Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
Rn. 107
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
§ 252 Abs. 1 Nr. 5 schreibt vor, dass "Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs [...] unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluß zu berücksichtigen" sind. Damit beinhaltet Nr. 5 zwei Teilaspekte: Die Periodisierung von Zahlungen statt einer Zahlungsrechnung (Periodisierungsprinzip im eigentlichen Sinne) und die Zahlungsabhängigkeit der Aufwendungen und Erträge (pagatorisches Prinzip) (vgl. ähnlich z. B. Bonner HGB-Komm. (2011), § 252, Rn. 221; MünchKomm. HGB (2020), § 252, Rn. 81).
Rn. 108
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
In Art. 6 der Bilanz-R findet sich der ursprüngliche Art. 31 Abs. 1 lit. d) der 4. EG-R nur in Teilen wieder. Art. 6 Abs. 1 lit. d) führt das Periodisierungsprinzip auf, ohne allerdings auf die Zahlungsabhängigkeit der Aufwendungen und Erträge, also auf das pagatorische Prinzip, zu verweisen. Dafür ist (auch) im Hinblick auf die GuV in lit. h) der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aufgenommen worden. Aus dieser Stärkung des Periodisierungsprinzips kann geschlossen werden, dass Zahlungszeitpunkte für die Realisation und Erfassung von Aufwendungen und Erträgen nicht maßgeblich sein können. Ob dadurch aber auch einer strikten Pagatorik das Wort geredet wird, ist fraglich. Gerade in der internationalen RL-Praxis existieren Ausnahmen von der Pagatorik (und oft damit einhergehend, vom Kongruenzprinzip, z. B. bei GuV-wirksamen Abschreibungen GuV-neutral gebuchter Neubewertungen ohne Recycling nach IAS 16 und IAS 38; vgl. dazu Pellens et al. (2021), S. 558). Allerdings hat der Gesetzgeber den § 252 Abs. 1 Nr. 5 unverändert beibehalten und hält an dem Grundsatz der Pagatorik weiterhin fest. In § 252 erscheint der Grundsatz der zahlungsunabhängigen Periodenzuordnung zudem unter der falschen Überschrift, denn offenkundig handelt es sich gerade bei der Periodisierung nicht um eine allg. Bewertungsvorschrift, sondern vielmehr um das Kerncharakteristikum der RL (Ansatz und Bewertung betreffend) schlechthin sowie eine grundlegende Anforderung an den Kaufmann (vgl. z. B. NWB HGB-Komm. (2021), § 252, Rn. 205). Dies ist in Art. 6 der Bilanz-R mit der Überschrift "Allgemeine Grundsätze für die Rechnungslegung" in Abkehr von Art. 31 der 4. EG-R (und auch § 252) treffender bezeichnet.
Rn. 109
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Mit dem Prinzip der Periodisierung und der Pagatorik hat der Gesetzgeber wesentliche Elemente der GoB kodifiziert. Aufwendungen bzw. Erträge sind die in Geld bewerteten Wertverzehre bzw. Wertzugänge einer Periode (vgl. Wöhe (1997), S. 21, 23; Hummel/Männel (1986), S. 69, 79). Sie vermindern bzw. erhöhen das EK (= Rein- oder Nettovermögen = Saldo aus Vermögen und Schulden) eines UN (vgl. Wöhe (1997), S. 16; Eisele/Knobloch (2019), S. 846). Handelsrechtlich kennzeichnet eine nicht auf direkte Transaktionen mit den Eigentümern zurückzuführende, im Gesamtergebnis positive oder negative Änderung des Reinvermögens – und nicht des Zahlungsmittelbestands oder des Geldvermögens – den Periodenerfolg eines UN i. S.e. Gewinns oder Verlusts. Deshalb sind Aufwendungen und Erträge – nicht aber Auszahlungen oder Ausgaben bzw. Einzahlungen oder Einnahmen – als spezifische Komponenten der periodenbezogenen handelsrechtlichen Erfolgsrechnung, also der GuV, anzusehen (vgl. Hummel/Männel (1986), S. 65, 78; HB-RP (1995), § 252 HGB, Rn. 37). Die in § 252 Abs. 1 Nr. 5 gebotene Erfassung der Aufwendungen und Erträge dient somit einer von zahlungsbasierten Vorgängen losgelösten periodengerechten Erfolgsermittlung, die dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise folgt.
Rn. 110
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Das ebenfalls in § 252 Abs. 1 Nr. 5 kodifizierte Prinzip der Pagatorik ergänzt das Periodisierungsprinzip. Letzteres fordert die von Zahlungen losgelöste Periodisierung. Ersteres schreibt indes eine grundsätzliche Zahlungsorientierung fest, unabhängig davon, dass die periodische Zuordnung von Zahlungen einerseits und von Aufwendungen und Erträgen andererseits auseinanderfallen kann. So baut die handelsrechtliche RL als pagatorische Rechnung grds. auf Zahlungsvorgängen auf, die sich insbesondere von kalkulatorischen Größen distanziert und die gewährleistet, dass das Gesamtergebnis der RL in der Totalperiode der Summe aller Zahlungsüberschüsse entspricht (vgl. dazu grundlegend Kosiol (1976), S. 113ff.). Aufwendungen und Erträge sind damit immer pagatorisch abgesichert, d. h. ihnen liegen Zahlungsvorgänge zugrunde, die allerdings nicht in derselben Periode liegen müssen.