Leitsatz (amtlich)
1. Gegen wen sich ein Berichtigungsbescheid richtet, kann jedenfalls dann mit Hilfe der Adresse des zugrunde liegenden Erstbescheids bestimmt werden, wenn in den Erläuterungen des Berichtigungsbescheids auf den Erstbescheid hingewiesen ist.
2. Ein Erblasser, der Gewerbetreibender war, ist auch im Falle eines abweichenden Wirtschaftsjahres mit dem bis zu seinem Todestag angefallenen Gewinn zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Normenkette
AO §§ 91, 210 Abs. 2; StAnpG § 8; EStG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 6 Nr. 2, § 25 Abs. 2; EStDV § 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger Helmut P. war Miterbe nach seinem am 4. Dezember 1963 verstorbenen Vater (Wilhelm P.). Weitere Miterben waren seine Mutter (Sophie P.) und seine Schwester. Der Vater hatte ein Omnibusunternehmen betrieben. Der Gewinn wurde nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr ermittelt, das jeweils vom 1. März bis zum 28. (29.) Februar des folgenden Jahres lief. Die Miterben setzten sich am 25. Januar 1964 dahin auseinander, daß der Kläger das Omnibusunternehmen allein fortführte. Am 24. März 1964 verstarb auch die Mutter, die von dem Kläger und seiner Schwester beerbt wurde.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) erließ am 21. Juni 1964 einen Einkommensteuerbescheid für 1963 gegen "Wilhelm P..., z. Hd. Herrn Helmut P... als Erbe", in dem er entsprechend der Einkommensteuererklärung nur den in der Bilanz zum 28. Februar 1963 ausgewiesenen Gewinn erfaßte. Nach einer Betriebsprüfung erging am 3. Dezember 1965 ein gemäß § 222 AO berichtigter Bescheid gegen "die Erben der Eheleute Wilhelm und Sophie P... z. Hd. Herrn Helmut P...", in dem der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1962/63 geringfügig ermäßigt wurde, jedoch zusätzlich der bis zum Todestag des Vaters angefallene Gewinn des Wirtschaftsjahres 1963/64 zeitanteilig erfaßt wurde. Der Einspruch des Klägers und seiner Schwester blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung erging gegen "die Erben nach Herrn Wilhelm P... z. Hd. Herrn Helmut P...".
Das FG hob den Berichtigungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf, soweit sie die Schwester betrafen, und wies den Kläger ab. Es hat ausgeführt: Berichtigungsbescheid und Einspruchsentscheidung hätten nicht die Schwester benannt, so daß sie ihr gegenüber unwirksam seien und aufgehoben werden müßten. Nicht zu beanstanden sei, daß das FA den Vater auch mit dem bis zum Todestag angefallenen Gewinn des Wirtschaftsjahres 1963/64 veranlagt und den Kläger als Miterben in Anspruch genommen habe. Die Einkommensteuerpflicht natürlicher Personen ende mit dem Tode. Daraus folge, daß der bis zum Tode angefallene Gewinn beim Erblasser erfaßt werden müsse. Das Wirtschaftsjahr ende mit dem Todestag. Für den Erben beginne ein neues Wirtschaftsjahr.
Der Kläger macht mit der Revision geltend: Der angegriffene Bescheid entspreche nicht den Erfordernissen eines einheitlichen Bescheides im Sinne des § 210 Abs. 2 AO, weil er keinen Steuerschuldner nenne und daher im ganzen - auch ihm gegenüber - unwirksam sei. Im übrigen verkenne das FG, daß bei Betriebsfortführung durch die Erben der Gewinn des Unternehmens erst mit dem Ende des Wirtschaftsjahres realisiert werde. Der gesamte Gewinn des Wirtschaftsjahres 1963/64 sei erst bei ihm angefallen. § 2 Abs. 6 Nr. 2 EStG weiche insoweit von der Personenbezogenheit des Einkommensteuerrechts ab.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und den Berichtigungsbescheid aufzuheben, hilfsweise, die Einkommensteuer auf 22 490 DM zu ermäßigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es erwidert: Der Kläger sei in dem angegriffenen Bescheid namentlich und richtig bezeichnet. Der Zusatz "an die Erben" diene der Kennzeichnung, daß der Steueranspruch schon in der Person des Erblassers entstanden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Vorinstanz hat zu Recht angenommen, daß sich der angegriffene Berichtigungsbescheid und die Einspruchsentscheidung gegen den Kläger richten.
Bei Gesamtrechtsnachfolge (hier durch Erbfall) geht die Steuerschuld des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über (§ 8 Abs. 1 StAnpG). Mehrere Erben haben für die in der Person des Erblassers entstandene Steuerschuld wie für Nachlaßverbindlichkeiten nach bürgerlichem Recht einzustehen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 StAnpG), d. h. als Gesamtschuldner (§§ 1967, 2058 BGB). Jeder Erbe schuldet die ganze Leistung; dem FA steht es (im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens) frei, an welche Gesamtschuldner es sich halten will (§ 7 Abs. 3 StAnpG). Setzt das FA die Steuerschuld des Erblassers durch Bescheid fest, kann es gegen die Erben Einzelbescheide nach § 210 Abs. 1 AO oder einen "einheitlichen Steuerbescheid" nach § 210 Abs. 2 AO erlassen (Urteil des BFH vom 24. November 1967 III 2/63, BFHE 91, 1, BStBl II 1968, 163).
Im vorliegenden Fall hat das FA einen einheitlichen Bescheid gegen die noch vorhandenen Miterben des Vaters (den Kläger und dessen Schwester) erlassen wollen, die ihrerseits die vor Erteilung des Bescheids verstorbene weitere Miterbin (die Mutter) beerbt hatten. Nach der insoweit rechtskräftigen Vorentscheidung steht mit Bindungswirkung für die Beteiligten fest (§ 110 Abs. 1 FGO), daß der einheitliche Bescheid gegenüber der Schwester des Klägers keine Wirkung erlangt hat und sonach die Absicht des FA, alle vorhandenen Miterben in Anspruch zu nehmen, gescheitert ist. Der jetzt nicht mehr als "einheitlich" auffaßbare Steuerbescheid ist indes dadurch nicht gänzlich wirkungslos geworden. Er bleibt als gegen den Kläger gerichteter Einzelbescheid nach § 210 Abs. 1 AO bestehen. Da ein einheitlicher Bescheid als "eine in einem Bescheid verkörperte Mehrheit inhaltsgleicher Steuerfestsetzungen" anzusehen ist (BFH-Urteil III 2/63; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. März 1968 II 98/62, BFHE 91, 434 [441], BStBl II 1968, 376: "zusammengefaßter" Steuerbescheid), berührt die Unwirksamkeit einer oder mehrerer in ihm enthaltener Steuerfestsetzungen nicht die Wirksamkeit der übrigen Steuerfestsetzungen.
Der Kläger ist namentlich bezeichnet. Steuerbescheide und Einspruchsentscheidungen müssen zwar - auch im Falle der Gesamtrechtsnachfolge - grundsätzlich die Namen derjenigen Personen enthalten, an die sie sich richten (BFH-Urteil vom 24. März 1970 I R 141/69, BFHE 98, 531, BStBl II 1970, 501). Der Senat trüge Bedenken, die in dem Berichtigungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung verwandten Bezeichnungen - für sich genommen - als ausreichend anzusehen. Der Name des Klägers erscheint in diesen Adressen lediglich unter "z. Hd. Herrn Helmut P..."; es bleibt offen, ob der Kläger als Erbe oder nur in der Eigenschaft als Zustellungsbevollmächtigter angesprochen ist. Der II. Senat des BFH hält es für zweifelhaft, ob ein Erbschaftsteuerbescheid, der an "die Erben nach Frl. Anna Maier, z. Hd. Frl. Berta Maier" gerichtet ist, im Verhältnis zu der bezeichneten Erbin (Berta Maier) wirksam geworden ist (BFH-Beschluß vom 29. März 1972 II S 12/71, BFHE 105, 98, BStBl II 1972, 502). Diesen Zweifeln braucht indes hier nicht nachgegangen zu werden. Ob die notwendigen Teile eines schriftlichen Verwaltungsakts - vor allem die Adresse - vorhanden sind, bestimmt sich nach dem Gesamtinhalt des Bescheids. Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung gegeben, da der angegriffene Bescheid ein auf den Erstbescheid verweisender Berichtigungsbescheid ist und der zugrunde liegende Erstbescheid vom 21. Juli 1964 "z. Hd. Herrn Helmut P... als Erbe" ergangen war. Hieraus ist eindeutig die Absicht des FA erkennbar, den Kläger als Erben (Miterben) in Anspruch zu nehmen.
2. Das FG hat weiterhin zutreffend angenommen, daß der Erblasser (Vater) mit seinen bis zum Todestag angefallenen Einkünften aus Gewerbebetrieb zur Einkommensteuer zu veranlagen ist. Einkommensteuerpflichtig sind natürliche Personen (§ 1 EStG). Die Rechtsfähigkeit natürlicher Personen und damit auch deren Einkommensteuerpflicht endet mit dem Tode. Bei der Veranlagung ist das während der Dauer der Steuerpflicht - also bis zum Todestag - bezogene Einkommen zugrunde zu legen (§ 25 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Erblasser hatte im verkürzten Veranlagungszeitraum 1963 (1. Januar bis Todestag 4. Dezember 1963) außer dem Gewinn des Wirtschaftsjahres 1962/63 auch den vom Beginn des Wirtschaftsjahres 1963/64 (1. März 1963) bis zum Todestag angefallenen Gewinn bezogen.
Aus § 2 Abs. 6 Nr. 2 EStG läßt sich nicht herleiten, daß der gesamte Gewinn des Wirtschaftsjahres 1963/64 von dem betriebsfortführenden Kläger im Veranlagungszeitraum 1964 zu versteuern ist. Nach dieser Vorschrift gilt bei Gewerbetreibenden, deren Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, der Gewinn des Wirtschaftsjahres in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Es kann auf sich beruhen, ob - wie das FG meint - das Wirtschaftsjahr 1963/64 in zwei Rumpfwirtschaftsjahre aufgeteilt werden kann (getrennt nach dem Todestag des Vaters). Nach § 1 Nr. 1 EStDV darf ein Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfassen, wenn ein Betrieb eröffnet, erworben, aufgegeben oder veräußert wird. der erkennende Senat hat den unentgeltlichen Erwerber eines Betriebs für befugt gehalten, ein neues Wirtschaftsjahr zu bestimmen (BFH-Urteil vom 11. Oktober 1966 I 47/64, BFHE 87, 153, BStBl III 1967, 86). Der IV. Senat des BFH hat zwar die Auffassung vertreten, der Erbe müsse, sofern nicht das FA zustimme, das Wirtschaftsjahr des Erblassers beibehalten (BFH-Urteil vom 22. August 1968 IV 244/63, BFHE 93, 520, BStBl II 1969, 34). Die von dem Kläger gezogene Schlußfolgerung wäre aber selbst dann nicht richtig, wenn mit dem IV. Senat im Erbübergang keine Neugründung zu sehen wäre.
Im Verhältnis des Erblassers zum Erben ist zu unterscheiden zwischen steuerlich bedeutsamen Sachverhalten, die bereits vollständig zu Lebzeiten des Erblassers verwirklicht waren, und Sachverhalten, die teils oder gänzlich erst nach dem Erbfall verwirklicht werden. Hier sind allein Sachverhalte der ersten Art zu beurteilen. Diese wirken steuerbegründend oder -ermäßigend nur beim Erblasser. Allenfalls Sachverhalte der zweiten Art geben zu der Frage Anlaß, ob bei der Einkommensermittlung, die sich grundsätzlich nach den Verhältnissen des Erben richtet, auch Besteuerungsmerkmale des Erblassers zu berücksichtigen sind. Dazu hat der BFH in ständiger Rechtsprechung unter Hinweis auf § 8 StAnpG, § 24 Nr. 2 EStG und § 7 Abs. 1 EStDV ausgeführt, der Erbe trete in jeder Beziehung in die Rechtsstellung des Erblassers ein, soweit diese nicht höchstpersönlicher Natur sei (u. a. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1957 VI 234/56 U, BFHE 66, 182, BStBl III 1958, 72; vom 22. Juni 1962 VI 49/61 S, BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386; IV 244/63; vom 21. März 1969 VI R 208/67, BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520; vom 1. April 1971 I R 184/69, BFHE 102, 83, BStBl II 1971, 526; vom 10. August 1972 VIII R 1/67, BFHE 107, 195, BStBl II 1973, 9). Indes hat diese Rechtsprechung nie Besteuerungssachverhalte, die bereits in der Person des Erblassers verwirklicht waren, dem Erben zugerechnet.
Aus der angeführten Rechtsprechung kann auch nicht gefolgert werden, Erblasser und Erbe seien eine Person, so daß ihre Besteuerung aus diesem Grunde ganz oder teilweise zusammengefaßt werden müßte. Das BFH-Urteil VI R 208/67 bemerkt zwar, Erbe und Erblasser bildeten "gedanklich eine Person", hält aber trotz dieser Formulierung an der Unterscheidung zwischen Erblasser und Erben fest. Der Tatbestand zwang auch nicht zur Annahme einer Personenidentität; es ging lediglich darum, dem Erben bei der Beurteilung eines Spekulationsgeschäfts die Anschaffungskosten und den Anschaffungszeitpunkt des Erblassers "zuzurechnen".
§ 7 Abs. 1 EStDV führt infolge der Buchwertverknüpfung lediglich zu einer Verlagerung nicht realisierter Gewinne und Verluste aus der Erblasser- in die Erbensphäre. Im Streitfall geht es aber um Gewinne und Verluste, die bereits in der Person des Erblassers realisiert waren. Der Wortlaut des § 2 Abs. 6 Nr. 2 EStG steht der Auffassung des Senats nicht entgegen. Mit dem Tode endet nicht nur die persönliche Steuerpflicht des Erblassers, sondern auch seine Eigenschaft als Gewerbetreibender (vgl. für die Gewerbesteuer das BFH-Urteil vom 9. Mai 1961 I 120/60 S, BFHE 73, 247, BStBl III 1961, 357). Sonach kann § 2 Abs. 6 Nr. 2 EStG, der den Gewinnbezug auf das Ende des Wirtschaftsjahres hinausschiebt, nach dem Tode des Gewerbetreibenden nicht mehr anwendbar sein. Bei dem Erben gilt die Vorschrift erst von der Zeit an, in der er selbst Gewerbetreibender ist, also ab Eintritt des Erbfalls.
Nicht zu beanstanden ist, daß das FA den Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1963/64 nach Zeitabschnitten aufgeteilt hat. Da ein Abschluß auf den Todestag nicht erstellt wurde, war eine Schätzung unumgänglich. Der vom FA gewählte Aufteilungsmaßstab ist üblich; der Kläger hatte ihn gebilligt, so daß ihm ein großes Maß an Wahrscheinlichkeit zukommen dürfte.
Fundstellen
BStBl II 1973, 544 |
BFHE 1973, 123 |