Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
Rn. 230
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Genussrechte stellen ein flexibles Finanzierungsinstrument dar, das zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden kann. Ihre Begebung erfolgt meist zur Kap.-Beschaffung (sog. Finanzierungsgenussrechte); in Ausnahmefällen werden Genussrechte als Entgelt für besondere Leistungen des Berechtigten (z. B. im Zusammenhang mit der Gründung, Erweiterung oder Sanierung eines UN) oder zur Beteiligung der Mitarbeiter am Erfolg eines UN gewährt. In diesen Fällen findet ein Kap.-Zufluss nicht statt. Die Genussrechte erfüllen vielmehr die Funktion eines Kap.-Ersatzes (vgl. HdJ, Abt. III/2 (2008), Rn. 171ff.). Über die von Genussrechten gewährten Ansprüche können Genussscheine ausgestellt werden. Sie stellen meist Inhaberpapiere dar, denkbar sind aber auch Order- oder Namenspapiere.
Rn. 231
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Eine umfassende gesetzliche Regelung zum Begriff, Inhalt und zur Ausgestaltung von Genussrechten existiert nicht. Der Begriff wird in einzelnen Gesetzesvorschriften zwar erwähnt, jedoch als bekannt vorausgesetzt. So bestehen etwa für AG/KGaA/SE Einzelregelungen zur Ausgabe von Genussrechten (vgl. § 221 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1, § 221 Abs. 4 Satz 1 AktG) und zu Angabepflichten im Anhang (vgl. § 285 Nr. 15a) sowie Schutzbestimmungen für die Inhaber von Genussrechten (vgl. z. B. § 216 Abs. 3 AktG). Überdies existieren Sonderregelungen für die Zurechnung von Genussrechtskap. zum Ergänzungskap. als Teil des haftenden EK bei Kreditinstituten (vgl. Art. 62ff. der CRR-VO (EU) Nr. 575/2013 (ABl. EU, L 176/1ff. vom 27.06.2013) bzw. zu den Eigenmitteln i. R.d. Solvabilitätsanforderungen bei Versicherungs-UN (vgl. §§ 89ff., 214 VAG). Unter steuerlichen Aspekten ist schließlich auf die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG hinzuweisen, in der die Behandlung von Ausschüttungen auf Genussrechte bei der Einkommensermittlung geregelt ist (vgl. ausführlich hierzu Grosse, DStR 2010, S. 1397ff.; Haase, StuB 2009, S. 495ff.; Watrin/Lühn, FB 2006, S. 741ff.).
Rn. 232
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Allg. lässt sich das Genussrecht als ein schuldrechtliches Gläubigerrecht charakterisieren, das zwar grds. keine mitgliedschaftlichen Rechte, insbesondere kein Stimmrecht oder Kontrollrecht gewährt (ein Recht auf Teilnahme an der HV oder Informationsrechte sind dagegen mit der Rechtsnatur der Genussrechte vereinbar; vgl. BGH, Urteil vom 05.10.1992, II ZR 172/91, AG 1993, S. 125 (127)), im Übrigen aber aktienähnlich ausgestaltet werden kann (vgl. Ebenroth/Müller, BB 1993, S. 509, m. w. N.). Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Definition bieten sich – in den durch das BGB (vgl. §§ 305ff. BGB) gesteckten Grenzen (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.1992, II ZR 172/91, AG 1993, S. 125 (126), m. w. N. (hier mit Bezug zum derweil in das BGB überführte AGB-Gesetz); Lutter, ZGR 1993, S. 291 (294ff.)) – die unterschiedlichsten Gestaltungsmöglichkeiten an. Eine vermögensmäßige Gleichstellung der Genussrechtsinhaber mit den Gesellschaftern lässt sich erreichen, indem diese sowohl am laufenden Gewinn und Verlust der Gesellschaft als auch am Ergebnis ihrer Abwicklung beteiligt werden und die Rückzahlung des hingegebenen Kap. erst im Zeitpunkt der Liquidation gleichrangig mit den Gesellschaftern erfolgt (vgl. Groh, BB 1993, S. 1882 (1889)). Üblicherweise werden jedoch bei Genussrechten typische Vermögensrechte von Gesellschaftern mit solchen von Gläubigern verknüpft. Das kann etwa durch die Vereinbarung einer Mindestverzinsung und/oder durch die Einschränkung bzw. den Ausschluss einer Verlustbeteiligung erfolgen. Um die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zahlungen auf Genussrechte nicht zu gefährden (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; BFH, Urteil vom 19.01.1994, I R 67/92, BB 1994, S. 1275f.; BdF, Schreiben vom 08.12.1986, IV B 7 – S 2742–26/86, BB 1987, S. 667f.), werden vielfach eine Beteiligung am Liquidationserlös ausgeschlossen sowie eine von der Finanzverwaltung damit wirtschaftlich gleich gestellte Laufzeit der Genussrechte von 30 Jahren und mehr vermieden.
Eine Ausgabe von Genussrechten ist nicht auf die AG/KGaA/SE beschränkt. Sie können insbesondere auch von GmbH, KG, Sparkassen und VVaG begeben werden (vgl. Lutter, in: FS Döllerer (1988), S. 383 (384), m. w. N.).