eine Beteiligung von rd. 0,5 v. H. an einer anderen AG deshalb nicht zu einem Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 EStG führt, weil die hingegebene und die erlangte Beteiligung wirtschaftlich identisch seien, und ob ggf. bei der Berechnung des Veräußerungspreises im Hinblick auf ein übernommenes befristetes Veräußerungsverbot vom Börsenkurswert der erlangten Aktien ein Abschlag zu machen ist.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Testamentsvollstreckerin für den Nachlaß des am 30. April 1968 verstorbenen Fabrikdirektors A.
Dieser war am Grundkapital der X. AG wesentlich beteiligt und zugleich Vorstandsvorsitzender dieser Gesellschaft. Die Beteiligung war Privatvermögen des A.
Durch einen am 22. Juli 1964 abgeschlossenen Vertrag mit der Y. AG tauschte A seine Beteiligung an der X. AG im Nennwert von 6 315 000 DM - das waren etwa 30 v. H. des Grundkapitals der X. AG - gegen Aktien der Y. AG im Nennwert von 4 210 000 DM. A war nach dem Tausch am Grundkapital der Y. AG mit etwa 0,5 v. H. beteiligt. A blieb Vorstandsvorsitzender der X. AG.
Der Kurswert der von A erworbenen Aktien der Y. AG betrug am 22. Juli 1964 20 250 100 DM. Die im Tausch gegebene Beteiligung an der X. AG hatte einen Tageskurswert von 20 713 2 000 DM. Die Anschaffungskosten des A für die in Tausch gegebene Beteiligung an der X. AG beliefen sich auf 4 629 377 DM. A verpflichtete sich beim Erwerb der Aktien an der Y. AG, diese Aktien nicht vor Ablauf von fünf Jahren zu veräußern.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) vertrat bei der Einkommensteuerveranlagung 1964 für A die Auffassung, daß der Tausch der Beteiligung des A an der X. AG gegen Aktien der Y. AG eine Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 17 EStG darstelle und demgemäß der Gewinn hieraus einkommensteuerpflichtig sei. Das FA errechnete einen Veräußerungsgewinn von 15 620 723 DM. Dabei ging das FA davon aus, daß Veräußerungspreis für die wesentliche Beteiligung der gemeine Wert (= Börsenkurswert) der als Gegenleistung erlangten Aktien der Y. AG am 22. Juli 1964, also ein Betrag von 20 250 100 DM sei und daß dieser gemeine Wert der Aktien der Y. AG auch durch das befristete Veräußerungsverbot nicht gemindert werde (§ 10 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 BewG). Der Veräußerungsgewinn betrage somit 20 250 100 DM minus 4 629 377 DM = 15 620 723 DM.
Auf dieser Grundlage erließ das FA am 19. August 1969 einen Einkommensteuerbescheid für 1964, wobei es für den Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung im Sinne von § 17 EStG in Höhe von 15 620 723 DM eine Tarifermäßigung nach § 34 EStG gewährte.
Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie machte geltend, ein Veräußerungsgewinn sei nach den Grundsätzen des Tauschgutachtens des BFH vom 16. Dezember 1958 I D 1/57 S (BFHE 68, 78, BStBl III 1959, 30) und des BFH-Urteils vom 2. November 1965 I 169/63 U (BFHE 84, 353, BStBl III 1966, 127) nicht entstanden, weil die hingegebenen Aktien und die erlangten Aktien wirtschaftlich identisch seien. In jedem Falle hätte vom Kurswert der erlangten Aktien der Y. AG ein Abschlag von 50 % vorgenommen werden müssen, weil A in der Verfügung über diese Aktien auf fünf Jahre beschränkt gewesen sei.
Das FA wies den Einspruch zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG war der Auffassung, daß auch bei der Veräußerung von Beteiligungen im Privatvermögen, die wesentliche Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG seien, kein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstehe, wenn die hingegebenen und die erlangten Anteilsrechte wirtschaftlich identisch im Sinne des Tauschgutachtens des BFH I D 1/57 S seien. Die wirtschaftliche Nämlichkeit der Anteilsrechte, die eine Art-, Wert- und Funktionsgleichheit voraussetze, könne im Streitfall jedoch nicht bejaht werden, weil es mindestens an der Funktionsgleichheit fehle. Denn der Tausch habe zu einer wesentlichen Veränderung der Beteiligungsquoten und zu einem damit verbundenen Verlust von Herrschaftsbefugnissen geführt.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verurteilen, bei der Berechnung der Einkommensteuer 1964 für A den Veräußerungsgewinn aus dem Aktientausch steuerfrei zu belassen, hilfsweise bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns die erlangten Y.-Aktien nur mit 50 % des Börsenkurses anzusetzen. Die Revision rügt die Verletzung des § 17 EStG. Sie macht insbesondere geltend, daß die hingegebenen und die erlangten Aktien wert-, art- und funktionsgleich und damit wirtschaftlich identisch seien. Insbesondere sei auch eine Funktionsgleichheit gegeben, weil auch die Beteiligung des A an der Y. AG angesichts der besonders breiten Streuung der Aktien dieser Gesellschaft - A sei weitaus größter Privataktionär bei der Y. AG gewesen - nicht nur der Kapitalanlage gedient, sondern Einflußmöglichkeiten gewährt habe.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet, da die erlangte Beteiligung und die hingegebene Beteiligung nicht wirtschaftlich identisch sind und die Höhe des Veräußerungsgewinns zutreffend errechnet ist.
I. Gemäß § 17 Abs. 1 EStG 1961 gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d. h. zu mehr als einem Viertel beteiligt war.
1. Veräußerung im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG ist jedes Rechtsgeschäft, das auf Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an der wesentlichen Beteiligung gegen Entgelt gerichtet ist. Demgemäß stellt nicht nur ein Verkauf, sondern in gleicher Weise ein Tausch einer wesentlichen Beteiligung grundsätzlich eine Veräußerung dar. Für die tauschweise Übertragung einer wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 17 EStG, also eines Gegenstandes des Privatvermögens, kann insoweit nichts anderes gelten als für die tauschweise Übertragung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens, die nach gefestigter Rechtsprechung des BFH ebenso wie die kaufweise Übertragung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens grundsätzlich zu einer Gewinnrealisierung führt. Damit stimmt überein, daß auch zivilrechtlich Kaufvertrag und Tauschvertrag weitgehend gleichartigen gesetzlichen Regeln unterworfen sind (vgl. §§ 433, 515 BGB), also gleichwertig nebeneinander stehen.
2. Nach dem sog. Tauschgutachten des BFH I D 1/57 S kann allerdings die im Steuerrecht gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise "bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Beurteilung ausnahmsweise zu dem Ergebnis führen, daß beim Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerlich kein Anschaffungsgeschäft und kein Tauschvertrag vorliegt, weil die hingegebenen und eingetauschten Anteile wirtschaftlich identisch sind", und deshalb keine Gewinnverwirklichung eintritt. Dabei ergibt sich "aus dem Begriff der Identität oder der Nämlichkeit" das Erfordernis "der Gleichartigkeit, der Funktionsgleichheit und der Gleichwertigkeit der hingegebenen und der eingetauschten Anteile".
Gegenstand des Tauschgutachtens waren Anteile an Kapitalgesellschaften, die beim Anteilseigner Betriebsvermögen waren. Im Streitfall braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die im Tauschgutachten für Anteile an Kapitalgesellschaften im Betriebsvermögen entwickelten Rechtsgrundsätze in gleicher Weise für Anteile im Privatvermögen gelten, deren Veräußerung - wie z. B. bei wesentlichen Beteiligungen i. S. des § 17 EStG - steuerpflichtig ist (bejahend offenbar BFH-Urteil vom 23. Januar 1959 VI 68/57 S, BFHE 68, 245, BStBl III 1959, 97). Es kann zweifelhaft sein, ob sich diese Frage ohne weiteres bejahen läßt, denn nach dem Tauschgutachten kommt im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Nämlichkeit gerade der betrieblichen Funktion der Anteile beim Anteilseigner maßgebliche Bedeutung zu. Der Senat unterstellt jedoch zugunsten der Klägerin, daß eine wesentliche Beteiligung i. S. des § 17 EStG dann nicht veräußert ist und damit kein Veräußerungsgewinn entsteht, wenn nach Maßgabe der sinngemäß anzuwendenden Grundsätze des Tauschgutachtens die hingegebene und die erlangte Beteiligung wirtschaftlich identisch sind.
3. Der Senat pflichtet der Vorentscheidung im Ergebnis darin bei, daß im Streitfall die hingegebene Beteiligung an der X. AG und die dafür erlangte Beteiligung an der Y. AG nicht wirtschaftlich identisch sind, weil sie nicht funktionsgleich sind. Die Annahme einer Funktionsgleichheit scheitert im Streitfall bereits daran, daß A für die hingegebene wesentliche Beteiligung nicht wiederum eine wesentliche Beteiligung erlangte. Die Funktionsgleichheit ist konstituierendes Element der wirtschaftlichen Identität. Diese läßt sich nur aus der Sicht des Anteilseigners bejahen. Bei ihrer Bestimmung kann deshalb nicht außer Betracht bleiben, ob eine Beteiligung "steuerbefangen" ist oder nicht, und zwar in dem Sinne, daß ihre Veräußerung steuerpflichtig ist oder nicht. Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 17 EStG ergibt sich, daß die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft auch dann nach § 17 EStG einkommensteuerpflichtig ist, wenn der Veräußerer zwar an der Kapitalgesellschaft nicht wesentlich beteiligt ist, die veräußerten Anteile aber im Tauschweg an die Stelle einer vom Veräußerer früher gehaltenen wesentlichen Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft getreten sind und sozusagen deren Surrogat darstellen. Wenn aber die Steuerbefangenheit der hingegebenen wesentlichen Beteiligung nicht auf die erlangte (nicht wesentliche) Beteiligung übergehen kann, so folgt daraus, daß z. B. im Streitfall eine Steuerpflicht nach § 17 EStG dann gegeben gewesen wäre, wenn A seine Beteiligung an der X. AG gegen Barzahlung veräußert hätte, und keine Steuerpflicht nach § 17 EStG gegeben gewesen wäre, wenn A statt dessen erst die erlangte Beteiligung an der Y. AG gegen Barzahlung erworben hätte.
Gesellschaftsanteile, deren Veräußerungen nach § 17 EStG steuerpflichtig ist, und Gesellschaftsanteile, deren Veräußerung allenfalls unter den Voraussetzungen des § 23 EStG zu einer Einkommensteuerpflicht führt, sind nicht nur in zivilrechtlicher Hinsicht, sondern auch bei wirtschaftlicher Betrachtung für den Anteilseigner verschiedenartig. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn man, wie dies offenbar der I. Senat des BFH in seinem Urteil I 169/63 U für Anteile im Betriebsvermögen befürwortet, in der bloßen Kapitalanlage i. S. der wirtschaftlichen Nämlichkeit eine eigenständige Funktion von Anteilen an Kapitalgesellschaften sieht; denn für den Kapitalanleger ist wesentlich, ob und in welcher Weise das Anlageobjekt steuerbefangen ist. Anlageobjekte, die sich in dieser Hinsicht unterscheiden, können nicht als wirtschaftlich identisch bezeichnet werden.
Etwas anderes gilt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift nur für den Sonderfall, daß im Zuge einer echten Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften nach Maßgabe der Vorschriften des AktG an die Stelle einer wesentlichen Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft eine geringere nicht wesentliche Beteiligung an der übernehmenden Gesellschaft tritt (§ 16 UmwStG 1969). Ob auch für solche Fälle der echten Verschmelzung, auf die § 16 UmwStG aus zeitlichen Gründen noch nicht anwendbar ist, auf die Erhaltung der Steuerbefangenheit als Voraussetzung der Funktionsgleichheit verzichtet werden kann (so offenbar BFH-Urteil VI 68/57 S; dazu auch Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 17 EStG, Anm. 4o Abs. 4, sowie Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., § 17, Rdnr. 34), braucht der Senat nicht zu entscheiden, denn eine echte Verschmelzung liegt im Streitfall nicht vor.
4. Selbst wenn man jedoch zugunsten der Klägerin annehmen wollte, beim Austausch einer wesentlichen Beteiligung gegen eine nichtwesentliche Beteiligung könne auch dann, wenn sich dieser Austausch nicht im Zuge einer echten Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften vollzieht, Funktionsgleichheit gegeben sein, müßte diese im Streitfall aufgrund anderer Umstände verneint werden. Dabei geht der Senat mit der Revision davon aus, daß die Beteiligung an der X. AG sowohl der Ausübung wirtschaftlicher Macht als auch der Kapitalanlage diente. Auf dieser Grundlage kann der Revision jedoch nicht zugegeben werden, daß die erlangten Aktien der Y. AG gleiche Funktion haben wie die hingegebene Beteiligung. Zutreffend hebt die Vorentscheidung hervor, daß auch bei Berücksichtigung der breiten Streuung des Aktienbesitzes der Y. AG eine Beteiligung von nur 0,5 v. H. keinen Einfluß auf die Y. AG gewähren kann, der sich als Ausübung wirtschaftlicher Macht werten läßt. Wenn die Revision dagegen einwendet, der starke Einfluß des A auf die X. AG sei mindestens nicht allein auf seine Beteiligung, sondern auch auf andere Umstände persönlicher Art gestützt gewesen, so ist dem entgegenzuhalten, daß für die Beurteilung der Funktionsgleichheit von hingegebenen und erlangten Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht entscheidend sein kann, inwieweit eine Beteiligung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles bisher tatsächlich zur Ausübung wirtschaftlicher Macht eingesetzt war. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit sie ihrem Wesen nach geeignet war, als Instrument wirtschaftlicher Machtausübung eingesetzt zu werden. Denn gerade diese Eignung sichert die vielleicht durch persönliche Umstände ohnehin gegebene Einflußmöglichkeit objektiv ab und begründet insofern eine besondere Funktion der Anteile. Diese Funktion haben die erlangten Aktien an der Y. AG im Streitfall nicht mehr. Dies läßt sich deutlich daraus ersehen, daß die hingegebene Beteiligung an der X. AG dem A bei dieser AG nach Maßgabe der einschlägigen aktienrechtlichen Vorschriften in verschiedener Hinsicht eine sogenannte Sperrminorität sicherte (vgl. z. B. §§ 146, 149, 203 Abs. 1 Nr. 2 AktG 1937; §§ 179, 182, 262 Abs. 1 Nr. 2, 293 AktG 1965), während dies für die erlangte Beteiligung von ca. 0,5 % an der Y. AG nicht zutrifft. Daß A den Vorstandsvorsitz bei der X. AG behielt, vermag die Wesensverschiedenheit der erlangten und der hingegebenen Beteiligung unter dem Blickwinkel einer Eignung zur Ausübung wirtschaftlicher Macht nicht auszugleichen. Die Funktion der Ausübung wirtschaftlicher Macht ist somit schlechthin verlorengegangen, so daß sich eine Funktionsgleichheit der erlangten und der hingegebenen Anteile unter diesem Gesichtspunkt nicht begründen läßt.
Der Senat kann der Revision auch darin nicht zustimmen, daß bei einer sinngemäßen Anwendung der Grundsätze des Tauschgutachtens I D 1/57 S auf Beteiligungen im Privatvermögen, die zugunsten der Klägerin als möglich unterstellt wird, die Würdigung der wirtschaftlichen Identität allein auf die Funktion der Kapitalanlage auszurichten ist. Denn eine Funktion, die nahezu allen Beteiligungen des Privatvermögens mindestens auch eigen ist, kann nicht alleiniges Kriterium der Unterscheidung zwischen Tauschvorgängen, bei denen die wirtschaftliche Identität gewahrt bleibt, und solchen, bei denen diese verloren geht, sein.
Schließlich kann der Senat der Revision nicht darin folgen, daß im Streitfall unabhängig von den im Tauschgutachten entwickelten Kriterien der Art-, Wert- und Funktionsgleichheit bei wirtschaftlicher Betrachtung kein Gewinn verwirklicht sei, weil der Tausch ein klassisches Beispiel einer unternehmenspolitischen Maßnahme darstelle. Es kann offen bleiben, ob dies zutrifft. Denn es muß grundsätzlich dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Veräußerungsvorgänge aus der Besteuerung übergeordneten Gesichtspunkten ausnahmsweise von der Steuerpflicht freigestellt werden (vgl. z. B. § 6b Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG). Die wirtschaftliche Betrachtungsweise legitimiert die Rechtsprechung hierzu nicht.
II. Veräußerungsgewinn i. S. des § 17 Abs. 1 EStG 1963 ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.
Veräußerungspreis i. S. dieser Vorschrift ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer der wesentlichen Beteiligung durch den Abschluß des Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1961 I 209/60 U, BFHE 74, 222, BStBl III 1962, 85; vom 25. November 1965 IV 216/64 S, BFHE 84, 303, BStBl III 1966, 110).
Für den Streitfall folgt hieraus, daß Veräußerungspreis der Wert der Beteiligung an der Y. AG ist, die A als Gegenleistung für seine Beteiligung an der X. AG erhielt, und zwar der Wert am 22. Juli 1964. Anders also als beim Tausch von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens bestimmt sich im Rahmen des § 17 EStG die Höhe des erzielten Veräußerungsgewinns nicht nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts als Maßstab für die Anschaffungskosten des erlangten Wirtschaftsguts (dazu z. B. BFH-Urteil vom 27. Mai 1970 IV R 222/69, BFHE 99, 474, BStBl II 1970, 743) - im Streitfall wäre dies der Kurswert der von A hingegebenen Beteiligung an der X. AG -, sondern nach dem Wert der empfangenen Gegenleistung, im Streitfall also dem Wert der Beteiligung an der Y. AG. Zutreffend sind deshalb FG und FA vom Wert der Aktien der Y. AG ausgegangen. Die daran anknüpfende Annahme, daß dieser Wert gleich dem Brösenkurs dieser Aktien am 22. Juli 1964 ist, läßt sich aus Rechtsgründen nicht beanstanden. Die Verpflichtung, die A bei Erwerb der Aktien gegenüber die Y. AG eingegangen ist, diese Aktien fünf Jahre nicht zu veräußern, kann im Streitfall keinen Wertansatz unter dem Brösenkurs am 22. Juli 1964 rechtfertigen.
Dabei kann der Senat offenlassen, ob, wie die Vorentscheidung angenommen hat, § 10 BewG eingreift, oder ob § 17 Abs. 2 EStG 1963 auch als selbständige Bewertungsvorschrift zu verstehen ist, die ähnlich wie § 6 EStG als Spezialvorschrift Vorrang gegenüber den allgemeinen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes hat. Beide Alternativen führen zum gleichen Ergebnis.
1. Geht man mit der Vorentscheidung davon aus, daß bei der Ermittlung des Veräußerungspreises i. S. des § 17 Abs. 2 EStG die allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzuwenden sind, so ist der Vorentscheidung darin beizupflichten, daß der Veräußerungspreis ausschließlich durch den Börsenkurs der erlangten Aktien am 22. Juli 1964 bestimmt wird (§ 13 BewG) und daß die von A übernommene Verpflichtung, die Aktien fünf Jahre nicht zu veräußern, gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 BewG nicht wertmindernd zu berücksichtigen ist. Denn es handelt sich um eine persönliche schuldrechtliche Verpflichtung, die A bei Erwerb der Aktien übernommen hat, und nicht etwa um eine rechtliche Eigenschaft der Aktien, wie z. B. die im Gesellschaftsvertrag einer GmbH oder in der Satzung einer AG enthaltene Beschränkung der Veräußerlichkeit der Gesellschaftsanteile. Der Einwand der Revision, es liege eine in der Natur des Tauschgeschäfts begründete und deshalb objektive wertbestimmende Verfügungsbeschränkung vor, kann nicht überzeugen. Die Revision verkennt, daß eine sachbezogene, jedoch persönliche Verpflichtung nicht schon deshalb, weil sie Bestandteil eines auf Erwerb eines Wirtschaftsguts gerichteten Vertrages ist, den objektiven Wert dieses Wirtschaftsguts bestimmt.
2. Geht man entgegen der Vorentscheidung davon aus, daß die allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes nicht einschlägig sind, so muß als Veräußerungspreis i. S. des § 17 Abs. 2 EStG dann, wenn die Gegenleistung nicht auf Geld gerichtet ist, ein Betrag angesetzt werden, der in sinngemäßer Anwendung des § 8 EStG aus dem Wert der als Gegenleistung erlangten Sachwerte zu gewinnen ist. Dieser Wert entspricht aber bei börsengängigen Wertpapieren grundsätzlich dem Börsenkurs am maßgeblichen Stichtag. Dieser Grundsatz greift auch im Streitfall ein.
Es ist zwar nicht zu verkennen, daß sich die im Streitfall vorliegende Verpflichtung, die erlangten Aktien fünf Jahre nicht zu veräußern, für den Erwerber nachteilig auswirken kann, wenn der Börsenkurs der Aktien später für die Dauer sinkt. Zu solchen Nachteilen muß es jedoch nicht kommen. Die Kurse können sich auch zugunsten des Erwerbers entwickeln. Demgemäß sind im Streitfall die Vertragsparteien des Tausches offensichtlich davon ausgegangen, daß die von A übernommene Verpflichtung, die Aktien fünf Jahre nicht zu veräußern, diesen nicht belastet, sondern seinem Interesse als künftigem Aktionär an einer kontinuierlichen Kursentwicklung dient, und demgemäß auch den Wert der erlangten Aktien nicht mindert. So ist es auch erklärlich, daß besondere Abreden über die rechtlichen Folgen einer Verletzung der übernommenen Verpflichtung nicht getroffen wurden, und vor allem, daß A für eine Beteiligung im Kurswert von 20 713 200 DM, die im übrigen - wie der Tausch zeigt - keinerlei Veräußerungsbeschränkungen unterlegen hatten, nur Aktien im Kurswert von 20 250 100 DM, also mit einem um immerhin 463 100 DM niedrigeren Kurswert erhielt. Hätte A selbst die übernommene Verpflichtung als Umstand empfunden, der den Wert der erlangten Aktien unter deren damaligem Börsenkurswert mindert, so hätte er sich nicht mit einem derartigen für ihn nachteiligen Kursverhältnis abgefunden, sondern vielmehr umgekehrt auf einem Kurswertüberschuß zu seinen Gunsten bestanden. A brachte somit durch die Hingabe nicht verkaufsbeschränkter Aktien mit einem höheren Börsenkurs gegen verkaufsbeschränkte Aktien mit einem niedrigeren Börsenkurs selbst zum Ausdruck, daß ihm die erlangten Aktien mindestens das wert waren, was als Wert in ihrem Börsenkurs zum Ausdruck kommt. Das Risiko, daß der Börsenkurs nach Ablauf der fünf Jahre niedriger ist als am Stichtag, muß unter diesen Umständen ebenso außer Betracht bleiben, wie das Ausfallrisiko bei einer gestundeten Forderung, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für eine derartige dem Veräußerer der wesentlichen Beteiligung ungünstige Entwicklung am Veräußerungsstichtag bereits erkennbar sind.
Fundstellen
BStBl II 1975, 58 |
BFHE 1975, 456 |