Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Der Nießbrauch an Aktien einer Familiengesellschaft unterliegt der Vermögensabgabe, auch wenn die Aktien beim Eigentümer nach § 24 Ziff. 2 LAG von der Vermögensabgabe befreit sind.
Normenkette
LAG § 24 Ziff. 2
Tatbestand
Bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe wurde der Nießbrauch der Beschwerdegegnerin (Bgin.) an Aktien der S- AG mit 138.600 DM bewertet. Dieser Wert ergab sich auf Grund folgender Berechnung: 280.000 RM/DM dem Nießbrauch unterliegende Aktien, Jahreswert deren Nutzung bei 5,5 v. H. = 15.400 DM, Vervielfältiger 9 gemäß § 16 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Die Bgin. hält den Nießbrauch für abgabefrei. Ihre Sprungberufung hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts ist wie folgt begründet: Nach § 24 Ziff. 2 Satz 2 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) seien Anteile an Familiengesellschaften, soweit sich die Anteile am Stichtag im Eigentum der Familie befänden, nicht zur Vermögensabgabe heranzuziehen. Nutzungsrechte an nicht abgabepflichtigen Vermögenswerten seien nur abgabepflichtig, wenn es sich um selbständige, nicht dagegen, wenn es sich um abgeleitete Rechte handele. Nach dem BewG seien Nutzungsrechte an Wirtschaftsgütern abgeleitete Rechte. Der Kapitalwert eines Nutzungsrechts könne nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs nicht höher sein, als der Einheitswert des genutzten Wirtschaftsguts. Bei Bewertung von Nutzungsrechten handele es sich stets um eine Aufteilung des Einheitswerts des Wirtschaftsguts zwischen Eigentümer und Nutzungsberechtigtem. § 24 Ziff. 2 LAG müsse auch im Fall der Aufteilung von Wirtschaftsgütern zwischen Eigentümer und Nutzungsberechtigtem gelten. Das Nutzungsrecht an Aktien einer Familiengesellschaft sei daher ebensowenig abgabepflichtig wie das Eigentum des Aktionärs an solchen Aktien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts.
Sie rügt Irrtümer über die Rechtsnatur des Nießbrauchs und über § 24 Ziff. 2 LAG.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Die Bewertung von Nießbrauchsrechten, Rechten auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen ist im § 67 Ziff. 4 BewG geregelt. Der Nießbrauch fällt unter die Rechte auf wiederkehrende Nutzungen (Urteil des Bundesfinanzhofs III 270/56 S vom 28. Dezember 1956, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 63). Die Auffassung des Finanzgerichts, daß der Nießbrauch ein unselbständiges, nur abgeleitetes Nutzungsrecht und aus diesem Grunde nicht abgabepflichtig sei, ist unzutreffend. Der Nießbrauch ist ein selbständiges, dingliches Recht. Er ist kein vom Eigentum abgespaltetes Recht, wie das Finanzgericht annimmt. Der Umstand, daß der Eigentümer einer Sache durch Bestellung eines Nießbrauchsrechts sein unbeschränktes Herrschaftsrecht über die Sache aushöhlt, macht den Nießbrauch nicht zu einem unselbständigen, vom Eigentumsrecht abgespalteten Teilrecht. Es kann daher auch nicht von einer Aufteilung des Wertes eines Wirtschaftsguts zwischen Eigentümer und Nießbraucher die Rede sein. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs darüber, daß der für einen Nießbrauch anzusetzende Kapitalwert nicht höher sein könne als der Einheitswert des genutzten Wirtschaftsguts selbst, rechtfertigt die vom Finanzgericht vertretene Auffassung über die Rechtsnatur des Nießbrauchs in keiner Weise. Diese Rechtsprechung betrifft, wie der Vorsteher des Finanzamts in seiner Rb. zutreffend ausgeführt hat, nicht die Rechtsnatur, sondern lediglich die Höhe des Wertansatzes eines Nießbrauchs. Aus dieser Rechtsprechung kann daher für die Frage der Abgabepflicht des Nießbrauchsrechts nichts entnommen werden. Sie ist nur bei dem Ansatz des Nießbrauchs für die Vermögensabgabe zu berücksichtigen. Ebenso hat das Finanzgericht § 24 Ziff. 2 LAG unrichtig ausgelegt. § 24 Ziff. 2 Satz 2 a. a. O. gilt nach seinem Wortlaut nur für Anteile an einer Familiengesellschaft, die sich am Stichtag im Eigentum der Familie befunden haben. Eine über den Wortlaut der Bestimmung hinausgehende Ausdehnung auch auf den Nießbrauch an Aktien ist nicht gerechtfertigt. Dies gilt auch für den Fall, daß der Nießbraucher zur Familie gehört. Die gleiche Auffassung wird in dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen betreffend Veranlagung zur Vermögensabgabe vom 3. Januar 1955 Abschn. 18 (BStBl 1955 I S. 31, 39) sowie von Kühne-Wolff, Kommentar zum Lastenausgleichsgesetz, § 24 Anm. 11 c und Hohrmann, Deutsche Steuer-Zeitung 1954 S. 57, vertreten. Das Finanzgericht meint, daß der Gesetzgeber im § 24 Ziff. 2 Satz 2 LAG auch den Nießbraucher von der Vermögensabgabe befreien wollte. Denn dem Gesetzgeber sei die ständige Rechtsprechung, nach der Nutzungsrechte als abgespaltete Eigentumsrechte behandelt würden, bekannt gewesen. Wenn er eine Ausnahme von diesem allgemeinen Rechtsgrundsatz für die im § 24 Ziff. 2 Satz 2 a. a. O. genannten Werte hätte machen wollen, so hätte er dies ausdrücklich zum Ausdruck bringen müssen. Da die Rechtsprechung, wie bereits erwähnt, nur eine Obergrenze für den Wertansatz bei Nießbrauchsrechten gezogen hat, war es nicht erforderlich, im § 24 Ziff. 2 Satz 2 a. a. O. den Nießbrauch ausdrücklich von der Vergünstigung auszuschließen. Mit § 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) läßt sich entgegen der Ansicht der Bgin. die Ausdehnung des § 24 Ziff. 2 Satz 2 a. a. O. auf Nießbrauchsrechte an Aktien nicht rechtfertigen. Das Finanzgericht und die Bgin. meinen, daß Familienaktien, an denen sich z. B. Eltern den Nießbrauch vorbehalten hätten, nicht der Vermögensabgabe unterliegen könnten, da in diesem Falle die vom Gesetzgeber nicht gewollte doppelte Besteuerung desselben Vermögens bei der Gesellschaft und den Gesellschaftern eintreten würde. Doppelbesteuerung wird aber im Rahmen des § 24 Ziff. 2 Satz 2 a. a. O. auch in diesem Fall vermieden, da die Anteile im Eigentum von Familienmitgliedern in jedem Fall abgabefrei bleiben. Andererseits ist die Nießbrauchslast bei fehlendem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem belasteten Wirtschaftsgut vom Vermögen des Anteilseigentümers auch dann abzuziehen, wenn die Aktien, an denen der Nießbrauch besteht, nach § 24 Ziff. 2 LAG von der Vermögensabgabe befreit sind. Auf Kühne-Wolff, Kommentar zum Lastenausgleichsgesetz, § 24 Anm. 11 c, wird Bezug genommen.
Hiernach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird zur Prüfung wegen der Höhe des Wertansatzes des Nießbrauchsrechts der Bgin. und zur Durchführung der Veranlagung zur Vermögensabgabe an das Finanzgericht zurückverwiesen. Hierbei ist die Berechnung der Vermögensabgabe durch das Finanzamt in seiner Rb. vom 20. Dezember 1956 zu beachten. Der Bgin. wird Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Berechnung der Vermögensabgabe zu geben sein. Auf das bereits zitierte Urteil des Senats vom 28. Dezember 1956 wird auch für die Berechnung des Wertes des Nießbrauchs hingewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 408780 |
BStBl III 1957, 242 |
BFHE 1958, 25 |
BFHE 65, 25 |