Rn. 60
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Die Prüfung einer nicht unwesentlichen Unterbewertung kann unter drei Gesichtspunkten erfolgen:
(1) |
Zum einen müssen VG (Aktivposten) überhaupt (zutreffend) erfasst sein (Fehlen von VG). |
(2) |
Zum anderen muss eine mengenmäßig zutreffende Erfassung (bei Aktiv- wie auch Passivposten) vorliegen. |
(3) |
Schließlich muss eine zutreffende Bewertung der Aktiv- und Passivposten bzw. der zu prüfenden VG erfolgt sein. |
Rn. 61
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I.R.d. Prüfungsaspekte (1) und (2) sind insbesondere die Inventurunterlagen – ggf. ergänzt durch eigene Wahrnehmung – zu prüfen (vgl. zum Inventar und zur Inventur BeckOK-HGB (2021), § 240, Rn. 6ff.). Bestehen besondere Abreden zu einzelnen VG (z. B. Sicherheiten, Verträge) oder fallen aus anderen Gründen rechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinander, so ist dies ebenfalls ein i. R.d. Sonderprüfung gemäß § 259 Abs. 2 Nr. 1 AktG wesentlicher Aspekt (Beachtung der Grundsätze der wirtschaftlichen Zugehörigkeit; vgl. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 65; zum wirtschaftlichen Eigentum allg. HdR-E, Kap 6, Rn. 15). Bei Sachverhalten im Übergangsbereich von zwei GJ ist auf periodengerechte Zuordnung (vgl. dazu BeckOK-HGB (2021), § 252, Rn. 21, 107; HdR-E, HGB § 252, Rn. 33) zu achten. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Prüfung von RAP (vgl. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 65). Zu prüfen ist schließlich die ordnungsgemäße Abgrenzung schwebender Geschäfte (vgl. dazu BeckOK-HGB (2021), § 249, Rn. 103ff.).
Rn. 62
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Eine unzulässige Unterbewertung kann vorliegen, wenn für einen Aktivposten bei fehlendem Bilanzierungswahlrecht kein Wert angesetzt wurde oder die Voraussetzungen für die Bilanzierung eines Passivpostens nicht gegeben sind. Dies kann speziell bei Rückstellungen der Fall sein, z. B. wenn der Grund für die Rückstellungsbildung entfallen ist (vgl. Kupsch, WPg 1989, S. 517 (519)) oder Rückstellungen gebildet wurden, die keine Grundlage in § 249 haben (vgl. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 65).
Rn. 63
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Zum Prüfungsaspekt (3) ist schließlich zu untersuchen, ob Aktivposten mit einem niedrigeren Betrag als nach §§ 253–256a zulässig erfasst sind. Gleiches gilt bei Passivposten im Fall einer höheren Bewertung, die über die nach den genannten Bewertungsvorschriften zulässigen Obergrenzen hinausgeht.
Rn. 64
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Unterbewertungen können sich aufgrund folgender Sachverhalte ergeben:
- unvollständige Erfassung von AK bzw. Anschaffungsnebenkosten (vgl. § 255 Abs. 1);
- Verkürzung der HK (vgl. § 255 Abs. 2f.); insbesondere ist auf die Einbeziehung aller aktivierungspflichtigen Kosten zu achten (vgl. § 255 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 2a);
- Nichtbeachtung von anerkannten Kostenverteilungsprinzipien bei der Kostenzurechnung zwecks Ermittlung der HK-Untergrenze (vgl. BeckOK-HGB (2021), § 255 Rn. 40; HdR-E, HGB § 255, Rn. 154ff.);
- überholte Abschreibung durch zu kurze ND-Schätzungen oder unzulässige Abschreibungsmethoden (vgl. § 253 Abs. 3 Satz 1f.); Nichtbestehen der Voraussetzungen für eine außerplanmäßige Abschreibung (vgl. § 253 Abs. 3 Satz 5f., Abs. 4);
- Missachtung der Voraussetzungen für die Anwendung von Bewertungsvereinfachungsvorschriften (vgl. §§ 256, 240 Abs. 3f.);
- Bewertung von Verbindlichkeiten mit einem höheren als dem Rückzahlungsbetrag;
Rn. 65
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Eine Unterbewertung kann auch vorliegen, wenn die vom Sonderprüfer vorgefundene Bewertung von Bilanzposten und VG zwar in den Grenzen der §§ 253ff. liegt, aber ein Verstoß gegen das Prinzip der Bewertungsstetigkeit (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 6) vorliegt (vgl. Kupsch, WPg 1989, S. 517 (520)). Zwar wird hiergegen eingewendet, dass § 258 Abs. Nr. 1 AktG über § 256 Abs. 5 Satz 3 AktG nur auf die Bewertungsvorschriften der §§ 253ff. verweist und deshalb der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit nicht zu beachten sei (vgl. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 66; MünchKomm. AktG (2021) § 258, Rn. 31). Diese ausschließlich am Wortlaut der einschlägigen Vorschriften orientierte Betrachtung verkennt aber, dass die allg. Bewertungsgrundsätze in § 252 die Grundlage für eine Konkretisierung der in den Einzelvorschriften enthaltenen Wertkategorien sind (vgl. ebenso KK-AktG (2017), § 258, Rn. 25; Kupsch, WPg 1989, S. 517 (520)). Ferner liefe eine die Grundsätze des § 252 ausklammernde Auslegung des Unterbewertungsbegriffs darauf hinaus, dass Verstöße des Vorstands gegen Bewertungsgrundsätze nur eingeschränkt sanktioniert wären und die Verwendungskompetenz der HV hinsichtlich des Jahresüberschusses nur teilweise wieder hergestellt wird. Auch die Informationsfunktion des JA wäre bei einer – wie oben dargestellten – eingeschränkten Betrachtungsweise nur sehr unvollständig gegeben (vgl. Kupsch, WPg 1989, S. 517 (520)). Daher spricht jedenfalls eine teleologische Auslegung des § 258 Abs. 1 Nr. 1 AktG dafür, i. R.d. Unterbewertung auch auf die Beachtung der Grundsätze des § 252 abzustellen. Eine Unterbewertung liegt folglich auch dann vor, wenn die vorgefundene Bew...