Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausweis des für die Ausschüttung vorgesehenen Gewinns GmbH-Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Eine Konzerngesellschaft, die allein an einer GmbH beteiligt ist, muß den bei der Tochtergesellschaft erzielten und zur Ausschüttung vorgesehenen Gewinn noch für das gleiche Geschäftsjahr in ihrer Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ausweisen, wenn der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft noch vor Abschluß der Prüfung bei der Muttergesellschaft festgestellt worden ist und deren Gesellschafterversammlung über die Gewinnverwendung beschlossen hat.
Normenkette
AktG § 256 Abs. 5 Nr. 2; GmbHG § 29; HGB § 243 Abs. 1, § 246 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 18.03.1993) |
LG Köln |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. März 1993 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, Gesellschafterin der Beklagten, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wendet sich gegen den zum 31. Dezember 1989 aufgestellten, mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Abschlußprüfers vom 18. Juli 1990 versehenen Jahresabschluß dieser Gesellschaft sowie gegen die Entlastung ihrer Geschäftsführer. Der Beschluß der Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses, die Gewinnverwendung und die Entlastung der Geschäftsführer ist mehrheitlich am 9. Oktober 1990 gefaßt worden.
Die Beklagte ist unter anderem an einer größeren Anzahl von Kapitalgesellschaften beteiligt. Die Höhe der Beteiligung beträgt bei einigen Gesellschaften – u.a. der „T.” T. GmbH K. sowie der „G.” G. mbH Ko. …-100 %.
Die Gesellschafterversammlungen der „T.” und der „G.” haben über die Feststellung der zum 31. Dezember 1989 aufgestellten Jahresabschlüsse und die Gewinnverwendung für das Geschäftsjahr 1989 am 29. Juni 1990 Beschluß gefaßt. In den für 1989 erstellten Jahresabschluß der Beklagten sind die für 1988, nicht aber für 1989 ausgeschütteten Gewinne ihrer Tochtergesellschaften aufgenommen worden.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe die für 1989 ausgeschütteten Gewinne ihrer Tochtergesellschaften in ihren für 1989 festgestellten Jahresabschluß aufnehmen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei ein Betrag von 14.250,– DM ohne betriebliche Veranlassung als Ausgabe ausgewiesen worden. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 1989 seien nichtig, auf jeden Fall aber anfechtbar. Die beiden Fehler seien den Geschäftsführern der Beklagten anzulasten. Ihnen sei in anfechtbarer Weise Entlastung erteilt worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung war erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Der Senat hat mit Beschluß vom 21. Juli 1994 eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu der Frage eingeholt, ob die „phasengleiche” Aktivierung der Gewinne von Tochterunternehmen bei der Muttergesellschaft gegen Art. 31 Abs. 1 lit. c, aa der Vierten Richtlinie vom 25. Juli 1978 (78/660/EWG) verstößt. Auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 27. Juni 1996 und den Urteilsberichtigungsbeschluß vom 10. Juli 1997 (Rechtssache C-234/94) – u.a. abgedruckt in ZIP 1996, 1168 bzw. ZIP 1997, 1374 – wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Eine Nichtigkeit des für das Geschäftsjahr 1989 festgestellten Jahresabschlusses liegt nicht vor. Die Anfechtung des Jahresabschlusses sowie des Beschlusses über die Entlastung der Geschäftsführer der Beklagten greift nicht durch.
I. Das Berufungsgericht hat eine Nichtigkeit des per 31. Dezember 1989 festgestellten Jahresabschlusses sowie des über die Entlastung der Geschäftsführer gefaßten Beschlusses im Ergebnis zu Recht verneint. Zwar war die Beklagte verpflichtet, den von ihren Tochtergesellschaften „T.” und „G.” für das Geschäftsjahr 1989 ausgeschütteten Gewinn „phasengleich” in ihren Jahresabschluß 1989 aufzunehmen. Jedoch kann der Mehrheit der Gesellschafter nicht der Vorwurf gemacht werden, die Vermögens- und Ertragslage der Beklagten dadurch, daß dieser Verpflichtung nicht entsprochen worden ist, vorsätzlich verschleiert zu haben (§ 256 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 AktG).
1. Die Beklagte war gemäß §§ 243 Abs. 1, 246 Abs. 1 Satz 1, 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB verpflichtet, den von ihren Tochtergesellschaften „T.” und „G.” für das Geschäftsjahr 1989 ausgeschütteten Gewinn „phasengleich” in ihrem per 31. Dezember 1989 festgestellten Jahresabschluß auszuweisen. Da die Gewinnbeträge an diesem Stichtag bereits realisiert waren (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB), entsprach ihre Aufnahme in dem Jahresabschluß dem Gebot der Vollständigkeit der Bilanzierung (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB).
a) Ein Vermögensgegenstand und damit eine Forderung ist bilanzrechtlich dem Vermögen eines Unternehmens zuzuordnen und daher aktivierungspflichtig, wenn er wirtschaftlich als zu dessen Eigentum gehörig angesehen werden kann. Über die bilanzrechtliche Zuordnung und somit die Verpflichtung zu einer Aktivierung entscheidet eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Das gilt auch für Forderungen. Maßgebend ist daher nicht, ob eine Forderung rechtlich bereits wirksam entstanden ist, sondern ob sie sich schon soweit konkretisieren läßt, daß sie wirtschaftlich als Vermögensgegenstand qualifiziert werden kann und damit zu einer Vermögensvermehrung führt (Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl., § 246 Rdn. 113; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 4 III 4, S. 81 ff.; Schulze-Osterloh, ZGR 1977, S. 104, 106). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die für die Entstehung einer Forderung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen bereits im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Eintritt der übrigen rechtlichen Entstehungsvoraussetzungen mit Sicherheit erwartet werden kann (Adler/Düring/Schmaltz aaO, § 246 Rdn. 113; Ballwieser, Beck'sches Handbuch der Rechnungslegung 1993, B 131 Rdn. 90; BFH, Urt. v. 12. April 1984 – IV R 112/81, BStBl. II, 1984, S. 554, 555).
Der Gewinnanspruch des Gesellschafters aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft wird seinem Vermögen grundsätzlich erst für den Zeitpunkt zugeordnet, in dem die Gesellschafterversammlung den Gewinnverwendungsbeschluß gefaßt hat. Erst in diesem Zeitpunkt ist der Gewinnanspruch als Gläubigeranspruch entstanden. Das entspricht den Differenzierungen, die zu § 58 Abs. 4 AktG bzw. § 29 GmbHG zwischen dem allgemeinen mitgliedschaftlichen Anspruch auf Gewinnbeteiligung, dem mit dem festgestellten Jahresabschluß entstehenden Anspruch auf Ausschüttung des Bilanzgewinns und dem Dividendenanspruch, der auf dem Gewinnverwendungsbeschluß beruht, getroffen werden (vgl. BGHZ 65, 230, 235 f.; Lutter in: KK z. AktG, 2. Aufl., § 58 Rdn. 80; Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., § 29 Rdn. 48/49).
Im Schrifttum ist umstritten, ob ein Gewinnanspruch, der einem Unternehmen gegenüber einer Kapitalgesellschaft zusteht, an der es allein (oder mit Mehrheit) beteiligt ist und für die zumindest die Vermutungen der Abhängigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 und der Konzernzugehörigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG gelten, bereits zum Stichtag des Jahresabschlusses der abhängigen Gesellschaft als wirtschaftlich hinreichend konkretisiert und damit zum Vermögen des allein (oder mehrheitlich) beteiligten Unternehmens gehörig angesehen werden kann, wenn die Geschäftsjahre beider Unternehmen deckungsgleich sind und die Gesellschafterversammlung der abhängigen Gesellschaft über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung beschließt, bevor die Prüfung des Jahresabschlusses des allein (oder mit Mehrheit) beteiligten Unternehmens abgeschlossen ist (bejahend: Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 16. Aufl., § 42 Rdn. 141; Schulze-Osterloh, ZGR 1977, S. 104, 107, 115; Adler/Düring/Schmaltz aaO, 6. Aufl., § 252 Rdn. 82; für Holdinggesellschaften und mehrstufig gegliederte Konzerne ohne Begründung im einzelnen auch 5. Aufl., § 275 Rdn. 152; Kropff in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 151 Rdn. 74; Mellerowicz in: KK z. AktG, 3. Aufl., § 151 Rdn. 73; Schnicke/Bartels/Hetzler, Beck'scher Bilanzkommentar, 3. Aufl., § 266 Rdn. 120; verneinend: Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht aaO, § 5 VII a bb, S. 221 f.; dieselbe: AG 1979, 293, 300 ff.; Sarx/Pankow, Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl., § 266 Rdn. 120; Goerdeler/Welf Müller in: Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., § 42 Rdn. 84; wohl auch Volkeri/Schneider, BB 1979, 964, 967/969; Pasdika, AG 1977, 159).
b) Der Senat ist der Ansicht, daß auf jeden Fall der Gewinnanspruch des allein an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligten Unternehmens unter den dargelegten Voraussetzungen bereits zum Stichtag der Bilanz der abhängigen Gesellschaft wirtschaftlich so weitgehend konkretisiert ist, daß er als zu seinem Vermögen gehörig angesehen werden kann. Daraus folgt, daß die Forderung „phasengleich” mit der Entstehung der entsprechenden Verpflichtung bei der abhängigen Gesellschaft in den Jahresabschluß des allein beteiligten Unternehmens aufgenommen werden muß.
Zum Stichtag des von der abhängigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu erstellenden Jahresabschlusses steht fest, ob sie einen Gewinn erzielt hat. Zwar steht damit noch nicht fest, ob und in welcher Höhe dieser Gewinn ausgeschüttet wird. Die Entscheidung darüber liegt jedoch allein in der Hand des herrschenden Gesellschafters. Der Gewinnverwendungsbeschluß, der seine Entscheidung konkretisiert, beruht regelmäßig auf der Berücksichtigung von Umständen, die bis zum Stichtag des Jahresabschlusses eingetreten und dem Beschluß über die Gewinnverwendung nach Kenntniserlangung durch das allein beteiligte Unternehmen zugrunde gelegt worden sind (vgl. BGHZ 65, 230, 236; Sen. Urt. v. 22. Oktober 1973 – II ZR 37/72, WM 1974, 129). Zutreffend geht der Bundesfinanzhof (Urt. v. 8. März 1989 – X R 9/86, BStBl. II, 1989, S. 714, 717) daher davon aus, daß der Gewinnverwendungsbeschluß einen sicheren Rückschluß auf die für den Stichtag maßgebende Absicht des beteiligten Unternehmens zuläßt und diese gleichsam „in einer objektiv nachprüfbaren Weise erhellt”. Eine solche Betrachtungsweise scheidet nur dann aus, wenn feststeht, daß der Gewinnverwendungsbeschluß von Tatsachen beeinflußt worden ist, die erst im Folgejahr aufgetreten sind, ohne daß sie mit Entwicklungen zusammenhängen, die sich bereits im Laufe des Geschäftsjahres oder früher angebahnt haben.
c) Die vorstehend dargelegten Voraussetzungen für eine „phasengleiche” Bilanzierung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Beklagte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist alleinige Gesellschafterin der beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung „T.” und „G.”. Für diese ist die Abhängigkeits- und Konzernvermutung im Sinne der §§ 17 Abs. 2 und 18 Abs. 1 Satz 3 AktG nicht widerlegt. Die Gesellschafterversammlungen beider Tochtergesellschaften haben die Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung für das Geschäftsjahr 1989 am 29. Juni 1990 gefaßt. Am 18. Juli 1990 wurde die Prüfung des von der Beklagten für das – mit dem Geschäftsjahr ihrer Tochtergesellschaft deckungsgleiche – Geschäftsjahr 1989 aufgestellten Jahresabschlusses durch Erteilung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks des Abschlußprüfers abgeschlossen. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, daß der Beschluß, den die Gesellschafterversammlung der Beklagten am 9. Oktober 1990 zur Feststellung des Jahresabschlusses gefaßt hat, von Tatsachen beeinflußt worden ist, die erst im Folgejahr aufgetreten sind und die nicht mit Entwicklungen zusammenhängen, die sich bereits im Laufe des Geschäftsjahres oder früher angebahnt haben.
2. Diese Auslegung verstößt nicht gegen das Gemeinschaftsrecht.
Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 27. Juni 1996 in der Fassung des Urteilsberichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 1997 – Rechtssache C 234/94 – entschieden hat, steht die Auslegung des Senats dann in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht, wenn die Muttergesellschaft die Anteile an der Tochtergesellschaft allein hält, sie kontrolliert, beide Gesellschaften nach nationalem Recht einen Konzern bilden und die Geschäftsjahre deckungsgleich sind. Ferner ist erforderlich, daß die Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft der Zuweisung bestimmter Gewinne an die Muttergesellschaft für das fragliche Geschäftsjahr zugestimmt hat, der Beschluß vor Abschluß der Prüfung des Jahresabschlusses der Muttergesellschaft für dasselbe Geschäftsjahr gefaßt worden ist und das nationale Gericht sich darüber vergewissert hat, daß der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft für das fragliche Geschäftsjahr ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild ihrer Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle erfüllt.
3. Trotz des festgestellten Bilanzierungsverstoßes ist der per 31. Dezember 1989 aufgestellte Jahresabschluß der Beklagten nicht entsprechend § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG nichtig.
a) Zwar ist im vorliegenden Falle gegen das Gebot vollständiger Bilanzierung verstoßen worden (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). Auf einen derartigen Bilanzierungsverstoß, der die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG erfüllt, ist die Vorschrift des § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG anzuwenden (BGHZ 124, 111, 119 m.w.N. aus dem Schrifttum; vgl. ferner Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 256 Rdn. 26; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 256 Rdn. 50; Kropff, ZGR 1994, 628, 636).
b) Zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt ein solcher Beschluß jedoch nur dann, wenn die Gesellschafter dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert haben (§ 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle nicht erfüllt.
Zwar ist durch die unterbliebene Aktivierung der von den Tochtergesellschaften „T.” und „G.” für das Geschäftsjahr 1989 ausgeschütteten Gewinne ein objektiv unrichtiges Bild von der Ertragslage der Beklagten vermittelt worden. Das ist jedoch nicht vorsätzlich geschehen. Die Gesellschafter konnten bei der Feststellung des Jahresabschlusses von den Grundsätzen ausgehen, die der Senat in der Entscheidung vom 3. November 1975 (BGHZ 65, 230) aufgestellt hat. Danach sind Konzern- oder Holdinggesellschaften, die zumindest mehrheitlich an anderen Kapitalgesellschaften beteiligt sind, in Fällen, die den vorliegenden vergleichbar sind, berechtigt, aber nicht verpflichtet, von ihren Tochtergesellschaften ausgeschüttete Gewinne phasengleich in ihren Jahresabschluß aufzunehmen (sog. Ansatzwahlrecht, vgl. BFH, Urt. v. 2. April 1980 – I R 75/76, BStBl. 1980, Teil 2, S. 702, 703; Urt. v. 3. Dezember 1980 – I R 125/77, BStBl. 1981, Teil 2, S. 184, 185; Urt. v. 8. März 1989 – X R 9/86, BStBl. 1989, Teil 2, S. 714, 718; Urt. v. 19. Februar 1991 – VIII R 106/87, BStBl. 1991, Teil 2, S. 569). Angesichts dieses Standes der Rechtsprechung kann dem Bilanzierenden nicht vorgeworfen werden, er habe – wenn auch nur bedingt – vorsätzlich das Bild der Ertragslage der Gesellschaft verfälscht (vgl. auch Adler/Düring/Schmaltz aaO, 6. Aufl., § 256 AktG Rdn. 52; wohl auch Hüffer in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 256 Rdn. 92; für den Fall der Unterbewertung auf normwidriges Handeln abstellend und das Erfordernis des Bewußtseins eines solchen Verhaltens verneinend: Zöllner in KK z. AktG, § 256 Rdn. 49).
4. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Beklagte einen Betrag von 14.250,– DM an die Fa. C. bezahlt und als Passivposten in den Jahresabschluß aufgenommen, obwohl Schuldnerin der Forderung nicht sie, sondern die Tochtergesellschaft „T.” war. Eine Ausgleichsforderung gegen die „T.” ist nicht aktiviert worden.
Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses entsprechend § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG aufgrund dieses Verhaltens der Beklagten verneint. Wie der Senat für den Fall der Überbewertung im Sinne des § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG ausgesprochen hat, kommt eine Nichtigkeit in einem derartigen Falle nur dann in Betracht, wenn eine den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung widersprechende Bilanzierung ihrem Umfange nach nicht bedeutungslos ist (BGHZ 83, 341, 347). Das gilt in gleicher Weise, wenn ein Posten unterbewertet oder, was der Unterbewertung, wie bereits dargelegt, gleichzusetzen ist, gegen das Gebot vollständiger Bilanzierung verstoßen worden ist.
Das Berufungsgericht hat – von der Revision nicht angegriffen – ausgeführt, der Fehlbetrag mache 4,4 % des Bilanzgewinns aus, an dem die Klägerin mit 9 % beteiligt sei. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht angenommen hat, daß die Position unter diesen Umständen ihrem Umfange nach auf den Inhalt des Jahresabschlusses keine nennenswerten Auswirkungen hat und bereits aus diesem Grunde von einer Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten nicht ausgegangen werden könne.
II. Das Berufungsgericht hat auch die Anfechtungsklage, mit der sich die Klägerin gegen den per 31. Dezember 1989 festgestellten Jahresabschluß der Beklagten sowie den Beschluß über die Entlastung ihrer Geschäftsführer wendet, im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Die gegen die Feststellung des Jahresabschlusses erhobene Anfechtungsklage ist nicht begründet. Teilweise sind die Anfechtungsgründe verspätet in den Prozeß eingeführt worden, teilweise vermögen sie nicht zur Nichtigerklärung des Beschlusses zu führen.
a) Die Klägerin hat ihre Anfechtungsklage darauf gestützt, daß die Beklagte die für das Geschäftsjahr 1989 von ihren Tochtergesellschaften „T.” und „G.” ausgeschütteten Gewinne nicht phasengleich in dem Jahresabschluß 1989, sondern erst in der Bilanz 1990 ausgewiesen hat. Dieses Verfahren ist, wie bereits ausgeführt, rechtsfehlerhaft. Es berechtigt an sich im GmbH-Recht auch zur Anfechtung, da den Gesellschaftern einer GmbH anders als im Aktienrecht (§§ 258 ff. AktG) kein Anspruch auf Sonderprüfung zusteht. § 257 Abs. 1 Satz 2 AktG ist deshalb im GmbH-Recht nicht entsprechend anwendbar. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich die Klägerin jedoch auf diesen Anfechtungsgrund nicht stützen, weil er verspätet in das Verfahren eingeführt worden ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muß die Klage auf Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses mit aller dem klagenden Gesellschafter zumutbaren Beschleunigung erhoben werden, wobei die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG grundsätzlich als Maßstab anzusehen ist. Innerhalb dieser Frist müssen auch die Anfechtungsgründe in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern in den Rechtsstreit eingeführt werden. Wird diese Frist überschritten, kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweise Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben (vgl. BGH, Urt. v. 17. Januar 1966 – II ZR 157/63, WM 1966, 446, 447; Urt. v. 12. Oktober 1992 – II ZR 286/91, ZIP 1992, 1622 m.w.N. aus der Senatsrspr.).
Die gegen den Beschluß vom 9. Oktober 1990 gerichtete Anfechtungsklage ist zwar bereits mit Schriftsatz vom 9. November 1990 erhoben worden. Die Tatsache, daß die von „T.” und „G.” für das Geschäftsjahr 1989 ausgewiesenen Gewinne in dem Jahresabschluß der Beklagten nicht „phasengleich” ausgewiesen worden sind, hat die Klägerin jedoch erst mit Schriftsatz vom 19. August 1991, also über zehn Monate nach der Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung in das Verfahren eingeführt. Das war verspätet. Zwingende Umstände im Sinne der Senatsrechtsprechung, welche die Klägerin an der früheren Einführung des Klagegrundes in das Verfahren gehindert hätten, sind nicht ersichtlich.
b) Die Revision ist der Ansicht, die Anfechtungsklage könne ferner darauf gestützt werden, daß der Feststellungsbeschluß gegen § 12 Abs. 3 der Satzung der Beklagten verstoße. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Wird in einem Körperschaftssteuerbescheid des Finanzamtes – so bestimmt diese Vorschrift – der festgestellte Jahresabschluß in abgeänderter Form zugrunde gelegt, so gilt der Jahresabschluß in der abgeänderten Form mit der Rechtskraft des Bescheides als von der Gesellschafterversammlung festgestellt.
Unterstellt man, daß diese Bestimmung nichtig ist, weil sie im Wege einer Fiktion Entscheidungen einer Behörde an die Stelle der dafür zuständigen Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 1 GmbHG) setzt und darüber hinaus das Erfordernis einer erneuten Prüfung von Jahresabschluß und Lagebericht durch den Abschlußprüfer (§ 316 Abs. 3 HGB) negiert, könnte die Klägerin ihre Anfechtungsklage nicht darauf stützen. Auch wenn man von der Wirksamkeit dieser Vorschrift ausgeht, weil sie dahin ausgelegt werden könnte, daß die Gesellschafterversammlung nach Erlaß eines vom festgestellten Jahresabschluß abweichenden Körperschaftssteuerbescheides und nach Durchführung der Nachtragsprüfung im Sinne des § 316 Abs. 3 HGB verpflichtet ist, über den geänderten Jahresabschluß zu beschließen, hat die auf diese Regelung gestützte Anfechtungsklage keinen Erfolg. Die Klägerin kann, soweit das Finanzamt in einem rechtskräftig erlassenen Körperschaftssteuerbescheid die von den Tochtergesellschaften ausgeschütteten Gewinne bei der Beklagten „phasengleich” berücksichtigt, auf diesen Umstand nicht die Anfechtung des bereits festgestellten Jahresabschlusses stützen; sie kann nur fordern, daß die Gesellschafterversammlung der Beklagten entsprechend § 12 Abs. 3 der Satzung nach Abschluß der Nachtragsprüfung über die Änderung des Jahresabschlusses beschließt, die dem bestandskräftig oder rechtskräftig gewordenen Körperschaftssteuerbescheid zugrunde liegt. Ein solches Begehren ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
c) Die Revision vertritt außerdem die Ansicht, die Regelung des § 12 Abs. 1 und 2 der Satzung der Beklagten enthalte ein Vollausschüttungsgebot im Sinne des § 29 GmbHG a.F., das die Beklagte zu einer phasengleichen Aktivierung der ausgeschütteten Tochtergewinne zwinge. Auch dem kann nicht gefolgt werden.
Der Senat hat bereits mit Urteil vom 17. Februar 1997 in dem Verfahren II ZR 41/96 (ZIP 1997, 732), an dem die Parteien dieses Verfahrens beteiligt sind, entschieden, daß § 12 Abs. 1 und 2 der Satzung der Beklagten kein Vollausschüttungsgebot enthält. Auf die Gründe dieses Urteils wird Bezug genommen. Schon aus diesem Grunde scheitert die auf die Mißachtung eines vermeintlichen Vollausschüttungsgebotes gestützte Anfechtungsklage.
e) Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend ausführt, kann die Anfechtung des Beschlusses auch nicht darauf gestützt werden, daß der Jahresabschluß fehlerhaft ist, soweit er die von der Beklagten nicht geschuldete Forderung der Fa. C. enthält.
Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, die Änderung des Jahresabschlusses würde zu Kosten und Belastungen der Beklagten – und damit mittelbar auch der Klägerin als ihrer Gesellschafterin – führen, die außer Verhältnis zu dem der Klägerin rechtlich zustehenden wirtschaftlichen Vorteil stünden, der dieser daraus erwachsen würde. Unter diesen Umständen ist die Klägerin aufgrund der ihr gegenüber der Beklagten obliegenden Treupflicht gehalten, sich mit weniger einschneidenden Maßnahmen als der Nichtigerklärung des Jahresfeststellungsbeschlusses abzufinden. Der Beklagten bleibt anheim gestellt, den Fehler in anderer, den Belangen der Gesellschafter gerecht werdender Weise auszugleichen.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Anfechtungsklage auch insoweit abgewiesen, als sie sich dagegen wendet, daß den Geschäftsführern der Beklagten für das Geschäftsjahr 1989 Entlastung erteilt worden ist.
Aus den Ausführungen zur Klage auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. auf Anfechtung des Jahresfeststellungsbeschlusses ist nicht erkennbar, daß den Geschäftsführern der Beklagten die Entlastung aufgrund rechtsmißbräuchlicher Ausübung des Stimmrechts durch Gesellschafter erteilt worden ist. Derartige Umstände ergeben sich auch nicht aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen. Solche Einzelheiten werden auch nicht von der Revision aufgezeigt.
Unterschriften
Röhricht, Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kapsa, Dr. Kurzwelly
Fundstellen