Leitsatz (amtlich)
Der Konkursverwalter ist dem Gemeinschuldner gegenüber gemäß § 82 KO verpflichtet, während des Konkurses für die ordnungsmäßige Erfüllung der steuerlichen Buchführungspflichten zu sorgen. Im Rahmen des ihm Zumutbaren muß er sich auch um Vervollständigung einer bei Konkurseröffnung mangelhaften Buchführung bemühen, wenn diese im Blick auf die steuerlichen Anforderungen noch in Ordnung gebracht werden kann.
Verfahrensgang
OLG Hamm (Entscheidung vom 30.01.1978) |
Tenor
I.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. Januar 1978 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil des Klägers erkannt hat.
II.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger war persönlich haftender Gesellschafter der Firma Sch.-KG. Im September 1967 wurde das Konkursverfahren über sein eigenes Vermögen sowie über das der Kommanditgesellschaft eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt.
Der Kläger wirft dem Beklagten vor, im Gesellschaftskonkurs nicht für die Erstellung von Bilanzen gesorgt zu haben. Dadurch sei es ihm unmöglich gemacht, seine bei der Gesellschaft entstandenen Verluste bei der Einkommenversteuerung 1970 bis 1972 steuermindernd auszuweisen, weil er dem Finanzamt nicht die in § 10 d EStG geforderte ordnungsgemäße Buchführung (§ 5 EStG) habe nachweisen können.
Mit seiner Klage hat er von dem Beklagten Ersatz des Steuerschadens verlangt, den er auf 151.100,80 DM berechnet hat. Hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, daß der Beklagte ihn von der Verpflichtung zur Zahlung seiner Steuern insoweit freizustellen habe, als diese darauf beruhen, daß er den Verlust der Gemeinschuldner gegenüber dem Finanzamt in seinen Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 1970, 1971 und 1972 nicht als Verlustvortrag geltend machen könne.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung des Beklagten.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger den Beklagten für Versäumnisse seiner Bilanzierungspflichten schon deshalb nicht zur Verantwortung ziehen, weil er mit solchen Einwänden gegen die Tätigkeit des Beklagten als Konkursverwalter nach § 86 S. 4 KO ausgeschlossen sei.
Nach dieser Vorschrift gilt die Schlußrechnung des Konkursverwalters als anerkannt, soweit in dem Schlußtermin Einwendungen nicht erhoben werden.
Das Berufungsgericht erwägt dazu: Bilanzierungspflichten hätten dem Beklagten als Konkursverwalter gemäß § 124 KO nur für den Zeitpunkt der Konkurseröffnung oblegen, da er den Gewerbebetrieb der in Konkurs gefallenen KG nicht fortgeführt habe. Zur Erstellung dieser Bilanz habe der Beklagte in seinem im Schlußtermin am 15. September 1972 vorgelegten Tätigkeitsbericht Ausführungen gemacht. Einwände seien in dem Termin hiergegen nicht erhoben worden. Der Kläger sei zu dem Termin ordnungsgemäß durch Niederlegung der Ladung bei der Post geladen worden, allerdings nicht erschienen. Zwar sei der Tätigkeitsbericht nicht nach § 86 S. 2 KO öffentlich ausgelegt worden, doch habe dieser Mangel für das Verhalten des Klägers keine Bedeutung gehabt. Deshalb habe auch für ihn die Tätigkeit des Beklagten als Konkursverwalter gemäß § 86 S. 4 KO als anerkannt zu gelten.
II.
Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben.
1.
Das Berufungsgericht hat verkannt, daß der Kläger seine Klageforderung nicht auf die Pflicht des Beklagten zur Erstellung der Konkurseröffnungsbilanz nach § 124 KO, sondern auf Versäumnisse von Buchführungspflichten stützt, die ihm im Blick auf die Sorge für die Erfüllung der steuerrechtlichen Verpflichtungen beider Gemeinschuldner, der Kommanditgesellschaft wie des Klägers, diesem gegenüber obliegen.
a)
Auch nach der Konkurseröffnung im September 1967 waren die steuerrechtlichen Buchführungs- und Steuererklärungspflichten des Klägers als persönlich haftender Gesellschafter der KG wie für sein eigenes Vermögen gemäß § 160 AO i.V.m. §§ 38 ff HGB nicht untergegangen. Zwar ist der Beklagte mit der Übernahme des Amts als Konkursverwalter insoweit gegenüber der Steuerbehörde an seine Stelle gerückt, als nunmehr auch ihn alle Pflichten getroffen haben, die den Gemeinschuldnern oblegen hätten, wenn über ihr Vermögen nicht das Konkursverfahren eröffnet worden wäre (§§ 104, 103 AO; BFH HFR 1961, 277 = DB 1963 Beilage 4 Nr. 634; BFHE 106, 305 - BStBl. 1972 II 784, 785 = DB 1972, 784; Jäger/Weber/Henkel KO 9. Aufl. § 6 Rdz. 141; Mentzel/Kuhn KO 9. Aufl. § 6 Rdz. 46; § 82 Rdz. 12; Hundertmark BB 1967, 408 f; Klasmeyer/Kübler BB 1978, 369 ff). An dem Inhalt der Pflichten, insbesondere soweit sie für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der Kommanditgesellschaft nach § 5 EStG heranzuziehen sind, hat die Konkurseröffnung jedoch nichts geändert. Die dem Beklagten durch die Konkursordnung auferlegten Pflichten zugunsten der Beteiligten zur Erstellung von Bestandsaufnahmen und Bilanzen ersetzten sie nicht, da mit diesen der Einrichtung der jährliche Abschlüsse bedingenden Abschnittsbesteuerung durch das Finanzamt nicht genügt werden kann (BFH HFR 1961, 277 = a.a.O.). Daß die Rechnungslegung des Konkursverwalters nach den Vorschriften der Konkurseröffnung ordnungsmäßig ist, ist für die steuerrechtliche Beurteilung im Prinzip ohne Belang.
b)
Werden die Bücher von dem Konkursverwalter nach steuerlichen Gesichtspunkten nicht ordnungsmäßig geführt und die jährliche Bestandsaufnahme und Abschlüsse nicht nach den Regeln des Steuerrechts vorgenommen, so treffen die steuerlichen Nachteile (hier gemäß § 10 d, § 5 EStG) den Gemeinschuldner, da er auch während des Konkursverfahrens steuerrechtlich mitverhaftet bleibt (BFH a.a.O. m.w.Nachw.; Frotscher, Steuern und Konkurs 1974, 14; Rosenau KTS 72, 131 ff).
Ob er oder der Konkursverwalter die Mängel der Buchführung verschuldet hat, ist für seine Haftung gegenüber dem Finanzamt ohne Belang. Dann aber muß der Konkursverwalter mit der Übernahme seines Amtes nicht nur den Steuerbehörden, sondern auch dem Gemeinschuldner gegenüber verpflichtet sein, für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Buchführungs- und Steuererklärungspflichten zu sorgen. Das gilt grundsätzlich auch, soweit solche Buchführungsverpflichtungen wegen Steuertatbeständen vor der Konkurseröffnung infrage stehen, die der Gemeinschuldner, weil der Konkursverwalter die Geschäftsbücher in Besitz zu nehmen hat, mit der Eröffnung des Konkurses nicht mehr erfüllen kann (Jäger/Weber/Henkel = a.a.O.; Klasmeyer/Kübler = a.a.O. S. 372). Für die Verpflichtung des Konkursverwalters kommt es auch nicht darauf an, ob er sich zu einer Betriebsfortführung entschließt; entscheidend ist vielmehr, daß der Gemeinschuldner die benötigten Unterlagen entbehren muß.
Freilich ist der Konkursverwalter, was seine Stellung gegenüber dem Gemeinschuldner angeht, für steuerrechtliche Nachteile aus Mängeln der Buchführung nur verantwortlich, soweit er diese kennen und beheben konnte (Mentzel/Kuhn a.a.O. § 6 Rdz. 46 m.N.). Er hat zunächst dafür zu sorgen, daß die Bücher über die in seine Amtszeit fallenden Vorgänge richtig geführt werden. Ferner muß er Sorge tragen, daß vor Konkurseröffnung entstandene Steuertatbestände, für die die Buchführungsarbeiten erst nach Konkurseröffnung anfallen, ordnungsmäßig erfaßt werden. Für Mängel der Buchführung aus der Zeit vor Konkurseröffnung ist er dem Gemeinschuldner nicht verantwortlich, wenn diese nach Konkurseröffnung nicht mehr korrigiert werden konnten. Kann die mangelhafte Buchführung im Blick auf die steuerlichen Anforderungen nach Konkurseröffnung in Ordnung gebracht werden, wovon der Beklagte u.a. in seinem Zwischenbericht vom 14. Dezember 1967 selbst ausgegangen ist (vgl. Bl. 118 der Konkursakten Bd. I), dann muß der Konkursverwalter im Rahmen des ihm Zumutbaren sich darum bemühen. Auch insoweit muß er sich vom Gemeinschuldner daran festhalten lassen, daß mit Konkurseröffnung er allein die Bücher verwaltet und der Gemeinschuldner die Arbeiten zu ihrer Vervollständigung, die er ohne die Eröffnung des Konkurses ausgeführt haben würde, aus diesem Grund nicht vornehmen kann. Inhalt und Umfang der Pflichten, die der Konkursverwalter in diesen Fällen gegenüber dem Gemeinschuldner hat, hängen von den konkreten Umständen, insbesondere von Art und Umfang der Mängel der Buchführung ab. Auch die Belastbarkeit der Masse mit den Kosten solcher Arbeiten, mag sie auch für die Pflichtenstellung des Konkursverwalters gegenüber den Finanzbehörden unbeachtlich sein (Klasmeyer/Kübler a.a.O. S. 375 f m.N.), kann für die Verantwortlichkeit gegenüber dem Gemeinschuldner eine Rolle spielen (Mentzel/Kuhn a.a.O.). Unter Umständen hat der Konkursverwalter wegen weiterer Klärung mit dem Gemeinschuldner Verbindung aufzunehmen; er kann auch gehalten sein, sich mit der Finanzbehörde zwecks Erleichterungen von den Buchführungspflichten ins Benehmen zu setzen (Mentzel/Kuhn a.a.O. m.N.).
Während sich die steuerlichen Pflichten des Konkursverwalters gegenüber dem Finanzamt aus den besonderen Regeln der Abgabenordnung ergeben (vgl. Jäger/Weber 8. Aufl. a.a.O. § 82 Rdz. 16; Mentzel/Kuhn a.a.O. § 82 Rdz. 12), folgt die Verantwortlichkeit des Konkursverwalters gegenüber dem Gemeinschuldner aus § 82 KO, der zwischen beiden ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet. Daß die Verpflichtung des Konkursverwalters insoweit nicht unmittelbar der Liquidierung des Konkursvermögens dient, ist unerheblich; maßgebend ist, daß sie aus der Amtsstellung des Konkursverwalters erwächst, die hier schutzwürdige Interessen des Gemeinschuldners unmittelbar berührt. Bei schuldhafter Verletzung der Pflicht kann der Konkursverwalter persönlich dem Gemeinschuldner nach § 82 KO für die dadurch verursachten Steuernachteile einzustehen haben (Klasmeyer/Kübler a.a.O. S. 374 f).
2.
Soweit dem Beklagten Versäumnisse aus diesen hier allein in Rede stehenden Verpflichtungen zur Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten des Gemeinschuldners vorgeworfen werden können, ist der Kläger mit seinem Klagevorbringen nicht durch § 86 Satz 4 KO ausgeschlossen. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf solche Tätigkeit, über die der Beklagte in seiner Schlußrechnung Rechenschaft zu legen hatte. Auf die Maßnahme des Konkursverwalters in Bezug auf Steuererklärungspflichten ist sie schon ihrem Wesen nach nicht zugeschnitten.
Davon abgesehen erfaßt die mit der Präklusionswirkung des § 86 Satz 4 KO verbundene Entlastung des Konkursverwalters gegenüber den Beteiligten des Konkursverfahrens nur, was von ihm über seine Tätigkeit in der Schlußrechnung zur Sprache gebracht worden ist (Jäger/Weber a.a.O. § 86 Rdz. 7; Mentzel/Kuhn a.a.O. § 86 Rdz. 7). Der Hinweis auf den unterlassenen (konkursmäßigen) Status umfaßte nicht auch die Erstellung von Bilanzen zur Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen, die nach dem Zuvorgesagten mit der Konkurseröffnungs-Bilanz nichts zu tun hatten.
3.
Ob und inwieweit der Beklagte seine Aufgabe in Bezug auf die steuerlichen Angelegenheiten der Gemeinschuldner ordnungsgemäß nachgekommen ist, kann der erkennende Senat mangels der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst entscheiden. Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Überprüfung zu berücksichtigen haben, daß der Konkursverwalter zwar grundsätzlich selbst das Erforderliche getan hat, wenn er die Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten einem geeigneten Steuerbevollmächtigten überträgt; anderes gilt jedoch, wenn er erkennen kann, daß dieser nachlässig arbeitet, was hier in Betracht kommen kann. Ferner kann nicht nur für die Pflichtenstellung des Beklagten, sondern auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 254 BGB eine Rolle spielen, in welchem Zustand sich die Buchführung bei Konkurseröffnung befunden hat und inwieweit der Kläger selbst um die Erfüllung der Steuererklärungspflichten besorgt gewesen ist.
Fundstellen
BGHZ 74, 316 - 321 |
BGHZ, 316 |
DB 1979, 1599-1600 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1979, 2212-2213 (Volltext mit amtl. LS) |
ZIP 1980, 25 |
ZIP 1980, 25-26 |
MDR 1979, 927-928 (Volltext mit amtl. LS) |