Rn. 15
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
In die Rücklage ist der Betrag einzustellen, der bei der Ausgabe von Anteilen (einschließlich Bezugsanteilen) über den Nennbetrag hinaus erzielt wird. Anlässlich der Gründung einer GmbH und bei jeder späteren Kap.-Erhöhung kann vereinbart werden, dass über den Betrag der formellen Stammeinlage (Nennbetrag) hinaus ein Mehrbetrag (Agio) an die Gesellschaft gezahlt werden muss. Entsprechende Regelungen müssen in der Satzung festgelegt werden. Handelt es sich um Bareinzahlungen, so ergibt sich der Mehrbetrag als Differenz zwischen dem formellen (im Handelsregister einzutragenden) Stammkap. und dem Betrag, der insgesamt einzuzahlen ist. Handelt es sich um Sacheinlagen, so ist denkbar, dass der Gesamtwert der Sacheinlage, der festzulegen ist, z. T. auf ein Agio verrechnet wird.
Rn. 16
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
In § 272 Abs. 2 Nr. 1 ist neben dem Agio für die Ausgabe neuer Anteile auch ein Agio für "Bezugsanteile" erwähnt. Gemeint sind dabei diejenigen Bezugsrechte, die gemäß § 55 Abs. 2 GmbHG anlässlich einer Kap.-Erhöhung entstehen.
Analog zur Vorschrift des § 186 AktG steht den Gesellschaftern einer GmbH im Fall der Erhöhung des Stammkap. ein ungeschriebenes gesetzliches Bezugsrecht zu (vgl. Baumbach/Hueck (2022), § 55 GmbHG, Rn. 20; Lutter/Hommelhoff (2023), § 55 GmbHG, Rn. 19; Scholz-GmbHG (2021), § 55, Rn. 42ff.; a. A. Hachenburg (1997), § 55 GmbHG, Rn. 41, ebenso wie Rowedder-GmbHG (2022), § 55, Rn. 35, wonach jeweils die Annahme vertreten wird, ein Bezugsrecht scheitere an dem Gesetzeswortlaut des § 55 Abs. 2 Satz 1 GmbHG).
Die Ablehnung eines Bezugsrechts ipso jure wird indes dem Erfordernis des Minderheitenschutzes (Gleichbehandlungsgrundsatz, Treuepflicht), dessen Notwendigkeit für das GmbH-Recht allg. anerkannt ist, nicht gerecht. Wird ein Gesellschafter von der Teilnahme an einer Kap.-Erhöhung ausgeschlossen, so mindern sich sein relativer Gewinnanteil sowie seine anteilige Stimmquote. Um einer Aushöhlung der Rechtsposition eines Gesellschafters in ausreichendem Maß vorzubeugen, ist ihm ein Recht auf Beibehaltung seiner Beteiligungsquote zuzugestehen. Soweit dieser Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes im Aktienrecht durch die Vorschrift des § 186 AktG berücksichtigt worden ist, ist eine entsprechende Handhabung für die weitaus stärker personalisierte GmbH erst recht erforderlich (vgl. Scholz-GmbHG (2021), § 55, Rn. 42ff.). Die Anerkennung eines ungeschriebenen gesetzlichen Bezugsrechts wird diesem Bedürfnis am ehesten gerecht.
Sofern der Erhöhungsbeschluss keine weiteren Angaben enthält, verfügen die Gesellschafter demnach über ein Bezugsrecht nach dem Verhältnis ihrer bisherigen Anteile (vgl. Lutter/Hommelhoff (2023), § 55 GmbHG, Rn. 19ff.). Das Bezugsrecht kann auch Nichtgesellschaftern zustehen (vgl. § 55 Abs. 2 GmbHG).
Für die Praxis hat der erwähnte Meinungsstreit nur sehr geringe Bedeutung, da auch die abweichende Meinung den Minderheitenschutz gewährleisten will, allerdings über die Schranken des Zulassungsbeschlusses und die Annahme eines Anwartschaftsrechts auf die Teilnahme an der Kap.-Erhöhung. Demgegenüber stellt sich die hier vertretene Auffassung jedoch als praktikabler dar und gewährt Minderheitsgesellschaftern eine größere Rechtssicherheit.
Rn. 17
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Werden infolge besonderer Satzungsbestimmungen Mehrbeträge (Agien) in die Gesellschaft eingezahlt, so ist deren Ausweis unter dem Posten "Kapitalrücklage" zwingend (vgl. § 272 Abs. 2 Nr. 1). Sieht die Satzung keine abweichenden Bestimmungen vor, so können diese Kap.-Rücklagen jedoch nach Feststellung des nächsten JA i. R.d. Gewinnverwendung nach § 29 GmbHG aufgelöst und als Teil des Bilanzgewinns an die Gesellschafter wieder ausgeschüttet werden. Es gibt keine gesetzlich vorgeschriebene Ausschüttungssperre, soweit die Vorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG eingehalten wird, wonach das zur Erhaltung des Stammkap. erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf (vgl. HdR-E, GmbHG § 29, Rn. 21).
Den Gesellschaftern ist es im Übrigen unbenommen, eine Kap.-Erhöhung zum Nennwert zu vereinbaren und die entsprechenden Anteile zunächst selbst zu erwerben, um diese sodann gegen einen höheren Preis an Dritte zu veräußern. Der Unterschiedsbetrag zwischen Nennwert und Kaufpreis ist kein Agio, sondern privatrechtliches Entgelt, das nicht der Gesellschaft, sondern dem jeweiligen Veräußerer zusteht.