Leitsatz (amtlich)
Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland können bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht von der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gemäß § 9 Nr. 7 GewStG 1974 abgesetzt werden.
Normenkette
GewStG 1974 § 9 Nr. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, betreibt die Herstellung und den Vertrieb von Damenoberbekleidung. Ihre Gewinne ermittelte sie nach vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahren.
Im Wirtschaftsjahr 1975/76 veräußerte die Klägerin ihre sämtlichen Anteile an der K GmbH. Die K GmbH war damals eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Wien, die ihre Bruttoerträge zumindest fast ausschließlich aus der Herstellung von Sachen i. S. von § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) erzielte. An ihr war die Klägerin im Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile mit 50 v. H. beteiligt. Aus der Veräußerung erzielte sie einen der Höhe nach unstreitigen Gewinn, für den sie die Befreiung von der Gewerbesteuer gemäß § 9 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes i. d. F. der Bekanntmachung vom 15. August 1975 - GewStG 1974 - (BGBl I 1974, 1971, BStBl I 1974, 658) begehrte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte die Steuerbefreiung in dem Gewerbesteuermeßbescheid 1976 mit der Begründung, § 9 Nr. 7 GewStG 1974 begünstige nur ausgeschüttete Gewinne, nicht aber Veräußerungsgewinne. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 518 veröffentlichten Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Nr. 7 GewStG 1974 und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Vertreter der Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach § 7 GewStG 1974 ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in §§ 8 und 9 GewStG 1974 bezeichneten Beträge. Zu dem nach den Vorschriften des EStG und des KStG zu ermittelnden Gewinn gehört grundsätzlich auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124 ; Urteil vom 11. März 1982 IV R 25/79, BFHE 136, 204, BStBl II 1982, 707 , m. w. N.) ist der der Einkommen- oder Körperschaftsteuer zugrunde zu legende Gewinn nicht in jedem Fall für die Ermittlung des Gewerbeertrags maßgebend. Die entsprechende Einschränkung geht auf das Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Sachsteuer zurück. Deshalb unterliegen nur solche Teile des Gewinns nicht der Gewerbesteuer, die nicht durch den laufenden Betrieb, sondern z. B. durch die Veräußerung oder die Aufgabe des Betriebes bzw. eines Teilbetriebes erwirtschaftet wurden. In Fällen dieser Art ist bei der gewerbesteuerlichen Beurteilung davon auszugehen, daß der laufende Betrieb als Besteuerungsgegenstand in der logischen Sekunde vor der Veräußerung bzw. vor der Aufgabe endet, weshalb der Betriebsveräußerungs- oder der Betriebsaufgabegewinn nicht mehr gewerbesteuerpflichtig ist.
Anders verhält es sich dagegen mit der Veräußerung von zum Betriebsvermögen gehörenden Anteilen an Kapitalgesellschaften. Diese Veräußerung berührt den Fortbestand des laufenden Betriebes nicht, in dessen Betriebsvermögen die veräußerten Anteile gehalten wurden. Deshalb ist der Gewinn aus der Veräußerung von zum Betriebsvermögen gehörenden Anteilen an einer Kapitalgesellschaft stets Ertrag des laufenden Betriebes. Er unterliegt der Gewerbesteuer selbst dann, wenn die Veräußerung sämtliche Anteile an der Kapitalgesellschaft zum Gegenstand hat (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1972 I R 217/69, BFHE 105, 35, BStBl II 1972, 470 , m. w. N.). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Anteile an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft handelt. Die Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft, deren Anteile veräußert werden, hat keine Auswirkung auf die Qualifizierung des die Anteile haltenden Betriebes als laufenden. Es versteuert nämlich nicht die Kapitalgesellschaft, deren Anteile veräußert werden, den Anteilsveräußerungsgewinn, sondern Steuerpflichtiger ist der Unternehmer, zu dessen Betriebsvermögen die Anteile gehören.
2. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem in § 2 Abs. 1 GewStG 1974 verwendeten Inlandsbegriff. Wird ein Betrieb i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG 1974 im Inland betrieben, so zählt zu dem gewerbesteuerpflichtigen Gewinn auch derjenige, der aus einer im Ausland ausgeübten gewerblichen Tätigkeit (z. B. Warenverkauf im Ausland) erzielt wird. Von diesem Grundsatz gilt wegen § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG 1974 nur dann eine Ausnahme, wenn im Ausland eine Betriebsstätte i. S. des § 16 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (§ 12 der Abgabenordnung - AO 1977 -) besteht und der Gewinn durch diese Betriebsstätte erzielt wurde. Das Halten eines Anteils an einer ausländischen Kapitalgesellschaft fällt jedoch für sich genommen nicht unter § 16 Abs. 2 StAnpG (§ 12 AO 1977) und begründet schon deshalb keine Betriebsstätte im Ausland.
3. Der von der Klägerin aus der Veräußerung der Anteile an der K GmbH in Wien erzielte Gewinn kürzt nicht gemäß § 9 Nr. 7 GewStG 1974 die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen. Es fehlt begrifflich an einem Gewinn aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft.
Schon in seinen Urteilen vom 7. Dezember 1971 VIII R 3/70 (BFHE 105, 31, BStBl II 1972, 468 ) und in BFHE 105, 35, BStBl II 1972, 470 hat der BFH zu § 9 Nr. 2 a GewStG 1974 die Auffassung vertreten, daß unter "Gewinn aus Anteilen" nur der ausgeschüttete und nicht der bei der Veräußerung der Anteile erzielte Gewinn gemeint ist. Dies wurde sowohl aus dem Wortsinn der Vorschrift als auch aus deren Zweck gefolgert. Für § 9 Nr. 7 GewStG 1974 muß Entsprechendes gelten. Dafür spricht der Wortlaut der Vorschrift deshalb, weil angenommen werden muß, daß ein in einer Bestimmung zweimal verwendeter Begriff einheitlich auszulegen ist, wenn im Gesetz nichts anderes gesagt ist.
Soweit das FG eine andere Auffassung aus der Unterscheidung zwischen "Gewinnanteilen" und "Gewinn aus Anteilen" ableitet, übersieht es, daß objektiv gesehen beiden Begriffen nicht ohne weiteres unterschiedliche Inhalte im Sinne der FG-Auffassung entnommen werden können (vgl. zu einem möglichen Unterschied im Wortsinn, der jedoch hier nicht entscheidungserheblich wäre: Flick/Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuergesetz, § 9 Nr. 7 GewStG Anm. 10). Die in § 9 Nr. 7 GewStG 1974 gewählte Formulierung erklärt sich logisch damit, daß der Gesetzgeber den Wortlaut des § 9 Nr. 7 GewStG 1974 an den des § 9 Nr. 2a GewStG 1974 anzulehnen versuchte.
Für eine dem § 9 Nr. 2a GewStG 1974 entsprechende Auslegung des Begriffes "Gewinn aus Anteilen" spricht auch die Gesetzesbegründung der Bundesregierung (vgl. BT-Drucks. VI/2883 S. 14 ff.). Dort ist unter Tz. 44 Satz 4 (S. 22) die Rede davon, daß Beteiligungen an Auslandstochtergesellschaften (von der Gewerbekapitalsteuer) und daraus bezogene Dividenden von der Gewerbe(ertrag)steuer freigestellt werden sollen. Ähnlich heißt es in Tz. 150 (S. 33), daß die Vergünstigung entsprechend der Befreiung von Ausschüttungen auf Beteiligungen an deutschen Gesellschaften gewährt werden soll.
Schließlich spricht auch der Zweck des § 9 Nr. 7 GewStG 1974 für diese Interpretation. Ähnlich wie in § 9 Nr. 2a GewStG 1974 ist Zweck der Bestimmung, daß ein und derselbe Gewinn nicht zweimal der Gewerbesteuer unterworfen werden soll. Gleichzeitig sollen Anteile an inländischen und an ausländischen Kapitalgesellschaften gewerbesteuerlich einheitlich behandelt werden. Zweimal der Gewerbesteuer unterworfen sein können aber nur ausgeschüttete Gewinne. Anteilsveräußerungsgewinne fallen dagegen nur bei dem Anteilsveräußerer, nicht jedoch bei der Kapitalgesellschaft an, deren Anteile veräußert werden. Deshalb besteht kein Bedürfnis, auch Gewinne aus Anteilsveräußerungen von der Gewerbesteuer freizustellen. Dies gilt gleichermaßen für Anteile an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften und unabhängig davon, ob - wie in Österreich - im Ausland eine Gewerbesteuer erhoben wird.
4. Das BFH-Urteil vom 3. August 1977 I R 96/75 (BFHE 123, 153, BStBl II 1977, 820 ) berührt die Auslegung des § 9 Nr. 7 GewStG 1974 nicht. Es betrifft den Art. 3 Abs. 1 und Abs. 4 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - DBA-Schweiz 1931/1959 - (BGBl II 1959, 1253, BStBl I 1959, 1006). Das DBA-Schweiz 1931/1959 ist in erster Linie aus sich heraus auszulegen (vgl. Klaus Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Einleitung, Rz. 31 ff.). Die Auslegung von bestimmten DBA-Vorschriften läßt keinen Rückschluß auf Begriffe des nationalen Außensteuerrechts zu.
5. Fehlt es aber wie im Streitfall an Gewinnen aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, so greift die in § 9 Nr. 7 GewStG 1974 vorgesehene Kürzung nicht ein, ohne daß es des Eingehens auf die Frage bedarf, ob die Schachtelbeteiligung während des gesamten Erhebungszeitraums von dem Unternehmen gehalten werden muß.
6. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954 - DBA-Österreich - (BGBl II 1955, 750, BStBl I 1955, 370) steht der gewerbesteuerlichen Erfassung des Anteilsveräußerungsgewinnes nicht entgegen. Art. 7 DBA-Österreich weist das Besteuerungsrecht für Anteilsveräußerungsgewinne dem sog. Wohnsitzstaat zu. Gemäß Art. 1 Abs. 3 DBA-Österreich gilt bei juristischen Personen als Wohnsitz in erster Linie der Ort ihrer Geschäftsleitung. Im Streitfall ist der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) gelegen. Deshalb ist die Bundesrepublik Wohnsitzstaat.
Fundstellen
BStBl II 1985, 160 |
BFHE 1985, 394 |