Rn. 53

Stand: EL 14 – ET: 02/2012

Findet die Vorschrift des § 29 Abs. 2 GmbHG mangels abweichender statutarischer Regelung auf die Gesellschaft unbeschränkte Anwendung (bei Altgesellschaften nur nach ausdrücklicher Einbeziehung in den Gesellschaftsvertrag, vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 64), hängt der Anspruch des einzelnen Gesellschafters auf Gewinn völlig vom Willen der Mehrheit der Gesellschafter ab. Die Gesellschaftermehrheit kann – gegen den erklärten Wunsch der Gesellschafterminderheit – sogar ganz von der Verteilung eines ausgewiesenen Jahresüberschusses absehen und diesen in der Gesellschaft belassen.

 

Rn. 54

Stand: EL 14 – ET: 02/2012

Die ›Mehrheitsherrschaft‹ hinsichtlich der Verwendung des Ergebnisses ist nicht völlig schrankenlos und inhaltlich ungebunden (vgl. Müller 2006, § 29 GmbHG, Rn. 62 ff. für den Fall einer gleichlautenden Satzungsbestimmung sowie Hueck 1996, § 29 GmbHG, Rn. 29 zum Minderheitenschutz). Sie unterliegt vielmehr den allgemeinen mitgliedschaftlichen Grundsätzen des Ges.recht über die Grenzen der Stimmrechtsmacht (vgl. grundlegend Zöllner, W. 1963). Zwar hat die Mehrheit der Gesellschafter bei ihrer Entscheidung nach den §§ 29 Abs. 2 und 47 Abs. 1 GmbHG grds. einen weiten Ermessensspielraum. Dieser ist allerdings durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (vgl. Hueck 1996, § 13 GmbHG, Rn. 21 ff. m. w. N.) und die darauf beruhende Bindung an das Gesellschaftsinteresse sowie die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit begrenzt. Eine Gewinnverwendung für satzungsfremde Zwecke (z. B. Abführung des Gewinns an einen gemeinnützigen Verein oder entsprechende Satzungsbestimmung) ist danach rechtswidrig und führt zur Anfechtbarkeit des Mehrheitsbeschlusses.

Ein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht muss auch dann angenommen werden, wenn z. B. der gesamte Jahresgewinn dazu benutzt wird, um auf einen Schlag eine Rückstellung für eine rückwirkend eingegangene Pensionsverpflichtung zugunsten des Gesellschafter-Gf zu bilden (vgl. BGH-Urt. v. 14.02.1974, DB 1974, S. 716; weitere Fallgestaltungen siehe bei Liebs, R. 1986, S. 2421 ff.). Die Mehrheit muss auf die Interessen der Minderheit Rücksicht nehmen. Sie ist – vorbehaltlich abweichenden Satzungsrechts – darüber hinaus grds. an den Gleichbehandlungsgrundsatz (Willkürverbot) gebunden und darf daher einzelne Gesellschafter nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund benachteiligen (vgl. Emmerich 2006, § 29 GmbHG, Rn. 31; zum Gleichbehandlungsgrundsatz allgemein vgl. Hueck 1996, § 13 GmbHG, Rn. 35 ff. m. w. N.).

 

Rn. 55

Stand: EL 14 – ET: 02/2012

Neben diesen allgemeinen Grundsätzen werden in der Literatur im Hinblick auf die Gewinnverwendung i. R. d. § 29 GmbHG außerdem gewisse äußerste Schranken des Mehrheitsrechts zur Rücklagenbildung erörtert, ohne dass es bisher gelungen wäre, hierfür praktikable Maßstäbe zu entwickeln (vgl. Emmerich 2006, § 29 GmbHG, Rn. 124; Müller 2006, § 29 GmbHG, Rn. 62 f. m. w. N.). Hier ist die Entscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung, das in § 42h GmbHG-E (vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 47) vorgeschlagene Recht, bei wirtschaftlich nicht notwendiger Rücklagenbildung im Wege der Anfechtungsklage eine Mindestdividende von 4 % der eingezahlten Einlage durchzusetzen, nicht in das Gesetz mit aufzunehmen. Deswegen ist es unzulässig, auf Umwegen über eine entsprechende Anwendung des § 254 AktG diese Mindestdividendenpflicht doch einzuführen (vgl. auch Meyer-Landrut 1987, § 29 GmbHG, Rn. 5). Eine Gewinnthesaurierung wird deshalb in aller Regel nicht zu beanstanden sein, wenn sie ›bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung‹ notwendig ist, um die ›Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft‹ für die Zukunft zu sichern. Eine über diese allgemeinen Grundsätze hinausgehende Regelung stellt Hommelhoff (P. 1986, S. 418 ff.) zur Diskussion, der die Thesaurierung bis zu einem bestimmten Sockelbetrag (60 %) unangreifbar machen und darüber hinausgehende Gewinnthesaurierungen einer erhöhten Begründungspflicht durch die Gf unterwerfen will. Bei einer beabsichtigten Gewinnthesaurierung von mehr als 60 % des Jahresüberschusses führt dieser Vorschlag im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr zulasten der Gesellschaftermehrheit. Als Folge könnten die Minderheitsgesellschafter dann im Regelfall davon ausgehen, dass mindestens 40 % des Jahresergebnisses zur Ausschüttung bereitstehen würden (so auch Hommelhoff, P. 1986, S. 433). Die dadurch sich ergebende Nähe zu einer Mindestdividendengarantie (die im Normalfall die Mindestgrenze des § 254 AktG bei weitem übersteigen würde) lässt jedoch angesichts der eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers erhebliche Bedenken an einer solchen Regelung aufkommen.

Der Minderheitenschutz wird sich deshalb auch in Zukunft an der allgemeinen Treuepflicht der Gesellschafter auszurichten haben, und ein hiergegen erfolgter Verstoß wird von den Minderheitsgesellschaftern in jedem konkreten Einzelfall nachzuweisen sein.

 

Rn. 56

Stand: EL 14 – ET: 02/2012

Die gegen einen Beschluss nach Abs. ...

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