Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
a) Überblick
Rn. 104
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Neben den in den §§ 319 Abs. 2 bis Abs. 5 und 319b genannten Ausschlussgründen können weitere Gründe die nachträgliche Abberufung eines AP rechtfertigen, und zwar:
(1) |
Gefahr einer mangelnden Qualifikation des Prüfers, |
(2) |
Gefahr einer mangelnden personellen und sachlichen Ausstattung des Prüfers, |
(3) |
anhängige oder abgeschlossene berufsrechtliche Verfahren gegen den Prüfer, |
(4) |
fehlende Billigung von erbrachten, nicht verbotenen Nichtprüfungsleistungen, sowie |
(5) |
ein Verstoß gegen die Regelungen des Art. 16 der AP-VO zur Bestellung des AP bei PIE und des Art. 17 der AP-VO zur Laufzeit des Prüfungsmandats bei PIE. |
Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten zwischen Gesellschaftsorganen und AP sind i. d. R. kein akzeptabler Grund, den Prüfungsauftrag zu widerrufen (vgl. Staub: HGB (2023), § 318, Rn. 86).
b) Gefahr mangelnder Qualifikation des Prüfers
Rn. 105
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Wird der Antrag mit einer "mangelnden Qualifikation" einer bestimmten Person begründet, ist der Richter kaum in der Lage, diese Begründung zu akzeptieren, da die betreffende Person zum WP oder vBP bestellt worden ist, und zwar aufgrund einer strengen Berufszulassungsprüfung. Generell muss WP und vBP daher unterstellt werden, dass sie die Fähigkeit besitzen, Pflichtprüfungen durchzuführen (vgl. Staub: HGB (2023), § 318, Rn. 87). In bestimmten Ausnahmefällen kann ein Antrag mit der Begründung einer mangelnden Qualifikation gegen die Bestellung des AP allerdings berechtigt sein, und zwar, wenn erst nach der Wahl der betreffenden Person zum AP des UN festgestellt wird, dass dem AP besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einer Branche, z. B. im Bank- oder Versicherungsgewerbe fehlen, um eine sachgerechte Prüfung durchführen zu können.
Rn. 106
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Fehlende Kenntnisse und Erfahrungen können auch zum Antrag auf gerichtliche Ersetzung des AP führen, wenn diesem hinsichtlich der eingesetzten EDV die notwendigen technischen Kenntnisse und Prüfungserfahrungen fehlen, um eine derartige Prüfung vorzunehmen. Akzeptabel erscheint auch der Antrag auf Ersetzung eines KA-Prüfers mit der Begründung einer mangelnden Qualifikation, wenn die Prüfung von ausländischen TU umfangreiche Kenntnisse der Landesgesetze erfordert und der Prüfer diese Kenntnisse nicht besitzt. In diesem Fall kann es gerechtfertigt sein, dass der Richter einen anderen, mit den Landesgesetzen vertrauten Prüfer mit der KA-Prüfung betraut.
c) Gefahr einer mangelnden personellen und sachlichen Ausstattung des Prüfers
Rn. 107
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das Argument einer mangelnden personellen und sachlichen Ausstattung für eine gerichtliche Abberufung des AP ist dann nicht zu rechtfertigen, wenn das Prüfungs-UN weitere Prüfer verpflichten kann und will, so dass der Einwand behoben wäre (vgl. Bonner HGB-Komm. (2022), § 318, Rn. 139). Als Abberufungsgrund kann eine mangelnde Ausstattung allerdings dann angesehen werden, wenn der Prüfer aus Kapazitätsgründen bei der Prüfung des betreffenden UN wesentlich weniger Prüfungsgehilfen als vorgesehen bzw. als nötig einsetzen will (vgl. Bonner HGB-Komm. (2022), § 318, Rn. 139) und eine Ausdehnung des Personaleinsatzes mit Hinweis auf andere Aufträge verweigert (vgl. so auch ADS (2000), § 318, Rn. 203).
d) Anhängige oder abgeschlossene berufsrechtliche Verfahren
Rn. 108
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Berufsgerichtliche Verfahren, die zu einer schweren Bestrafung des WP führten, ohne dass ein Berufsausschluss erfolgte, können ein Antragsgrund sein, soweit ernsthaft zu erwarten ist, dass die berufsgerichtliche Bestrafung in Zusammenhang mit anderen Gründen zu einer Beeinträchtigung der AP führt. Dies könnte z. B. auch der Fall sein, wenn ein berufsgerichtliches Verfahren wegen Verletzung des Verbots der Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 323 Abs. 1 Satz 2f. anhängig ist und das zu prüfende UN befürchtet, dass sich ein derartiger Fall zu seinen Lasten wiederholen könnte.
e) Fehlende Billigung von erbrachten, nicht verbotenen Nichtprüfungsleistungen
Rn. 108a
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Art. 5 Abs. 1f. der AP-VO verbietet bei PIE, bei MU eines PIE oder bei für die von betreffendem MU beherrschten UN bestimmte Nichtprüfungsleistungen durch den AP bzw. der WPG sowie jedem Mitglied des Netzwerks des AP. Darüber hinaus regelt Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1, dass andere als die verbotenen Nichtprüfungsleitungen nur erbracht werden dürfen, wenn diese durch den Prüfungsausschuss gebilligt wurden. Fehlt diese Billigung, liegt ein Grund vor, den AP gerichtlich ersetzen zu lassen. Gleiches gilt, wenn ein Mitglied des Netzwerks des AP für ein UN mit Sitz in einem Drittland, das von dem geprüften UN von öffentlichem Interesse beherrscht wird, Nichtprüfungsleistungen erbringt, ohne dass der AP begründen kann, dass die Erbringung dieser Leistungen weder seine sachliche Einschätzung noch den BV beeinträchtigt (vgl. Art. 5 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 2 der AP-VO).
f) Verstoß gegen die Regelungen des Art. 16 der AP-VO (EU) Nr. 537/2014 zur Bestellung des Abschlussprüfers bei PIE sowie des Art. 17 der AP-VO zur Laufzeit des Prüfungsmandats bei PIE
Rn. 108b
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Wird bei PIE gegen die Vorschriften zur Bestellung des AP nach Art. 16 der AP-VO (vgl. HdR-E, HGB § 318, Rn. 75b) oder gegen die Vorschriften zur Laufzeit des Prüfungsmandats nach Art. 17 der AP-VO (vgl. HdR-E, HGB § 318, Rn. 75i) verstoßen, muss nach § 318 Abs. 3 S...