Leitsatz (amtlich)
Die Fähigkeit einer Personengesellschaft, an einem die einheitliche Gewinnfeststellung betreffenden finanzgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein, endet nicht vor der vollständigen Abwicklung der Gesellschaft. Die Abwicklung ist nicht beendet, solange ein derartiges Gerichtsverfahren noch schwebt.
Normenkette
FGO § 57; HGB § 156
Tatbestand
Im Rahmen eines Verfahrens wegen einheitlicher Gewinnfeststellung ist streitig, ob die Klage zulässig ist.
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, die im Streitjahr 1968 ein gewerbliches Unternehmen betrieb. Da die Klägerin keine Erklärung zur einheitlichen Gewinnfeststellung für das Streitjahr abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Gewinn der Klägerin gemäß § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) auf 90 000 DM und erließ auf dieser Grundlage einen Bescheid über die einheitliche Gewinnfeststellung (Bescheid vom 6. Oktober 1970).
Den Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 15. März 1971 zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde der Klägerin zusammen mit einer anderen (zur Umsatzsteuer 1968 ergangenen) Einspruchsentscheidung durch die Post zugestellt. Die über den Zustellungsvorgang aufgenommene Postzustellungsurkunde (PZU) enthielt außer der Steuernummer der Klägerin Angaben über den Inhalt der zugestellten Sendung; als Datum der Zustellung ist der 16. März 1971 genannt. Auf dem Briefumschlag, der die zuzustellenden Schriftstücke enthielt, sind dagegen nur das Datum der Zustellung und die Steuernummer angegeben; Angaben über den Inhalt der zugestellten Sendung fehlen.
Da die Klägerin bestritt, die Einspruchsentscheidung erhalten zu haben, übersandte ihr das FA mit einem am 27. Januar 1972 zur Post aufgegebenen Schreiben (vom 25. Januar 1972) erneut eine Ausfertigung der Einspruchsentscheidung. In dem Schreiben heißt es: "Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß durch die heutige Übersendung einer weiteren Ausfertigung die Rechtsbehelfsfrist nicht neu in Gang gesetzt wird ..."
Mit ihrer am 1. März 1972 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Klage begehrte die Klägerin die Herabsetzung des festgestellten Gewinns.
Das FG wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei unzulässig, weil die Klagefrist nicht eingehalten worden sei. Die Frist für die Erhebung der Klage sei zwar nicht durch den Zustellungsvorgang vom 16. März 1971 in Lauf gesetzt worden, da sich die Zustellung der Einspruchsentscheidung nicht habe nachweisen lassen. Auf jeden Fall habe aber die spätere Übersendung der Einspruchsentscheidung durch einfachen Brief mit der Post die Frist für die Erhebung der Klage in Lauf gesetzt. Da die Übersendung am 27. Januar 1972 erfolgt sei, gelte als Tag der Bekanntgabe der 30. Januar 1972 (§ 53 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 17 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -). Die Klagefrist habe gemäß § 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO), § 188 Abs. 3 BGB am 29. Februar 1972 geendet. Die erst am 1. März 1972 bei Gericht eingegangene Klage sei daher verspätet. Gegen die Verspätung könne keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden. - Das FG-Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 21. April 1975 durch Niederlegung bei der Postanstalt zugestellt.
Gegen das Urteil des FG legte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Mai 1975 - beim FG eingegangen am 21. Mai 1975 - Revision ein, die sie mit Schreiben vom 18. Juni 1975 begründete.
Der die Revisionsbegründung enthaltende, per Einschreiben in Köln aufgegebene Brief weist den Poststempel vom (Freitag, dem) 20. Juni 1975 - 13 Uhr - auf. Dieser Brief ist lt. Eingangsstempel am (Dienstag, dem) 24. Juni 1975 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.
Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden, daß die Revisionsbegründungsfrist bereits am 23. Juni 1975 abgelaufen und die Revisionsbegründung demgemäß verspätet beim BFH eingegangen sei, ließ die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Zur Begründung führte der Prozeßbevollmächtigte aus, aufgrund seines häufigen Geschäftsverkehrs mit München sei er überzeugt gewesen, daß bei normalem Postverkehr ein am Freitagmorgen in Köln aufgegebener Brief am Montag in München ankommen müsse. Der verspätete Zugang sei somit nicht von ihm verschuldet.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die einheitliche Gewinnfeststellung entsprechend der von ihr abgegebenen Erklärung durchzuführen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin teilte mit, daß die Klägerin im Handelsregister am 19. Juni 1975 gelöscht worden sei.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist zulässig.
1. Sie ist zwar verspätet begründet worden; der Klägerin wird jedoch wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
a) Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des FG-Urteils einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Für den Fristablauf gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3 sowie der §§ 225 und 226 ZPO (§ 54 Abs. 2 FGO).
Die Frist für die Einlegung der Revision, die hiernach im Streitfall am 21. April 1975 (Datum der Ersatzzustellung) begann, endete sonach am (Mittwoch, dem) 21. Mai 1975, die Frist für die Begründung der Revision am (Montag, dem) 23. Juni 1975. Das Schreiben, mit dem die Revision begründet wurde, traf erst am 24. Juni 1975 - und damit verspätet - beim BFH ein.
b) Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist der Klägerin jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) zu gewähren. Eine Wiedereinsetzung findet statt, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Eine Fristversäumnis ist als entschuldigt anzusehen, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (BFH-Urteil vom 14. April 1976 IV R 43-45/75, BFHE 119, 208, BStBl II 1976, 624). Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, daß diese Voraussetzungen im Streitfall vorgelegen haben.
Ein Bürger darf die ihm vom Gesetz eingeräumte Rechtsmittel- (bzw. Rechtsmittelbegründungs-)frist bis zu ihrer Grenze ausnutzen. Bedient er sich dabei zur Beförderung des Rechtsmittel-(begründungs-)schreibens der Post, so muß er zwar die gewöhnliche Laufzeit einer Postsendung je nach ihrer Art und der Entfernung zwischen Aufgabeort und Zustellungsort kalkulieren (BFH-Beschluß vom 29. April 1976 IV R 17/76, BFHE 119, 212, BStBl II 1976, 626); er muß außerdem, wenn er die Versendung durch eingeschriebenen Brief wählt, das hiermit verbundene Risiko tragen, daß derartige Sendungen unter Umständen später zugestellt werden als normale Briefe (BFH-Beschluß IV R 17/76). Er braucht aber dennoch keine ungewöhnlichen Verzögerungen bei der Beförderung zu berücksichtigen. Deshalb brauchte auch die Klägerin (bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter) nicht damit zu rechnen, daß ein an einem Freitagmittag in Köln aufgegebener Brief nicht bis Montag (zum Zeitpunkt des Dienstschlusses: vgl. BFH-Beschluß IV R 17/76) beim BFH eingeht. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin konnte sich sonach darauf verlassen, daß sein eingeschriebener Brief mit der Rechtsmittelbegründung rechtzeitig beim BFH eintreffen würde.
2. Auf die Zulässigkeit der Revision ist es ohne Einfluß, daß die Firma der Klägerin am 19. Juni 1975 - also nach Einlegung der Revision - im Handelsregister gelöscht wurde.
a) Durch die Löschung der Firma einer KG im Handelsregister (vgl. § 161 Abs. 2 i. V. m. §§ 157 Abs. 1, 158 HGB) wird die Fähigkeit der KG, im gerichtlichen Verfahren über die Anfechtung einer einheitlichen Gewinnfeststellung als Klägerin aufzutreten, nicht berührt. Entscheidend für die Beteiligtenfähigkeit einer KG im finanzgerichtlichen Verfahren sind nicht die Eintragungen im Handelsregister; es kommt vielmehr darauf an, ob die Gesellschaft noch fortbesteht oder ob ihre Vollbeendigung eingetreten und sie damit rechtlich untergegangen ist. Diese Frage ist unabhängig von den jeweiligen Eintragungen zu beurteilen. Die Löschung der Firma einer KG im Handelsregister setzt zwar voraus, daß die Abwicklung der Gelsellschaft (vgl. § 157 HGB) und damit auch die Gesellschaft selbst voll beendet ist; in diesem Fall ist die Grundlage für eine Firma (§ 17 HGB) weggefallen (Schilling im Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, Anm. 10 zu § 157). Die - das Erlöschen der Firma bekundende - Eintragung im Handelsregister hat jedoch keine rechtserzeugende (konstitutive) Wirkung (Schilling, a. a. O.).
b) Die Frage, wann eine Personengesellschaft als voll beendet anzusehen ist, ist umstritten. Nach Auffassung des V. Senats des BFH besteht eine Personengesellschaft so lange fort, bis alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem FA gehöre, unter den Gesellschaftern beseitigt seien (Urteil vom 21. Mai 1971 V R 117/67, BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540). Ob dieser Auffassung gefolgt werden kann, braucht der erkennende Senat nicht zu entscheiden. Die Vollbeendigung einer Gesellschaft kann jedenfalls so lange nicht eintreten, als die Gesellschaft noch an einem schwebenden finanzgerichtlichen Verfahren über einen Gewinnfeststellungsbescheid (§ 215 Abs. 2 AO, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung - AO 1977 -) beteiligt ist.
Nach den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften kann die Vollbeendigung grundsätzlich erst eintreten, wenn die Aufgaben erfüllt sind, die den Abwicklern übertragen sind (Schilling, a. a. O., Anm. 2 zu § 157). Schwebt noch ein Prozeß, so wird es im allgemeinen an einer vollständigen Abwicklung fehlen (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl., § 43 III 2, S. 211 f.; Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 35. Aufl., Anm. 2 A zu § 239; Schilling, a. a. O., Anm. 2 zu § 157; Westermann im Handbuch der Personengesellschaften, 1. bis 2. Aufl., I. Teil, Rdnr. 348; BFH-Urteil vom 12. August 1976 IV R 105/75, BFHE 120, 129, BStBl II 1977, 221). Das wird besonders deutlich in den Fällen, in denen eine Gesellschaft mit einer Vielzahl (unter Umständen Hunderten) von Gesellschaftern ein finanzgerichtliches Verfahren durchführt; es kann nicht angenommen werden, daß es dem Sinn des Gesetzes entspricht, die Abwicklung einer solchen Gesellschaft schon vor dem Ende des gerichtlichen Verfahrens für beendet anzusehen.
Dieser Ansicht stehen Erkenntnisse anderer Bundesgerichte nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwar in seinem Urteil vom 13. Februar 1974 VIII ZR 147/72 (BGHZ 62, 131) die Auffassung vertreten, daß die Vollbeendigung einer Personengesellschaft (mit der Folge eines Parteiwechsels) auch während des Schwebens eines von der Gesellschaft geführten Zivilprozesses möglich ist. Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund der im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum verbreiteten Auffassung zu sehen, nach der z. B. in Fällen, in denen kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist, eine Vollbeendigung der Gesellschaft trotz Anhängigkeit eines gegen sie gerichteten Zivilprozesses eintreten kann, da der geltend gemachte Anspruch mangels der erforderlichen Mittel ohnehin nicht mehr befriedigt werden könnte. Aber auch nach dieser Auffassung könnte - selbst bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft - die Fortführung eines bereits anhängigen Prozesses unter dem Gesichtspunkt der Erledigung der schwebenden Geschäfte (§ 149 HGB) noch eine Aufgabe der Abwickler sein, insbesondere wenn durch die Feststellung des Bestehens eines streitigen Anspruchs besondere Klagen gegen die Gesellschafter vermieden werden können (Schilling, a. a. O., Anm. 2 zu § 157). Gerade dieser Gesichtspunkt erfordert es, im finanzgerichtlichen Verfahren über einen Gewinnfeststellungsbescheid, der der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für alle Gesellschafter dient, die Vollbeendigung der Gesellschaft erst nach Erledigung eines solchen Verfahrens eintreten zu lassen. Der Meinung von Jessen (Neue Juristische Wochenschrift 1974 S. 2274), nach der die Führung eines Prozesses ohne jeden Einfluß auf den Bestand der Gesellschaft ist, kann daher nicht zugestimmt werden.
Die Frage, ob darüber hinaus unter gewissen Voraussetzungen (wie z. B. beim Ausscheiden von Gesellschaftern unter gleichzeitiger Beendigung der Gesellschaft ohne Abwicklung) der Fortbestand der Gesellschaft für die Fortführung des Prozesses fingiert werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.
c) Im Streitfall ist die Klägerin, obwohl ihre Firma im Handelsregister bereits gelöscht ist, schon deshalb noch als fortbestehend anzusehen, weil ihre Vollbeendigung vor Abschluß des von ihr eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens nicht eintreten kann. Sie ist daher nach wie vor beteiligungsfähig.
II. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Dem FG kann nicht darin beigepflichtet werden, daß die Klage wegen verspäteter Einlegung als unzulässig abzuweisen war.
1. Die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO).
a) Durch die Zustellung der Einspruchsentscheidung am 16. März 1971 ist die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt worden.
Entscheidungen über den außergerichtlichen Rechtsbehelf sind schriftlich bekanntzugeben (§ 247 AO a. F.; vgl. nunmehr § 366 AO 1977). Wird die Bekanntgabe in der Form durchgeführt, daß die Entscheidung durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt wird (§ 3 VwZG), so ist wegen der gebotenen Gewähr für die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Sendung erforderlich, daß nicht nur auf der Zustellungsurkunde, sondern auch auf dem Briefumschlag der Inhalt der Sendung angegeben wird (BFH-Beschluß vom 10. November 1971 I B 32/71, BFHE 103, 454, BStBl II 1972, 127; Urteil vom 8. Februar 1972 VIII R 14/68, BFHE 105, 85, BStBl II 1972, 506). Ist auf der Zustellungsurkunde und (oder) auf dem Briefumschlag als "Geschäftsnummer" lediglich die Steuernummer des Empfängers angegeben, so ist die Zustellung fehlerhaft (Urteil VIII R 14/68); dieser Zustellungsmangel ist nicht nach § 9 VwZG heilbar (vgl. BFH-Beschluß vom 22. November 1976 GrS 1/76, BFHE 121, 9, BStBl II 1977, 247). Das hat zur Folge, daß die Klagefrist nicht zu laufen beginnt.
Im Streitfall, in dem die Einspruchsentscheidung lt. PZU am 16. März 1971 ohne Beachtung der nach den obigen Ausführungen zu beachtenden Förmlichkeiten zugestellt wurde, hat es sonach an einer wirksamen Bekanntgabe gefehlt. Die Klagefrist konnte deshalb durch die Zustellung der Einspruchsentscheidung am 16. März 1971 nicht in Lauf gesetzt werden.
b) Auch die zweite Zustellung der Einspruchsentscheidung mit einfachem Brief vom 25. Januar 1972 konnte die Klagefrist nicht in Lauf setzen; dem steht die Vorschrift des § 55 FGO über das Erfordernis einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung entgegen.
Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beginnt nur, wenn der Berechtigte über die Klage und das Gericht oder die Behörde, bei denen sie anzubringen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist (§ 55 Abs. 1 Satz 1 FGO). Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit der Bekanntgabe i. S. des § 54 Abs. 1 FGO zulässig, es sei denn, daß die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.
Im Streitfall hat das FA zwar mit seinem Brief vom 25. Januar 1972 eine mit vollständiger Rechtsbehelfsbelehrung versehene Einspruchsentscheidung übersandt. Es hat aber durch den Hinweis, "daß durch die heutige Übersendung einer weiteren Ausfertigung die Rechtsbehelfsfrist nicht erneut in Gang gesetzt wird", zum Ausdruck gebracht, daß die in der Einspruchsentscheidung enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung nicht gelten solle. Im Sinne des § 55 Abs. 2 FGO bedeutet dieser schriftliche Hinweis eine Belehrung dahin, daß ein neuer Rechtsbehelf gegen die nunmehr übersandte Einspruchsentscheidung nicht gegeben sei.
2. Da eine Frist für die Erhebung der Klage sonach nicht in Lauf gesetzt wurde, durfte die Klage nicht wegen verspäteter Anbringung als unzulässig abgewiesen werden.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist seine Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
BStBl II 1978, 467 |
BFHE 1979, 107 |