a) Überblick
Rn. 26
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Nachdem das AktG 1965 den Ansatz antizipativer RAP nicht zuließ, erlaubte § 250 Abs. 1 Satz 2 HGB 1985 dies gleichwohl für zwei bestimmte Fallkonstellationen, und zwar
(1) |
für als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlußstichtag auszuweisende VG des Vorratsvermögens entfielen, sowie |
(2) |
für als Aufwand berücksichtigte USt auf am Abschlußstichtag auszuweisende oder von den Vorräten offen abgesetzte Anzahlungen. |
Der Gesetzgeber hatte also insoweit nicht von der in den Art. 18 und 21 der 4. EG-R generell vorgesehenen Möglichkeit, antizipative Posten in die Rechnungsabgrenzung einzubeziehen, Gebrauch gemacht, sondern sie ausschließlich auf die beiden vorstehenden – jeweils als Ansatzwahlrechte ausgestaltete – Ausnahmefälle begrenzt (vgl. HdR-E, HGB § 250, Rn. 31f.).
Rn. 27
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Eine korrespondierende Vorschrift fand sich früher lediglich im EStG, dort allerdings – kontrastierend zum Handelsrecht – jeweils in Form einer Aktivierungspflicht (vgl. § 5 Abs. 5 Satz 2 EStG (a. F.); nunmehr: § 5 Abs. 5 Satz 3 EStG). I.S.d. Einheitlichkeit von HB und StB hatte der Gesetzgeber diese Regelung auch in das Bilanzrecht übernommen, indes mit der Maßgabe, dass in der HB Anzahlungen auf Vorräte auch von den Vorräten offen abgesetzt werden können (vgl. § 268 Abs. 5 Satz 2).
b) Bilanzposten eigener Art
Rn. 28
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Mit § 250 Abs. 1 Satz 2 HGB 1985 wurden zwei neue Posten der Rechnungsabgrenzung in die handelsrechtliche Bilanzierung aufgenommen:
„Ferner dürfen ausgewiesen werden
(1) |
als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlußstichtag auszuweisende Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens entfallen, |
(2) |
als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlußstichtag auszuweisende oder von den Vorräten offen abgesetzte Anzahlungen.” |
Es ist offensichtlich, dass es sich hierbei nicht um transitorische Posten i. e. S. handelt, da nicht alle der entsprechenden Voraussetzungen (vgl. HdR-E, HGB § 250, Rn. 62ff.) als erfüllt zu betrachten sind. So liegt z. B. kein Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag vor. Ausweislich der RegB handelt es sich vielmehr richtigerweise "um sog. antizipative Posten, weil es sich in beiden Fällen um Vorleistungen des Unternehmens handelt, die gegenüber dem Abnehmer erst später im Sinne von Artikel 18 der Vierten Richtlinie fällig werden" (BT-Drs. 9/1878, S. 82). Derartige Posten zeichnen sich i. d. R. dadurch aus, dass sie den "Charakter echter Forderungen oder ähnlicher Ansprüche sowie entsprechender Verpflichtungen [aufweisen, d.Verf.], die nur noch nicht fällig sind" (ADS (1968), § 152 AktG, Rn. 176), weshalb sie dann – entsprechend des vom Gesetzgeber selbst vorgegebenen Bilanzierungsgrundsatzes – auch als solche auszuweisen sind bzw. wären (vgl. BT-Drs. 9/1878, S. 82). Als VG sind Zölle, Verbrauchsteuern ebenso wie die USt auf Anzahlungen aber auch nicht zu klassifizieren, zumal es ihnen an der selbständigen Verkehrsfähigkeit mangelt, so dass sie stattdessen als Abgrenzungs- oder auch Bilanzposten sui generis zu bezeichnen sind (vgl. Federmann, DB 1977, S. 1149 (1151); Niermeyer, BBK 1987, S. 3073 (3078)).
Rn. 29
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Die durch den Gesetzgeber vorgegebene Einordnung unter die – dort vorzugsweise gesondert auszuweisenden – RAP war, obgleich es sich nicht um RAP im Sinne ihrer Definition handelte, unter dem Gesichtspunkt der klaren und übersichtlichen Bilanzgliederung gleichwohl zu begrüßen, um den "Kreis der aktiven Bilanzposten nicht über Vermögensgegenstände, Rechnungsabgrenzungsposten und Bilanzierungshilfen hinaus auszudehnen" (Dziadkowski, DStR 1987, S. 292).
c) Annäherung der handels- an die steuerrechtlichen Vorschriften
Rn. 30
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Der Gesetzgeber begründete die in § 250 Abs. 1 Satz 2 HGB 1985 aufgenommenen Regelungen wie folgt: "Den Kaufleuten soll die Aktivierung der entsprechenden Aufwendungen auch in der Handelsbilanz ermöglicht werden, ohne sie hierzu zu verpflichten" (BT-Drs. 10/4268, S. 99). Diese Vorschrift diente folglich dem Zweck, eine Einheitlichkeit von HB und StB herbeizuführen, d. h., den "Bilanzierenden eine einheitliche Handhabung in Handels- und Steuerbilanz zu ermöglichen" (Treuarbeit (1986), S. 18). Als Begründung wurde zudem angeführt, dass es sich bei den steuerrechtlichen Vorschriften in § 5 Abs. 5 EStG eigentlich um Vorschriften handelsrechtlicher Art handele.
Rn. 31
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Eine völlige Identität der handels- und steuerrechtlichen Vorschriften wurde seitens des Gesetzgebers indes nicht hergestellt (vgl. auch Bonner-HdR (2020), § 250 HGB, Rn. 36ff.; H/H/R (2021), § 5 EStG, Rn. 2280ff.). Es bestanden vielmehr nachstehende Unterschiede:
(1) |
Handelsrechtlich existierte ein Aktivierungswahlrecht, steuerrechtlich – ebenso wie auch (noch) nach derzeit geltendem Rechtsstand – dagegen ein Aktivierungsgebot. |
(2) |
Des Weiteren wurde handelsrechtlich berücksichtigt, dass die USt auf Anzahlungen auch im Vorratsvermögen enthalten sein kann, weil eben handels... |