Rn. 100
Stand: EL 25 – ET: 05/2017
Gemäß § 147 Abs. 3 Satz 3 AO kann die Aufbewahrungsfrist in ihrem Ablauf gehemmt werden. Danach läuft die Aufbewahrungsfrist nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die fünf- bzw. zehnjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO gilt insoweit nicht; es bleibt bei der ein- bzw. vierjährigen Festsetzungsfrist i. S. d. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO. Diese Hemmung ist sehr bedeutsam, da die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO erst mit Abgabe der Steuererklärung beginnt oder die Festsetzungsfrist ihrerseits gemäß § 171 AO gehemmt ist. Dann kann die steuerrechtliche Aufbewahrungsfrist gegenüber der handelsrechtlichen sehr viel länger sein (vgl. Drüen 2015, § 147 AO, Rn. 54).
Rn. 101
Stand: EL 25 – ET: 05/2017
Durch diese Regelung soll das unerwünschte Ergebnis vermieden werden, dass die Aufbewahrungsfrist verstreicht, bevor die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Für die Praxis hat dies jedoch die Konsequenz, dass der Kaufmann für jede Unterlage getrennt sorgfältig zu prüfen hat, ob sie noch für eine Steuerfestsetzung von Relevanz ist. Dies bedeutet, dass im Steuerrecht aus "absoluten", d. h. festgelegten und schnell errechenbaren Fristen, auf die sich das UN verlassen kann, "relative" Fristen geworden sind. Inwieweit dies mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, der Grenze für die Anforderungen an einen Kaufmann, in Einklang zu bringen ist, erscheint höchst fraglich. Zudem stehen "absoluten" Fristen im Handelsrecht "relative" Fristen im Steuerrecht gegenüber (vgl. Hintzen, L. 1977, S. 342). Dies führte in praxi zu einigen Schwierigkeiten. Der BdF hat deshalb als Erleichterung (vgl. HdR-E, HGB § 257, Rn. 94) bestimmt, dass die Finanzverwaltung nach Ablauf der Frist aus § 147 Abs. 3 Satz 1 AO, unabhängig vom Lauf der Festsetzungsfristen, auf eine Aufbewahrung von Unterlagen nur bestehen kann, wenn und soweit die Unterlagen bedeutsam sind
- für eine begonnene Außenprüfung (hat die Prüfung vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht begonnen, können die Unterlagen nach Ablauf der Frist vernichtet werden);
- für eine vorläufige Steuerfestsetzung i. S. d. § 165 AO;
- für anhängige steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen;
- für ein schwebendes oder aufgrund einer Außenprüfung zu erwartendes Rechtsbehelfsverfahren;
- zur Begründung von Anträgen des Steuerpflichtigen (vgl. BdF 1977a, S. 487).