Dipl.-Kfm. Frederik Hegmanns, Dipl.-Kfm. Thomas Scholz
Rn. 20
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Weder das Unionsrecht noch das deutsche Recht enthalten eine Norm, die das Verhältnis der beiden Rechtsordnungen zueinander im Kollisionsfall ausdrücklich regelt. Aufgrund der höchstrichterlichen Rspr. – sowohl auf EU-Ebene als auch in Deutschland – ist aber mittlerweile anerkannt, dass dem unmittelbar anwendbaren Unionsrecht Anwendungsvorrang vor nationalen Regelungen einzuräumen ist. Diese unmittelbare Anwendbarkeit der AP-VO auf die AP von PIE ist hier gegeben, da es (auch) bei jener VO keines weiteren Transformationsaktes der Mitgliedstaaten bedarf. Insoweit hätte es der in § 316a enthaltenen ausdrücklichen Anordnung des Vorrangs der AP-VO gar nicht bedurft, weshalb § 316a allein deklaratorischer Charakter zukommt. Konstitutiven Charakter hat die Regelung indes insoweit als sie die subsidiäre Geltung der Vorschriften des Dritten Unterabschn. für PIE anordnet (vgl. BeckOGK-HGB (2023), § 316a, Rn. 5; NK-AP (2022), § 316a HGB, Rn. 3; a. A. BeckOK-HGB (2024), § 316a, Rn. 5; Baumbach/Hopt (2024), § 316a HGB, Rn. 1). Dies wiederum ist deshalb von Bedeutung, weil besagte VO mit ihrer Vielzahl an Einzelregelungen Mitgliedstaatenwahlrechte enthält oder aber ausdrücklich nicht abschließend ist, mit der Folge, dass in diesen Fällen die VO und die Normen des HGB bzw. (auch) der WPO in weiten Teilen kumulativ zu betrachten sind (vgl. etwa EBJS (2024), § 316a HGB, Rn. 1f.).
Rn. 20a
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Nachdem der deutsche Gesetzgeber in § 316a Satz 2 eine Legaldefinition von PIE vorgenommen hat, gilt diese grds. auch für die Bestimmung des Geltungsbereichs der VO, soweit sie über den sich der VO ergebenden "Mindestanwendungsbereich" hinausgeht. Praktische Bedeutung hat dies insofern, als die AP-VO eigentlich nur auf solche UN anwendbar ist, deren übertragbare Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt bereits zugelassen sind (vgl. Art. 2 der AP-VO i. V. m. Art. 2 Nr. 13 der AP-R), während § 316a Satz 2 Nr. 1 als kap.-marktorientiert auch jene UN erfasst, die eine solche Zulassung bisher lediglich beantragt haben. Auf Letztere findet die AP-VO nunmehr gleichermaßen Anwendung (vgl. lediglich EBJS (2024), § 316a HGB, Rn. 3).