Dr. Klaus-Hermann Dyck, Prof. Dr. Sven Hayn
Rn. 33
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Gemäß § 268 Abs. 1 wird bilanzierenden UN (konkret: KapG, PersG i. S. d. § 264a sowie UN, die nach Maßgabe des PublG rechenschaftspflichtig sind (vgl. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 PublG)) ein Wahlrecht dahingehend eingeräumt, die Bilanz unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufzustellen. Begründet durch die Tatsache, dass das Bilanzgliederungsschema gemäß § 266 Abs. 3 von dem Tatbestand ausgeht, dass eine Ergebnisverwendung nicht erfolgt, war es erforderlich, für den Fall, dass eine Ergebnisverwendung bei einem UN bilanziell erfasst werden soll, eine Vorschrift zu kodifizieren, die für diesen Fall den Bilanzausweis regelt. Diese Funktion erfüllt § 268 Abs. 1.
Aufgrund dieses Wahlrechts kann in dem Fall, in dem einer der oben erörterten Tatbestände der Ergebnisverwendung vorliegt, das bilanzierende UN wählen, ob es diese Ergebnisverwendung bereits im aufzustellenden Abschluss darstellen will oder nicht.
Wenngleich in § 268 Abs. 1 das Ausweiswahlrecht uneingeschränkt kodifiziert ist, dürfte jedoch aufgrund der zwingenden Vorschrift des § 270 Abs. 2 davon auszugehen sein, dass dieses Wahlrecht dann eingeschränkt wird, wenn die Klarheit und Übersichtlichkeit des Bilanzbilds gefährdet ist und durch die Ausübung des Wahlrechts Informationsverluste bzw. Missverständnisse nicht ausgeschlossen werden können. Diese Beurteilung sollte sich an der Zielsetzung orientieren, dass im Bereich des EK letztlich der Betrag ausgewiesen werden sollte, der für die Beschlussfassung der HV oder Gesellschafterversammlung zur freien Verfügung steht. Für eine AG, KGA bzw. SE gilt gemäß § 158 AktG in jedem Fall die Einschränkung des in § 268 Abs. 1 kodifizierten Wahlrechts (vgl. WP-HB (2021), Rn. F 525).
Gilt eine Ergebnisverwendung aus bilanzrechtlicher Sicht bereits als vollzogen, so ist die Bilanz unter Berücksichtigung dieser Ergebnisverwendung aufzustellen. Sie gilt als vollzogen, wenn zum BilSt entweder das Ergebnis bereits tatsächlich abgeflossen oder als Verbindlichkeit zu passivieren ist. Dies dürfte im Fall einer Vorabdividende, die vor dem BilSt beschlossen ist, gegeben sein. Wird zwischen dem BilSt und der endgültigen Aufstellung der Bilanz ein Gewinnverwendungsvorschlag gefasst, so dürfte in Analogie zu dem Prinzip der wertaufhellenden Tatbestände Entsprechendes gelten. Gilt eine Ergebnisverwendung aus bilanzrechtlicher Sicht noch nicht als vollzogen, möchten jedoch die Organe, die für die Bilanzaufstellung verantwortlich sind, eine ihnen gesellschaftsvertraglich oder gesetzlich eingeräumte Ermächtigung bezüglich der Verwendung des Ergebnisses wahrnehmen, so dürfte das Ausweiswahlrecht dann eingeschränkt sein, wenn die ergriffenen Maßnahmen aufgrund dieser Ermächtigung nicht mehr bis zur Feststellung des JA rückgängig gemacht werden können.
Dies dürfte dann gegeben sein, wenn bspw. eine Rücklagendotierung gesetzlich vorgeschrieben (vgl. § 150 Abs. 2 AktG) oder gesellschaftsvertraglich zwingend vorzunehmen ist. Lediglich für den Fall, in dem die bilanzaufstellenden Organe ein ihnen zustehendes fakultatives Recht bezüglich der Ergebnisverwendung wahrnehmen möchten, dürfte von der uneingeschränkten Gültigkeit des in § 268 Abs. 1 kodifizierten Ausweiswahlrechts ausgegangen werden.
Nehmen die bilanzaufstellenden Organe das in § 268 Abs. 1 kodifizierte Wahlrecht wahr bzw. liegt ein Tatbestand der Wahlrechtseinschränkung vor, hat der Bilanzausweis entsprechend § 268 Abs. 1 Satz 2 zu erfolgen. Hierbei fällt zunächst auf, dass die in § 268 Abs. 1 Satz 2 geforderte Ausweistechnik lediglich auf den Fall der teilweisen Ergebnisverwendung abstellt; für den Fall einer vollständigen Ergebnisverwendung fehlt es an einer konkreten Ausweisvorschrift, so dass hier die oben wiedergegebene Zielsetzung zur Entscheidung hinsichtlich des Bilanzausweises heranzuziehen ist.
Es dürfte davon auszugehen sein, dass eine vollständige Ergebnisverwendung dann gegeben ist, wenn die bilanzierenden Organe infolge gesetzlicher Vorschriften oder aufgrund ihrer Ermächtigungen das gesamte Jahresergebnis als verwendet ansehen müssen oder in einer bestimmten Form verwendet sehen möchten. Das kann z. B. die Tilgung eines Verlustvortrags, die Dotierung von Rücklagen oder der Vortrag auf neue Rechnung sein. Auch wenn in § 268 Abs. 1 lediglich auf die Verwendung des Jahresergebnisses abgestellt wird, dürfte unter Beachtung der o. g. Zielsetzung davon auszugehen sein, dass Verwendungen eines Gewinnvortrags ebenfalls nach § 268 Abs. 1 bilanziell ausgewiesen werden können.
Soll eine Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Ergebnisverwendung aufgestellt werden, so wird die Zusammenfassung der Posten "Gewinn-/Verlustvortrag" und "Jahresüberschuss/-fehlbetrag" gefordert. Diese Zusammenfassung kann im Hinblick auf die Zielsetzung, der HV respektive Gesellschafterversammlung den noch zur Disposition stehenden Teil des Jahresergebnisses zu verdeutlichen, nur dahin gehend verstanden werden, da...