Dr. Karl Petersen, Prof. Dr. Christian Zwirner
Rn. 19
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Unabhängig von den oben genannten (vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 18) Ausschlusstatbeständen, die im geschilderten Ausnahmefall trotzdem zulässig sind, normiert § 319b auch drei Fälle, in denen der Gesetzgeber eine solche Entlastungsmöglichkeit für ein Netzwerkmitglied explizit verwehrt und unwiderlegbar vom Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit ausgeht, sofern ein Prüfer die von einem Mitglied seines Netzwerks erbrachte Leistung zu beurteilen hat (vgl. Bonner HGB-Komm. (2015), § 319b, Rn. 71f.; mit einer tabellarischen Übersicht auch Beck Bil-Komm. (2020), § 319b HGB, Rn. 20f.; BilR-HB (2018), § 319b HGB, Rn. 33f.). Diese Differenzierung folgt Erwägungsgrund Nr. 11 der AP-R ((2006), ABl. EU, L 157/88 vom 09.06.2006). Bei den in jedem Fall unzulässigen Tätigkeiten handelt es sich konkret um
- bestimmte, über die AP hinausgehende Tätigkeiten gemäß § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 (vgl. im Einzelnen HdR-E, HGB § 319b, Rn. 32f.),
- die Erbringung bestimmter Steuerberatungsleistungen gemäß § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ((a. F.); vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 34f.) sowie
- die Erbringung bestimmter Bewertungsleistungen gemäß § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ((a. F.); vgl. HdR-E, HGB § 319b, Rn. 36).
Rn. 20
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
In den letztgenannten drei Fällen geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich solche Beratungs- bzw. Bewertungsleistungen im Regelfall auf den JA auswirken und damit innerhalb des Netzwerks unwiderlegbar Befangenheit besteht, wenn sowohl die Erbringung der Leistung als auch die Prüfung des betroffenen JA innerhalb des Netzwerks durchgeführt werden (vgl. Petersen/Zwirner (2009), Kap. LI, S. 573 (577)).
Rn. 21
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
An dieser Stelle wird indes die Auffassung vertreten, dass die vorgenannten unwiderlegbaren Ausschlussgründe auf Basis der aufgeführten Tätigkeiten nur dann zu einem Ausschluss des AP führen, wenn die Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf den Prüfungsgegenstand der AP haben. Da die AP-VO der EU keine Wesentlichkeitsgrenzen bei den sog. Black-List-Nichtprüfungsleistungen vorsieht (vgl. HdR-E, HGB § 319a, Rn. 16ff.), ist die Erbringung solcher Leistungen dem Grunde nach unabhängig von deren Wesentlichkeit schädlich für die AP bei einer PIE. In der Praxis muss die Regelung indes stets einzelfall- und sachverhaltsbezogen ausgelegt werden. Sinn und Zweck der AP-VO ist es, die Unabhängigkeit des AP sicherzustellen, in dem ihm bestimmte Nichtprüfungsleistungen nicht erlaubt sind. Dabei muss es aber in einem globalisierten Kontext mit inter- und multinationalen Konzernen sowie komplexen Strukturen möglich sein, Wesentlichkeitsüberlegungen insoweit anzustellen, als nicht zwangsläufig jegliche Nichtprüfungsleistung des AP (respektive eines mit dem AP über die Netzwerkdefinition nach § 319b verbundenen Mitglieds) zum automatischen Ausschluss des WP von der AP nach § 319a (a. F.) führt. Es muss auch in solchen Fällen die Würdigung einer schädlichen Infektion des Prüfungsmandats durch etwaige, in einem Netzwerk erbrachte Nichtprüfungsleistungen vor dem Hintergrund der Wesentlichkeit der schädlichen Nichtprüfungsleistungen im Hinblick auf das Urteil des AP erfolgen.