Prof. Dr. Gerrit Brösel, Prof. Dr. Michael Olbrich
a) Bewertung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen
Rn. 297
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
RHB werden zum Zweck des Verbauchs oder der Be- und Verarbeitung von Dritten erworben. Im Regelfall ergibt sich ihr beizulegender Wert zum BilSt aus den vom Beschaffungsmarkt abgeleiteten (d. h. inkl. angemessener Anschaffungsnebenkosten und AK-Minderungen) Wiederbeschaffungskosten (vgl. auch Haufe HGB-Komm. (2019), § 253, Rn. 288). Ggf. können als beizulegender Wert aber auch Wiederherstellungskosten infrage kommen, wenn es sich um fremdbezogene Halbfabrikate handelt, die beim Erwerber als Rohstoffe auszuweisen sind und zudem parallel selbst hergestellt werden.
Eine solche beschaffungsmarktorientierte Bewertung ist nach den Grundsätzen der (absatzmarktorientierten) verlustfreien Bewertung indes nicht erforderlich, wenn der betreffende Posten nach Weiterverarbeitung mindestens kostendeckend veräußert werden kann (vgl. IDW, FN-IDW 2013, S. 500). Ausschlaggebend ist der verlässliche Nachweis einer kostendeckenden Veräußerung des mit diesem VG noch zu erstellenden Fertigerzeugnisses. An diesen Nachweis sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. auch HdR-E, HGB § 253, Rn. 293ff.).
Existieren bei einem UN Überbestände an RHB, die nicht mehr betrieblich verwendet werden können, stellen die am Absatzmarkt erzielbaren Preise die Ausgangsgröße zur Ermittlung des relevanten Wertmaßstabs dar (vorsichtig geschätzer Veräußerungserlös abzgl. zu erwartender Veräußerungskosten (vgl. Haufe HGB-Komm. (2019), § 253, Rn. 290)).
Rn. 298
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
In der Praxis findet für RHB häufig ein vereinfachter Niederstwerttest Anwendung. Dem Inventurwert der RHB wird der Einkaufspreis des letzten Zugangs gegenübergestellt. Eine Abwertung erfolgt, wenn der Einkaufspreis den Inventurwert unterschreitet. Bei dieser Vorgehensweise wird vereinfachend angenommen, dass der letzte Einkaufspreis eine angemessene Näherungsgröße zur Bestimmung des beizulegenden Werts zum jeweiligen BilSt darstellt.
Diese Vereinfachungslösung ist jedoch nicht anwendbar, wenn der letzte Zukauf eine zu lange Zeit zurückliegt oder in dem Zeitraum zwischen Zukauf und BilSt ein Preisverfall stattgefunden hat. In diesen Fällen würde die Anwendung des vereinfachten Niederstwerttests zu einer unzulässigen Verletzung des Stichtagsprinzips führen. Zudem ist die Anwendung dieses Verfahrens nicht erlaubt, wenn die Beschaffung der RHB bei einem anderen Lieferanten zu günstigeren Konditionen möglich gewesen wäre, aber aus produktionsbedingten oder strategischen Gründen unterblieben ist (vgl. auch Haufe HGB-Komm. (2019), § 253, Rn. 289).
Rn. 299
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Ist die Verwendungsfähigkeit der RHB durch Überalterung, Beschädigung oder andere Mängel eingeschränkt, können die Wiederbeschaffungskosten nicht in voller Höhe als beizulegender Wert zugrunde gelegt werden. In diesem Fall ist bei der Ermittlung des beizulegenden Werts ein angemessener Abschlag von den Wiederbeschaffungskosten vorzunehmen. Je größer die Vielfalt der eingelagerten RHB ist, desto arbeitsaufwendiger ist die Ermittlung von Einzelabschlägen. Es entspricht kaufmännischer Übung und den GoB, dass pauschale Abschläge erfolgen. Diese Vorgehensweise stellt keinen Verstoß gegen den Einzelbewertungsgrundsatz dar, da es sich um einen "pauschal ermittelten Einzelabschreibungsbedarf" (Bonner-HdR (2014), § 253 HGB, Rn. 404) handelt.
Die in der Praxis angewendeten Verfahren orientieren sich i. d. R. an der Gängigkeit der RHB, die ihrerseits an der Umschlagshäufigkeit gemessen wird. Die RHB werden in Gängigkeitsklassen eingeteilt, um darauf basierend die jeweiligen Gängigkeitsabschläge zu ermitteln. Der von den AK vorzunehmende Pauschalabschlag erhöht sich mit sinkender Umschlagshäufigkeit. Zur Quantifizierung der Umschlagshäufigkeit haben sich drei Verfahren etabliert: das Abgangsverfahren, das Zugangsverfahren und das Reichweitenverfahren.
Rn. 300
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Beim Abgangsverfahren wird die beschränkte Gängigkeit von VG an den Zeitpunkt des letzten Abgangs geknüpft. Sofern im GJ kein (signifikanter) Abgang stattgefunden hat, wird von einer nur beschränkten Verwertbarkeit ausgegangen. Die Höhe der notwendigen Abschläge richtet sich nach den letzten Abgängen und wird i. d. R. gestaffelt (vgl. Hild, DB 1972, S. 881).
Bei diesem Verfahren werden weder die im GJ erfolgten Zugänge noch die relative Höhe der Abgänge berücksichtigt. Die Vernachlässigung der relativen Höhe der Abgänge kann dazu führen, dass auch bei einer relativ geringen Umschlagshäufigkeit eine volle Verwertbarkeit der VG unterstellt wird. Als Bezugsmaßstab zur Ermittlung der relativen Abgänge kommt bspw. der Stichtagsbestand infrage (vgl. Bonner-HdR (2014), § 253 HGB, Rn. 405).
Rn. 301
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Beim Zugangsverfahren wird im Gegensatz zum Abgangsverfahren der Zeitpunkt des letzten Zugangs als Grundlage zur Bestimmung einer Gängigkeitsabschreibung herangezogen. Dieser Vorgehensweise liegt die Annahme zugrunde, dass fehlende Zugänge eine sinkende Nachfrage am Markt und damit entsprechende Wertve...