Prof. Dr. Christoph Hütten, Prof. Dr. Peter C. Lorson
Rn. 16
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Unter Beachtung der §§ 242, 246–249 sowie bei fakultativer Anwendung des § 274 ist eine individuelle Bilanzgliederung wie folgt zu entwickeln:
Übersicht: Entwicklung einer individuellen Bilanzgliederung
Die gezeigten und gemäß § 266 Abs. 2f. mit Buchstaben nummerierten Bilanzposten sind bei Wesentlichkeit hinreichend zu untergliedern (z. B. in Rückstellungen und Schulden), können aber auch bei Unwesentlichkeit zusammengefasst werden (z. B. ein unwesentlicher Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung mit dem AV). Auch dürfen die in freiwilliger Anwendung von § 274 gebildeten aktiven und passiven latenten Steuern gemäß § 274 Abs. 1 Satz 3 netto gezeigt werden.
Resümierend kann die oben abgeleitete Bilanz grds. für Kleinst-Nicht-KapG hinreichend untergliedert sein, wenn latente Steuern gemäß § 274 freiwillig gebildet werden, ein wesentlicher Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung vorliegt und die Schulden insgesamt unwesentlich sind.
Zusätzlich sind aber noch gemäß § 251 unter der Bilanz bestimmte Verbindlichkeiten ebenso wie Haftungsverhältnisse anzugeben, die keinen Niederschlag auf der Passivseite gefunden haben. Ein paralleler Vermerk von Rückgriffsforderungen ist zulässig, aber nicht geboten (vgl. WP-HB (2021), Rn. F 250).
Rn. 17
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Das gebotene Maß an Untergliederung ist in Abwägung unterschiedlicher Prinzipien und Zwecksetzungen der Normen zur Bilanz zu finden: die Bilanz ist ein Rechenschafts- und Informationsinstrument, das internen wie externen Adressaten einen Einblick in die Geschäftstätigkeit des UN gewähren soll. Um dieses auch für den Zeitvergleich zu gewährleisten, muss die Bilanz den GoB der Bilanzklarheit und Übersichtlichkeit (vgl. HdR-E, HGB § 243, Rn. 41ff.; HdR-E, Kap. 4, Rn. 1ff.; ADS (1998), § 243, Rn. 25ff.; Leffson (1987), S. 210ff.) sowie der Darstellungsstetigkeit in formaler und materieller Hinsicht genügen (vgl. HdR-E, HGB § 265, Rn. 6ff.). Einen Orientierungsrahmen i. S.e. Obergrenze bilden die Mindestgliederungsvorschriften für (mittel-)große und kleine KapG gemäß § 266. Daraus, dass der Gesetzgeber die für KapG und diesen gleichgestellten Gesellschaften geltenden Normen als grds. strenger ansieht als die Vorschriften für alle Kaufleute, lässt sich ableiten, dass eine Nicht-KapG grds. nicht verpflichtet ist, die Bilanz tiefer zu gliedern als eine kleine KapG (vgl. HdR-E, HGB § 247, Rn. 14). Das HGB verlangt weder in § 265 noch anderswo, dass kleine KapG ihre Bilanz tiefer zu gliedern haben, wenn einzelne Komponenten eines Postens wesentlich sind. Daher existiert eine solche Pflicht nach hier vertretener Ansicht auch nicht für Nicht-KapG, die weder haftungsbeschränkt sind, noch unter das PublG fallen.
Obgleich § 265 nicht Bestandteil der Normen für alle Kaufleute ist, gilt er (im Gegensatz zu § 266) überwiegend als Ausdruck der allg. GoB zur Gliederung und ist insoweit auch von UN zu beachten, die als Nicht-KapG gelten (vgl. auch WP-HB (2021), Rn. F 248). Ausnahmen bilden die in § 265 geforderten Anhangangaben sowie die Verpflichtung zur Angabe von VJ-Werten. Werden aber VJ-Werte freiwillig angeben, müssen gemäß § 265 Abs. 8 Leerposten im GJ nur dann gezeigt werden, wenn dieser Posten im VJ nicht leer war. Weiterhin sind ggf. Mitzugehörigkeitsvermerke anzubringen und es ist Branchenbesonderheiten Beachtung zu schenken.
Jegliche tiefere Gliederung, die gesetzlich nicht explizit vorgeschrieben ist, kann wahlweise in der Bilanz, unter der Bilanz oder in einem freiwillig erstellten Anhang erfolgen. Die Grenze einer mit den GoB zu vereinbarenden weitergehenden – den Nutzen für die Selbstinformation des Kaufmanns steigernden – Untergliederung wird dann überschritten, wenn die Bilanz unübersichtlich wird.