Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbaren die Gesellschafter einer zweigliedrigen Personen-Gesellschaft, daß einer der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und der andere das Unternehmen allein fortführt, so ist die Gesellschaft mit dem Ausscheiden des Gesellschafters vollbeendet.
2. Nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft sind Bescheide über die einheitliche Feststellung des Gewinns allen früheren Gesellschaftern einzeln bekanntzugeben.
2. Ein früher zur Geschäftsführung befugter Gesellschafter kann nach Vollbeendigung der Gesellschaft gegen Bescheide über die einheitliche Gewinnfeststellung nicht mehr Klage mit Wirkung für andere Gesellschafter erheben. Auf seine Klage sind die anderen Gesellschafter gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen.
Normenkette
HGB § 138; BGB § 738 Abs. 1 S. 1; AO § 219 Abs. 1; AO 1977 § 183; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung für die Jahre 1963 bis 1965, ob für die Gewährleistung aus der Lieferung mangelhaften Materials Rückstellungen gebildet werden durften.
In den Streitjahren 1963 bis 1965 wurde unter der Firma "X & Co." in Berlin ein Großhandel mit ... betrieben. Das Unternehmen bestand zunächst in der Rechtsform einer KG, an der A und der Kläger und Revisionskläger (Kläger) als persönlich haftende Gesellschafter sowie B als Kommanditist beteiligt waren. Am 31. Dezember 1963 schied B aus der Gesellschaft aus; von diesem Zeitpunkt an wurde die Gesellschaft unter den verbliebenen Gesellschaftern als OHG fortgesetzt. Aufgrund eines Vertrages vom 19. März 1966 wurde die OHG mit Wirkung vom 25. Februar 1966 in der Weise aufgelöst, daß der Gesellschafter A aus der OHG ausschied und der Kläger das Unternehmen unter Übernahme aller Aktiven und Passiven allein fortführte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ am 18. März 1970 (berichtigte) vorläufige Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns für die Streitjahre. Die Berechnungsbögen tragen die Aufschrift "Fa. X & Co. KG ..."; als Mitunternehmer werden der Kläger, A und B bezeichnet; auf die genannten Personen ist der in den Streitjahren erzielte Gewinn aufgeteilt.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 1973 zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung ist gerichtet an "X & Co.".
Gegen die Einspruchsentscheidung erhob der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in dessen Namen und zugleich im Namen "der Gesellschaft" Klage. Zur Begründung führte er aus, das FA habe zu Unrecht die von der Gesellschaft gebildeten Rückstellungen für Gewährleistungen nicht anerkannt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Im Urteil ist die "Firma X & Co." als Klägerin bezeichnet.
Gegen das Urteil des FG wurde Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des FG und die Feststellungsbescheide vom 18. März 1970 aufzuheben und die Gewinne für die Streitjahre um jeweils 100 000 DM (abzüglich der darauf entfallenden Gewerbesteuer) niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG, da das FG die Vorschriften über die notwendige Beiladung (§ 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) nicht beachtet hat.
1. Über die Rechtmäßigkeit eines einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids kann nur einheitlich und gleichzeitig gegenüber allen Beteiligten entschieden werden. Das setzt voraus, daß alle von dem Bescheid Betroffenen (mit Ausnahme derjenigen, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind; vgl. § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO) am Verfahren beteiligt werden; erforderlichenfalls sind diese Personen gemäß § 60 Abs. 3 FGO beizuladen.
a) Der Kreis der Personen, der bei Klagen gegen Gewinnfeststellungsbescheide notwendig beizuladen ist, kann verschieden sein, je nachdem, ob die Personengesellschaft, deren Gewinn Gegenstand des Feststellungsbescheides ist, noch fortbesteht oder ob sie untergegangen ist.
Solange eine Personengesellschaft fortbesteht, ist bei Streitigkeiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen, nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nur der "zur Geschäftsführung berufene Gesellschafter" klagebefugt; dieser Gesellschafter legt für die Gesellschaft wirksam Rechtsbehelfe ein. Demgemäß besteht in einem solchen Falle für eine Beiladung der anderen Gesellschafter keine Notwendigkeit, sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 FGO (Streit um Gewinnbeteiligung oder -verteilung oder um Fragen, die einen Gesellschafter persönlich angehen) vorliegen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449 [457], BStBl II 1972, 672; BFH-Beschluß vom 19. September 1977 IV B 24/77, BFHE 123, 17, BStBl II 1977, 770).
Die Beschränkung der Klagebefugnis auf den "zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter" (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO) entfällt aber, wenn die Personengesellschaft nicht mehr besteht. In diesem Fall kann nicht mehr davon ausgegangen werden, daß der frühere geschäftsführende Gesellschafter bevollmächtigt ist, einen Gewinnfeststellungsbescheid mit Wirkung für und gegen alle anderen früheren Gesellschafter entgegenzunehmen und gegebenenfalls anzugreifen (vgl. zum ähnlich liegenden Fall des ausgeschiedenen Gesellschafters BFH-Beschluß vom 28. November 1973 IV B 33/73, BFHE 110, 506, BStBl II 1974, 220). Da aber auch in einem solchen Fall die Entscheidung allen Beteiligten gegenüber nur einheitlich ergehen kann, müssen alle Personen, die am Gewinn der Gesellschaft beteiligt waren, nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beigeladen werden.
b) Die Frage, wie lange eine Personengesellschaft als fortbestehend anzusehen ist, ist umstritten. Nach Auffassung des V. Senats des BFH besteht eine Personengesellschaft so lange fort, bis alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem FA gehöre, unter den Gesellschaftern beseitigt seien (Urteil vom 21. Mai 1971 V R 117/67, BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540). Für den Streitfall kann dahinstehen, ob dieser Auffassung gefolgt werden kann. Die Entscheidung des V. Senats betraf einen Fall, in dem die Mitglieder einer als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts - GdbR - (§§ 705 ff. BGB) anzusehenden Arbeitsgemeinschaft diese Gemeinschaft wegen Zweckerreichung (§ 726 BGB) als aufgelöst und vollbeendet betrachteten. Im Streitfall steht hingegen keine Auflösung einer Personengesellschaft wegen Zweckerreichung in Frage; es geht auch nicht um einen Fall, in dem eine Personengesellschaft nach ihrer Auflösung zunächst in ein Stadium der Abwicklung überging und während dieser Phase noch als Liquidationsgesellschaft fortbestand (vgl. hierzu §§ 145 ff. HGB). Das Ende der "X & Co. OHG" ist vielmehr dadurch herbeigeführt worden, daß einer von den zwei Gesellschaftern (A) aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.
Ein derartiger Vorgang hat zur Folge, daß das Unternehmen der bisherigen Gesellschaft durch einen einheitlichen Akt auf den im Unternehmen verbliebenen Gesellschafter übergeht. Dem verbliebenen Gesellschafter wächst der Anteil des anderen Gesellschafters zu. Das bisherige Gesamthandseigentum der Gesellschaft (§ 105 Abs. 2 HGB i. V. m. §§ 718 ff., 738 BGB) verwandelt sich in Alleineigentum des Verbleibenden. Hierdurch tritt die Vollbeendigung der Gesellschaft ein (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl., S. 340, 468 f., 470 ff., 476; Schlegelberger/Geßler, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., Rdnrn. 13 ff. zu § 142; Ulmer im Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., Anm. 45 und 28 ff. zu § 142; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. Juli 1968 V ZR 80/66, BGHZ 50, 307).
c) Bei Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung ist davon auszugehen, daß die "X-OHG" bereits seit 1966 vollbeendet gewesen ist. Der Vertrag zwischen dem Kläger und A vom 19. März 1966 hatte keine Auflösung und Liquidation des Unternehmens (§§ 145 ff. HGB) zum Ziel, sondern lediglich die Auflösung der Gesellschaft unter Fortführung des Unternehmens durch den Kläger allein. Mit dem Ausscheiden von A wurde die "X-OHG" vollbeendet. Alleininhaber des Unternehmens ist seither der Kläger.
Bestand somit die OHG nicht mehr, so konnte zwar gleichwohl für die Zeit, in der sie noch bestanden hat, eine einheitliche Gewinnfeststellung durchgeführt werden (Urteil des Senats vom 12. August 1976 IV R 105/75, BFHE 120, 129 [133], BStBl II 1977, 221). Die in den Streitjahren an der OHG (KG) als Gesellschafter beteiligten Personen waren aber nicht mehr kraft Gesetzes vom Kläger als dem "zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter" vertreten. Die auf Veranlassung des Klägers erhobene Klage ist lediglich namens der nicht mehr existierenden Gesellschaft sowie in seinem - des Klägers - Namen erhoben worden. Dagegen waren die beiden anderen früheren Gesellschafter A und B nicht am Verfahren beteiligt. Um ihre Beiladung zu ermöglichen, ist die Entscheidung des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
2. Das FG wird bei der weiteren Behandlung der Sache zu beachten haben, daß die im Streitfall ergangenen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns der OHG vermutlich nicht in vollem Umfang wirksam geworden sind.
a) Die Wirksamkeit von Verfügungen der Finanzbehörden hängt nach § 91 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO - (nunmehr: § 122 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) von der ordnungsgemäßen Bekanntgabe ab. Die Verfügung muß demjenigen zugehen, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt ist.
Als Adressaten eines Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns (§ 215 Abs. 1 und 2 AO; nunmehr: § 180 Abs. 1 und 2 AO 1977) sind alle am Gewinn beteiligten Personen anzusehen (§ 219 Abs. 1 Satz 1 AO; nunmehr: § 179 Abs. 2 AO 1977; BFH-Urteile vom 22. November 1968 III R 37/68, BFHE 94, 523, BStBl II 1969, 260; vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746; IV R 105/75). Der Gewinnfeststellungsbescheid braucht zwar, solange die Personengesellschaft besteht, im allgemeinen nur einem Gesellschafter bekanntgegeben zu werden; dies geschieht dann mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter (§ 219 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO; nunmehr: § 183 Abs. 1 AO 1977). Ist jedoch die Personengesellschaft bereits vollbeendet, so genügt die Bekanntgabe an einen einzelnen Gesellschafter nicht mehr (vgl. § 183 Abs. 2 AO 1977). In diesem Fall ist der Gewinnfeststellungsbescheid allen Betroffenen einzeln bekanntzugeben (BFH-Urteil IV R 105/75).
b) Im Streitfall bestand die "X-OHG" im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide über die einheitliche Gewinnfeststellung (18. März 1970) nicht mehr. Die Bescheide hätten daher, um wirksam zu werden, allen am Gewinn der OHG während des Feststellungszeitraums beteiligten Personen gegenüber bekanntgegeben werden müssen. Hieran hat es bisher vermutlich gefehlt.
Die an die "X & Co. KG" adressierten Bescheide sind zwar wahrscheinlich dem Kläger, der darin als Mitunternehmer (mit Namen und Adresse) genannt ist, zugegangen; jedenfalls hat er nach Zurückweisung des Einspruchs (auch) in seinem Namen Klage erheben lassen. Dagegen ist nicht bekannt, ob den früheren Gesellschaftern A und B die Bescheide bekanntgemacht worden sind.
c) Das FG wird dem FA Gelegenheit geben müssen, die angefochtenen Bescheide nunmehr - soweit erforderlich - auch gegenüber A und B bekanntzugeben. Zu diesem Zweck kann das FG in entsprechender Anwendung des § 74 FGO das Verfahren aussetzen. Falls nach der Bekanntgabe der Bescheide von deren Empfängern kein Rechtsbehelf eingelegt wird, sind sie gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beizuladen. Legen sie dagegen Rechtsbehelfe ein, so sind die Verfahren zu verbinden (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 1977 III R 19/75, BFHE 122, 389 [392/3], BStBl II 1977, 783).
Fundstellen
BStBl II 1978, 503 |
BFHE 1979, 116 |
NJW 1978, 1992 |