Dipl.-Ök. Heinz-Hermann Hellen, Dr. Martin Vosseler
Rn. 122
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Ein Leasingverhältnis ist nach IFRS 16 als ein Vertrag definiert, bei dem das Recht auf Nutzung eines spezifizierten Vermögenswerts gegen Entgelt für einen bestimmten Zeitraum übertragen wird (vgl. IFRS 16.9). Im Einzelnen ist zu Vertragsbeginn anhand zweier kumulativ erforderlicher Bedingungen zu überprüfen, ob der zugrunde liegende Vertrag ein Leasingverhältnis darstellt oder beinhaltet:
(1) |
Die Erfüllung des Vertrags hängt von der Nutzung eines identifizierten Vermögenswerts ab und |
(2) |
das Recht zur Nutzung dieses Vermögenswerts geht auf den Vertragsnehmer während der Vertragsdauer über (vgl. IFRS 16.9). |
Rn. 123
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Ad (1): IFRS 16 geht grds. davon aus, dass der identifizierte Vermögenswert explizit im jeweiligen Vertrag spezifiziert wird. Er kann aber auch implizit (z. B. im Leasingvertrag ist nur der Pkw-Typ, nicht aber die Fahrgestellnummer vermerkt) über die tatsächliche Nutzung des konkreten Leasingobjekts identifiziert sein (vgl. IFRS 16.B12). Ein substanzieller Anteil an einem Vermögenswert – bspw. die Etage eines Bürokomplexes – erfüllt hierbei auch die Definition eines identifizierten Vermögenswerts (vgl. IFRS 16.B10). Kapazitätsmäßige Teile eines Vermögenswerts können dagegen nicht Gegenstand eines Leasingverhältnisses sein (vgl. IFRS 16.B20).
Besitzt der Leasinggeber während der Vertragslaufzeit das substanzielle Recht, den Vermögenswert beliebig zu substituieren, so liegt kein Leasingverhältnis vor (vgl. IFRS 16.B14). In solchen Fällen ist eher von einem Service- bzw. Dienstleistungsvertrag auszugehen. Ein solches substanzielles Recht ist gegeben, sofern es für den Austausch nicht der Zustimmung des Leasingnehmers bedarf und keine faktischen Hemmnisse in Form von ökonomischen oder operationellen Barrieren eine Substitution durch den Leasinggeber verhindern (vgl. IFRS 16.B14). In praxi ist ein derartiger Austausch v.a. bei Leasinggebern mit Herstellerhintergrund anzutreffen, da für Hersteller die Aufbereitung von Gebrauchtgegenständen und deren Verwertung und/oder Nutzungsüberlassung oftmals Teil des Geschäftsmodells sind. Hiervon abzugrenzen sind Sachverhalte, in denen ein Tausch infolge bestehender Mängel am Vermögenswert aufgrund des Vorliegens technischer Upgrades notwendig wird oder bei denen bereits zu Vertragsbeginn ein Tausch beim Eintritt gewisser Umstände vertraglich vereinbart wurde (vgl. IFRS 16.B15ff., mit weiteren Beispielen).
Rn. 124
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Ad (2): Das zweite Kriterium, das Recht zur Beherrschung des identifizierten Vermögenswerts, kann als gegeben angenommen werden, sofern der Leasingnehmer i.W. alle wirtschaftlichen Vorteile aus der Nutzung ziehen kann (vgl. IFRS 16.B21) und er das Recht besitzt, über die Nutzung des Vermögenswerts zu bestimmen, d. h. insbesondere andere von der Nutzung auszuschließen (vgl. IFRS 16.B24). Die wirtschaftlichen Vorteile aus der Nutzung des Vermögenswerts gehen auf den Leasingnehmer über, wenn dieser substanziell über die gesamten potenziellen wirtschaftlichen Vorteile des identifizierten Vermögenswerts verfügen kann, die neben den primären Nutzungspotenzialen (wie bspw. Gebrauch, Konsum bzw. der Möglichkeit, den Vermögenswert unterzuvermieten) auch aus Ertragspotenzialen möglicher entstehender Nebenprodukte resultieren können (vgl. IFRS 16.B21ff.). In Anlehnung an die Interpretation des IFRS 16.63(d), kann nach hier vertretener Auffassung in praxi davon ausgegangen werden, dass diese Bedingung erfüllt ist, wenn dem Leasingnehmer mindestens 90 % der gesamten Vorteile aus der Nutzung zustehen.
Das Recht zur Bestimmung über die Nutzung des Vermögenswerts orientiert sich an den signifikantesten, für die Ertragserzielung notwendigen Eigenschaften des Vermögenswerts, die anhand bestimmter Kriterien zu überprüfen sind (vgl. hierzu IFRS 16.B25ff.). Bei der Beurteilung sind etwaige formale Schutzrechte des Leasinggebers, die eine Nutzung einschränken, isoliert betrachtet, nicht zu berücksichtigen (vgl. IFRS 16.B30). Das alleinige Recht des Leasingnehmers, den Zeitpunkt und die Produktionsmenge zu bestimmen, ist nicht ausreichend, um ein Leasingverhältnis zu begründen (vgl. IFRS 16.B26). Kann der Leasingnehmer bereits vor Vertragsbeginn wesentliche Parameter des Vermögenswerts festlegen, so ist von einem Leasingverhältnis auszugehen (vgl. IFRS 16.B24(b)).