Dr. Alfred Simlacher, Dr. Stephan Vossel
Rn. 545
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Bei einem Formwechsel handelt es sich um einen identitätswahrenden Umwandlungsvorgang ohne Vermögensübergang (vgl. BFH, Urteil vom 19.10.2005, I R 38/04, BStBl. II 2006, S. 568; BFH, Urteil vom 03.02.2010, IV R 61/07, BStBl. II 2010, S. 942). Anlässlich eines Formwechsels sind keine handelsrechtlichen Bilanzen aufzustellen und lediglich die Buchwerte des formwechselnden Rechtsträgers fortzuführen (vgl. IDW RS HFA 41 (2012), Rn. 3, 5). Steuerlich wird hingegen bei einem heterogenen Formwechsel eine Vermögensübertragung fingiert. Für einen Formwechsel von einer KapG in eine PersG gelten die Vorschriften der Verschmelzung (vgl. § 9 Satz 1 UmwStG), verbunden mit der Verpflichtung zur Aufstellung von steuerlichen Übertragungs- und Übernahmebilanzen (vgl. § 9 Satz 2 UmwStG). Für einen Formwechsel von einer PersG in eine KapG finden die Vorschriften für die Einbringung in eine KapG (vgl. §§ 20 bis 23 UmwStG) Anwendung (vgl. § 25 Satz 1 UmwStG). Für beide Arten des heterogenen Formwechsels ist eine Rückbeziehung (vgl. §§ 9 Satz 2, 25 Satz 2 UmwStG) möglich.
Rn. 546
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Durch die verschmelzungs- und einbringungsbezogenen Ansatzwahlrechte einerseits sowie die Änderung des Besteuerungsregimes durch einen heterogenen Formwechsel andererseits können sich Auswirkungen auf die Bilanzierung von latenten Steuern ergeben. Zudem entfallen bei heterogenem – im Gegensatz zum homogenen – Formwechsel die vortragsfähigen Sachverhalte (vgl. Vossel (2012), S. 399). Findet § 274 vor und nach dem Formwechsel Anwendung, hat der formgewechselte Rechtsträger für die formwechselinduzierten Veränderungen der temporären Differenzen sowie des relevanten Steuerregimes die latenten Steuern erfolgswirksam anzupassen. Bspw. ist bei einem Formwechsel von einer KapG in eine PersG die latente KSt (inkl. SolZ) im folgenden JA aufzulösen (vgl. IDW RS HFA 41 (2012), Rn. 33). Eine Auflösung sämtlicher latenter Steuern des formwechselnden Rechtsträgers und eine nachträgliche vollständige Einbuchung von Steuerlatenzen des formgewechselten Rechtsträgers ist nicht erforderlich (vgl. Vossel (2012), S. 400). Maßgeblicher Zeitpunkt für den Wegfall vortragsfähiger Sachverhalte ist zwar die Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister (vgl. § 9 Satz 2 UmwStG) oder ein rückbezogener Stichtag (vgl. § 9 Satz 3 UmwStG). Diese Tatsache ist indes in zeitlich vorgelagerten handelsrechtlichen JA des formwechselnden Rechtsträgers zu berücksichtigen, wenn sich die für den Formwechsel erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen hinreichend konkretisiert haben.
Rn. 547
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Hat die formwechselnde PersG § 274 bisher nicht angewendet, sind formgewechselte mittelgroße und große KapG zu dessen Anwendung verpflichtet. Erstmalig angesetzte latente Steuern sind erfolgswirksam zu erfassen. Hatte die PersG hingegen eine Verbindlichkeitsrückstellung für die zukünftige Steuermehrbelastung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 bilanziert, ist diese zunächst erfolgswirksam aus- und die latente Steuer erfolgswirksam einzubuchen (vgl. Vossel (2012), S. 402). Eine alternative Auffassung lässt auch eine Umgliederung in den Bilanzposten "Passive latente Steuern" (§ 266 Abs. 3 E.) und ggf. "Aktive latente Steuern" (§ 266 Abs. 2 D.) zu (vgl. IDW RS HFA 41 (2012), Rn. 29).
Rn. 548
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Nach einem Formwechsel von einer KapG in eine PersG i. S. d. § 264a Abs. 1 ist die formgewechselte PersG weiterhin zur Anwendung von § 274 verpflichtet. Formwechselbedingte Änderungen der latenten Steuern sind erfolgswirksam zu erfassen. Sollte die formgewechselte PersG hingegen nicht vom Anwendungsbereich des § 274 erfasst sein und auch nicht freiwillig anwenden, ist der Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung für die zukünftige Steuermehrbelastung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 zu prüfen (vgl. HdR-E, HGB § 274, Rn. 600ff.)
Rn. 549–559
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
vorläufig frei