Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug der Fahrtkosten eines Schornsteinfegermeisters zum Kehrbezirk
Leitsatz (amtlich)
Die Fahrten eines selbständigen Schornsteinfegermeisters zwischen dem von ihm bewohnten Einfamilienhaus und seinem Kehrbezirk unterliegen dem begrenzten Betriebsausgabenabzug des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.6 EStG grundsätzlich auch dann, wenn sich im Einfamilienhaus gewerblich genutzte Räume befinden.
Orientierungssatz
Aufwendungen für die Ernährung gehören grundsätzlich auch dann zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung, wenn sie beruflich oder betrieblich mitveranlaßt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur bei Geschäftsreisen oder wenn sonst Umstände dargetan werden, die eine Schätzung betrieblich veranlaßter Verpflegungsmehraufwendungen ermöglichen. Der Begriff Geschäftsreise setzt voraus, daß sich der Steuerpflichtige von dem Ort, an dem sich seine Betriebsstätte befindet, zu beruflichen bzw. betrieblichen Zwecken (vorübergehend) an einen anderen Ort ohne Betriebsstätte begibt (vgl. BFH-Urteil vom 15.9.1988 IV R 116/85).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4; AO 1977 § 12; GewStG § 7; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4; UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c; EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 2, § 4 Abs. 5 Nr. 6
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit dem 1.Januar 1982 als selbständiger Bezirksschornsteinfegermeister tätig. Sein Kehrbezirk liegt in A. Er wohnt im 40 km von A entfernten B zusammen mit seiner Mutter in deren Einfamilienhaus. Die drei zu diesem Gebäude gehörenden Garagen nutzt er als Lager für seine betrieblichen Materialien und als Einstellplatz für seine Kfz. In das Kellergeschoß des Einfamilienhauses hat der Kläger eine Dusche eingebaut. Außerdem hat er dort einen ehemaligen Heizöllagerraum als Umkleideraum eingerichtet. Im Erdgeschoß des Einfamilienhauses befindet sich neben dem Eingang ein vom Wohnbereich abgegrenztes Arbeitszimmer mit zwei Schreibtischen, einem Schreibmaschinentisch und zwei Aktenregalen. Dort bereitet der Kläger die Buchführung vor, schreibt seine Rechnungen, seine Meßberichte und sonstigen Arbeitsberichte, führt Telefonate mit Kunden und Behörden und bereitet die Arbeit im Kehrbezirk vor.
Im Streitjahr fuhr der Kläger an 200 Tagen vom Einfamilienhaus in B zu seinem Kehrbezirk nach A, wo er weder über eine Einstellmöglichkeit noch über eine Waschgelegenheit verfügt.
In seinem Jahresabschluß 1982 machte der Kläger Kfz-Kosten in Höhe von 7 688,64 DM und Absetzungen für Abnutzung (AfA) der Fahrzeuge in Höhe von 1 734 DM geltend. Reisekosten, d.h. vor allem Mehraufwendungen für Verpflegung, setzte er in Höhe von 2 608,68 DM an. Bei der Festsetzung der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer und des Gewerbesteuermeßbetrages für 1982 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Fahrten von B nach A nicht als Geschäftsreisen, sondern als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte. Dabei ging er von 16 000 beruflich und 5 000 privat gefahrenen km und 0,44 DM/km aus und berücksichtigte lediglich 2 880 DM (200 Tage x 40 km x 0,36 DM) als abzugsfähige Kfz-Kosten. Den Differenzbetrag von 4 160 DM erfaßte das FA bei der Umsatzsteuerveranlagung als Eigenverbrauch i.S. des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1981. An Mehraufwendungen für Verpflegung setzte es im Wege der Schätzung 200 DM an, weil eine mehr als zwölfstündige Abwesenheit nur an wenigen Tagen gegeben war. Dies führte zu einer Gewinnerhöhung von 2 407 DM.
Der nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es erkannte zusätzlich 4 160 DM für Fahrtkosten und 2 407 DM für Verpflegungsmehraufwand als Betriebsausgaben an und setzte im Einkommensteuerbescheid vom 9.Juni 1987 und im Umsatzsteuerbescheid vom 26.Mai 1987 die Steuerschuld für 1982, im Gewerbesteuermeßbescheid vom 22.März 1984 den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für das Streitjahr entsprechend herab. - Es handle sich um betrieblich veranlaßten, anläßlich von Geschäftsreisen entstandenen Aufwand: Der Kläger habe sich jeweils von seiner Betriebsstätte im Sinne des § 12 Satz 2 Nr.1 bzw. Nr.4 der Abgabenordnung (AO 1977) zu einem anderen Ort ohne Betriebsstätte begeben.
Mit der Revision rügt das FA in erster Linie Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die besondere Funktion des § 4 Abs.5 Nr.6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und den für diese Vorschrift geltenden Betriebsstättenbegriff verkannt.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat die über die vom FA angesetzten Beträge hinaus vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zu Unrecht als Betriebsausgaben berücksichtigt und den im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid angesetzten Eigenverbrauch zu Unrecht um weitere Fahrtkosten gemindert.
1. Zutreffend hat das FA die von dem Kläger geltend gemachten Fahrtkosten nur in begrenztem Umfang als Betriebsausgaben angesehen und den nicht abzugsfähigen Teil der Fahrtkosten umsatzsteuerrechtlich als Eigenverbrauch behandelt.
Zu den Betriebsausgaben, die den Gewinn nicht mindern dürfen, gehören nach § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.6 EStG auch Aufwendungen für Fahrten des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte, soweit sie die bei entsprechender Anwendung des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 EStG maßgeblichen Beträge (im Streitfall 0,36 DM je Tag und Entfernungskilometer) übersteigen. Solche vom Abzug ausgeschlossenen Aufwendungen unterliegen als Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.c Satz 1 UStG außerdem der Umsatzsteuer.
Die Fahrten des Klägers sind als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und nicht als solche zwischen zwei Betriebsstätten oder als solche zwischen einer Betriebsstätte und einem Ort ohne Betriebsstätte anzusehen.
a) Im Einfamilienhaus unterhielt der Kläger keine Betriebsstätte.
Die mit der Begrenzung des Fahrtkostenabzuges in § 4 Abs.5 Nr.6 EStG angestrebte Gleichbehandlung des Werbungskostenabzugs bei Arbeitnehmern und des Betriebsausgabenabzugs bei Selbständigen verlangt eine deutliche Grenzziehung zwischen dem privaten Bereich des Wohnens und dem der beruflichen/betrieblichen Betätigung. Räumlichkeiten, die --wie üblicherweise ein häusliches Arbeitszimmer-- nur einen Teil der Wohnung oder des Wohnhauses bilden, also vom Wohnbereich nicht getrennt sind, und somit insgesamt gesehen in die private Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden bleiben, können --ungeachtet ihrer beruflichen/betrieblichen Nutzung-- nicht als Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs.5 Nr.6 EStG qualifiziert werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15.Juli 1986 VIII R 134/83, BFHE 147, 169, BStBl II 1986, 744; vom 7.Dezember 1988 X R 15/87, BFHE 155, 353, BStBl II 1989, 421, und vom 13.Juli 1989 IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23 rechte Spalte a.E.).
Im Streitfall ist ein gesonderter betrieblicher Bereich nicht erkennbar: Arbeitszimmer und Kellerräume sind umschlossen vom Wohnbereich. Die Garagen grenzen unmittelbar an diesen an. Sie gehören baulich zum Einfamilienhaus. Vor allem bilden die verschiedenen betrieblich genutzten Räumlichkeiten untereinander keine Einheit, die dem Gebäude teilweise den Charakter des Privaten nähme. Nach dem äußeren Eindruck und der Gewichtung der zu beurteilenden Fahrten erscheint das Wohngebäude als Ausgangspunkt und Endpunkt einer jeden Fahrt, unabhängig davon, welchen Raum der Kläger jeweils unmittelbar davor und danach als ersten aufgesucht hat.
b) Betriebsstätte des Klägers ist sein Kehrbezirk.
Im Hinblick auf den besonderen Zweck des § 4 Abs.5 Nr.6 EStG, den Zusammenhang mit § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 EStG und wegen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbständigen im Regelungsbereich beider Vorschriften ist der Begriff der Betriebsstätte in § 4 Abs.5 Nr.6 EStG weiter zu fassen als im Rahmen des § 12 AO 1977: Anders als dort ist unter Betriebsstätte die (von der Wohnung getrennte) Beschäftigungsstätte zu verstehen (vgl. BFH in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23, und erkennender Senat in dem Urteil vom 19.September 1990 X R 44/89 BFHE 162, 77). Gemeint ist der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen. Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ist --im Unterschied zur Geschäftseinrichtung oder zur Anlage i.S. des § 12 Satz 1 AO 1977-- nicht erforderlich (BFH in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; vgl. auch FG des Saarlandes, Urteil vom 23.Juni 1989 2 K 169/87, Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 631).
2. Auch die streitigen Verpflegungsmehraufwendungen sind keine Betriebsausgaben.
Aufwendungen für die Ernährung gehören grundsätzlich auch dann zu den nach § 12 Nr.1 Satz 2 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung, wenn sie beruflich oder betrieblich mitveranlaßt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur bei Geschäftsreisen oder wenn sonst Umstände dargetan werden, die eine Schätzung betrieblich veranlaßter Verpflegungsmehraufwendungen ermöglichen (BFH-Urteil vom 15.September 1988 IV R 116/85, BFHE 155, 287, BStBl II 1989, 276). Weder das eine noch das andere ist hier der Fall: Der Begriff der Geschäftsreise setzt voraus, daß sich der Steuerpflichtige von dem Ort, an dem sich seine Betriebsstätte befindet, zu beruflichen bzw. betrieblichen Zwecken (vorübergehend) an einen anderen Ort ohne Betriebsstätte begibt (BFH in BFHE 155, 287, BStBl II 1989, 276). Daran fehlt es, wie unter 1. dargelegt. Auch verläßliche Schätzungsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 63455 |
BFH/NV 1991, 14 |
BStBl II 1991, 208 |
BFHE 162, 82 |
BFHE 1991, 82 |
BB 1991, 335 (T) |
DStR 1991, 241 (KT) |
DStZ 1991, 246 (KT) |
HFR 1991, 206 (LT) |
StE 1991, 50 (K) |