Dr. Klaus-Hermann Dyck, Prof. Dr. Sven Hayn
Rn. 27
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Häufig kommt es vor, dass sich zwei UN vertragsmäßig derart binden, dass sich ein UN verpflichtet, seinen ganzen Gewinn an das andere UN abzuführen. Dieser Vertrag korrespondiert i. d. R. mit einer Verlustübernahmeverpflichtung – für die AG, KGaA bzw. SE gemäß § 302 AktG, während sich das bei anderen KapG i. d. R. daraus ergeben dürfte, dass zur Erlangung steuerrechtlicher Vorteile eine solche Verlustübernahme erforderlich ist (vgl. § 17 KStG). Nach dem AktG 1965 galten die sich aufgrund eines EAV ergebenden Gewinnabführungen bzw. Verlustübernahmen stets als Elemente der Ergebnisentstehung. In § 275 sind mit dem AktG 1965 (noch) vergleichbare Posten nicht mehr enthalten. Lediglich in § 277 Abs. 3 Satz 2 und in § 158 Abs. 2 AktG wird noch von dem Ertrag bzw. Aufwand aus einem (T)GAV gesprochen, ohne dass jedoch ein Hinweis auf die Art des notwendigen Gliederungspostens in der GuV gegeben wird. Es stellt sich demnach die Frage, ob bei der abführenden Gesellschaft diese Tatbestände als Ergebnisverwendung oder als Ergebnisentstehung zu klassifizieren sind.
Rn. 28
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Der abzuführende Betrag ist streng ergebnisabhängig, da bei einem EAV das gesamte Ergebnis des abgelaufenen Jahrs bzw. ein Teil desselben (bei einem TGAV) abgeführt wird. Begünstigter ist i. d. R. auch ein Gesellschafter der KapG, die den Gewinn abführt. Es sind daher die Kriterien einer Ergebnisverwendung erfüllt. Zu bedenken ist jedoch, dass im Fall eines EAV weder das bilanzaufstellende Organ noch die Gesellschafter ein Dispositionsrecht über das Ergebnis des abgelaufenen GJ haben; vielmehr ist aus der Sicht des bilanzierenden UN in dem Moment, in dem das Jahresergebnis ermittelt wird, entweder eine Verbindlichkeit (im Fall eines Gewinns) oder eine Forderung (im Fall eines Verlusts) entstanden. Diese fehlende Dispositionsfreiheit rechtfertigt es, den hier zur Diskussion stehenden Tatbestand nicht als Ergebnisverwendung einzuordnen, sondern dem Bereich der Ergebnisentstehung zuzuordnen. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 277 Abs. 3 Satz 2.
Rn. 29
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Sind bei einem UN neben dem Begünstigten aus dem EAV auch andere Gesellschafter beteiligt, so haben diese i. d. R. keinen Dividendenanspruch. Dies ist hauptsächlich durch Anforderungen, die zur Erlangung steuerrechtlicher Vorteile (körperschaftsteuerliche Organschaft; vgl. §§ 14ff. KStG) erfüllt sein müssen, begründet. Diesen Gesellschaftern steht jedoch ein i. d. R. vertraglich zugesicherter Ausgleichsanspruch wegen der Aufgabe des Dividendenbezugsrechts zu. Dieser Ausgleichsanspruch (vgl. im Übrigen auch § 158 Abs. 2 AktG) ist ebenfalls jeder Disposition des bilanzierenden UN bzw. der Gesellschafter entzogen. Aus diesem Grund stellen auch diese Ausgleichszahlungen keine Ergebnisverwendung der bilanzierenden Gesellschaft dar, sondern sind bei der Obergesellschaft bis zur Höhe des übernommenen Ergebnisses gegen dieses zu saldieren und sonst als Aufwand aus Verlustübernahme auszuweisen (vgl. § 158 Abs. 2 AktG); Analoges gilt für die bilanzielle Behandlung bei der Untergesellschaft. Die Berechtigung dieser Würdigung ergibt sich auch aus der Überlegung, dass aufgrund eines EAV bei dem UN, das zur Abführung des Ergebnisses verpflichtet ist, weder ein Gewinn noch ein Verlust entstehen darf. Dieses Ergebnis lässt sich nur erreichen, wenn die aufgrund des EAV erforderlichen Tatbestände bilanziell als Ergebnisentstehung aufgefasst werden. Eine Anpassung des Bilanzausweises i. S. v. § 268 Abs. 1 kann demnach im Zusammenhang mit einem EAV grds. nicht stattfinden; vielmehr kommt gemäß § 265 Abs. 8 in Betracht, dass kein Posten "Gewinn-/Verlustvortrag", "Jahresüberschuss/-fehlbetrag" bzw. "Bilanzgewinn/-verlust" im EK-Bereich ausgewiesen wird. Ob jedoch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden sollte, hängt entscheidend vom Einzelfall ab und sollte unter Berücksichtigung der Kriterien für einen klaren und übersichtlichen JA entschieden werden.
Bedenkt man jedoch, dass ein UN, das aufgrund eines EAV zur Abführung seines gesamten Jahresergebnisses verpflichtet ist, aus der vorvertraglichen Zeit noch bilanziell zu erfassende Jahresergebnisse aufweisen könnte, so besteht für dieses UN grds. die Möglichkeit, den Ausweis eines Bilanzgewinns vorzunehmen, da der Vortrag eines Jahresergebnisses auf neue Rechnung auch als eine Verwendung des Jahresergebnisses i. S. v. § 268 Abs. 1 anzusehen ist. Ferner dürfte vor dem Hintergrund, dass die Einordnung sowohl als Ergebnisentstehungs- als auch Ergebnisverwendungstatbestand nicht unstreitig ist, generell der Ausweis eines Bilanzgewinns, d. h. auch in den Fällen, in denen kein Ergebnisvortrag aus vorvertraglicher Zeit gegeben ist, zulässig sein.