Prof. Dr. Norbert Herzig, Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
Rn. 251
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Anders als das HGB, in das im Zuge des BiRiLiG in § 255 Abs. 1ff. gesetzliche Begriffsbestimmungen der AK und HK aufgenommen wurden, verfügt das Steuerrecht über keine gesetzliche AHK-Definition. Die BFH-Rspr. greift bezüglich der Abgrenzung des HK-Begriffs ausdrücklich auf die handelsrechtliche Begriffsbestimmung zurück (vgl. BFH, Beschluß vom 04.07.1990, BStBl. II 1990, S. 833). Die Finanzverwaltung hält eine Präzisierung steuerlicher HK in R 6.3 EStR (2012) bereit.
Rn. 252
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Die HK-Untergrenze wird handels- und steuerrechtlich übereinstimmend durch die aktivierungspflichtigen Bestandteile bestimmt (EK, angemessene Material-/Fertigungs-GK, fertigungsveranlasster Werteverzehr des AV). Die handelsrechtliche HK-Obergrenze wird dagegen durch Wahlbestandteile determiniert: Handelsrechtlich dürfen gemäß § 255 Abs. 2 Satz 3 angemessene Teile der Kosten der allg. Verwaltung, angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen.
Auch steuerlich brauchen diese HK-Bestandteile nicht in die Berechnung der HK mit einbezogen zu werden (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1b Satz 1 EStG). Dieses – durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.07.2016 (BGBl. I 2016, S. 1679ff.) eingefügte und mit dem handelsrechtlichen Wahlrecht korrespondierende – steuerliche Wahlrecht ist bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG in Übereinstimmung mit der HB auszuüben (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1b Satz 2 EStG). Damit ist der Streit, ob nach Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit und Einführung des steuerlichen Wahlrechtsvorbehalts (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) insoweit ein steuerliches Wahlrecht überhaupt bestand (dieses war bis zur gesetzlichen Verankerung nur in R 6.3 Abs. 4 EStR (2008) vorgesehen) und dieses gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbsatz) EStG steuerlich autonom ausübbar war, beendet (vgl. zur Rechtsentwicklung Korn-EStG (2016), § 6, Rn. 171). Da das steuerliche Wahlrecht auch für WJ angewendet werden konnte, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens endeten (Anwendungswahlrecht; vgl. § 52 Abs. 12 Satz 1 EStG), war die restriktive Auffassung der Finanzverwaltung, wonach diese Aufwendungen i. R.d. steuerlichen Gewinnermittlung zwingend als Teil der HK hätten angesetzt werden müssen (vgl. BMF, Schreiben vom 12.03.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 239ff. (Rn. 8); BMF, Schreiben vom 25.93.2013, IV C 6 – S 2133/09/10001 :004, BStBl. I 2013, S. 296), ohne Grundlage.
Die mit § 6 Abs. 1 Nr. 1b Satz 2 EStG – systematisch inkonsequente – punktuelle Rückkehr zur umgekehrten Maßgeblichkeit soll nach der RegB der Vereinfachung der HK-Ermittlung dienen und zum Bürokratieabbau beitragen (kein Zwang zur gesonderten Ermittlung und Zuordnung der Kosten zu teilfertigen bzw. fertigen Erzeugnissen durch Schlüsselung) sowie darüber hinaus eine allein steuerlich motivierte Nutzung des Bewertungswahlrechts verhindern (vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 116). Das Wahlrecht steht auch Steuerpflichtigen zu, die ihren Gewinn nicht nach § 5 EStG ermitteln; eines Übereinstimmungsvorbehaltes bedarf es hier mangels HB nicht (vgl. BT-Drs. 18/8434, S. 116).
Rn. 253
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
vorläufig frei
Rn. 254
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Für fertigungsveranlasste FK-Zinsen erkennt das BMF in Übereinstimmung mit der bisherigen Verwaltungspraxis (vgl. R 6.3 Abs. 4 EStR (2008)) und Rspr. (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 23.05.2012, IX R 2/12, BStBl. II 2012, S. 674; BFH, Urteil vom 19.10.2006, III R 73/05, BStBl. II 2007, S. 331) ein steuerliches Wahlrecht zwar an, hält insoweit aber an der formellen Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Bewertungsentscheidung fest, fordert explizit den Einbezug in die steuerlichen HK, sofern handelsrechtlich ein Einbezug erfolgt und verneint damit eine autonome steuerliche Wahlrechtsausübung (vgl. R 6.3 Abs. 5 EStR (2012); BMF, Schreiben vom 12.03.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 239ff. (Rn. 6); a. A. z. B. Herzig/Briesemeister, DB 2010, S. 917 (923); Förster, in: FS Franz (2011), S. 243 (249); Barke, DStZ 2015, S. 302; Bilanz-HB (2015), Rn. C 597; Korn-EStG (2016), § 6, Rn. 175). Für eine formelle Maßgeblichkeit besteht nach BilMoG (ohne gesetzliche Anordnung) keine Rechtsgrundlage mehr, die Ausübung steuerlicher Wahlrechte einschließlich R-Wahlrechte kann unabhängig von der Ausübung des Wahlrechts in der HB erfolgen. Im Fall der Methodenwahlrechte für die planmäßige AfA sieht das BMF dies zutreffend nicht anders (vgl. BMF, Schreiben vom 12.03.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 239ff. (Rn. 18); ebenso HdR-E, Kap. 3, Rn. 263ff.).
Rn. 255–260
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vorläufig frei