Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
Rn. 309
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Rückstellungen für ungewisse Sachleistungsverpflichtungen sind in der HB auf Vollkostenbasis zu bewerten (so auch IDW RS HFA 34, Rn. 15; Schubert, in: Beck Bi-Komm. 2014, § 253, Rn. 159). Dem verschiedentlich in sinngem. Anwendung des § 255 Abs. 2, 3 a. F. vertretenen Wahlrecht zwischen Voll- und Teilkostenbewertung (vgl. ADS 1995, § 253, Rn. 226 und 254; Kupsch, P. 1989, S. 60) ist spätestens seit der Änderung der handelsrechtl. HK-Regelung durch das BilMoG die Grundlage entzogen. Unabhängig davon kollidierte diese Auffassung schon nach dem vormaligen Recht mit dem Gebot eines vollständigen und zutreffenden Schuldenausweises (vgl. Kessler, in: Küting/Weber 1995, HGB § 249, Rn. 309). Das Gebot der Vollkostenbewertung erstreckt sich in jedem Fall auf die zur Erfüllung der Sachleistungsverpflichtung erforderlichen Aufwendungen für Löhne und Material. Inwieweit allg. Verwaltungskosten und Sozialkosten i. S. d. § 255 Abs. 2 Satz 3 in den Erfüllungsbetrag einzurechnen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (wohl für ein Einbeziehungswahlrecht Hoffmann/Lüdenbach 2014, § 253, Rn. 64). Entscheidend ist, ob ihre Inkaufnahme Teil der geschuldeten Erfüllungshandlung ist. Das ist etwa zu bejahen für Pensionsaufwendungen von Mitarbeitern, die Gewährleistungsverpflichtungen des UN erfüllen. Bei allg. Verwaltungskosten wird die Voraussetzung für eine Einrechnung in den Rückstellungsbetrag nur selten erfüllt sein. Ausgenommen sind Sachleistungsverpflichtungen, die unter Einsatz von Mitarbeitern in Verwaltungsstellen erfüllt werden. Dazu gehört die Verpflichtung zur Aufstellung des JA; generell gegen eine Einbeziehung Küting, K./Cassel, J./Metz, C. 2009, S. 328).
Rn. 310
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Für die StB hat der Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG den Ansatz ungewisser Sachleistungsverpflichtungen "mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten" angeordnet. Diese Bewertungsbestimmung bestätigt im Kern die zuvor ergangene Rspr. So hat der BFH in seiner Entscheidung vom 25.02.1986a (BStBl. II 1986, S. 788ff.) zur Bildung von Verbindl.-Rückstellungen für Abrechnungsverpflichtungen im Baugewerbe die Geltung des Vollkostenprinzips betont (auch vgl. BFH-Urt. v. 08.10.1987, BStBl. II 1988, S. 59f.). Zu den i. E. anzusetzenden Kosten äußert sich das in dieser Entscheidung zitierte höchstrichterliche Urt. vom 19.01.1972 (BStBl. II 1972, S. 395). Danach sollen bei der steuerbilanziellen Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen sämtliche zur Bewirkung der entspr. Leistung erforderlichen aufwandsgleichen Kosten mit Ausnahme der Verwaltungskosten zu berücksichtigen sein (vgl. zur Rückstellungsfähigkeit von allg. Verwaltungskosten auch die ablehnenden Entscheidungen des BFH v. 07.03.1973 (BStBl. II 1973, S. 565ff.) und v. 17.07.1974 (BStBl. II 1974, S. 684ff.) betr. die Bildung von Drohverlustrückstellungen bei Kreditgeschäften). Diese Rspr. ist durch die im Jahr 1999 in das Gesetz aufgenommene Bewertungsanweisung überholt. Wie in der HB entscheidet über die Einbeziehung von Verwaltungskosten in den stl. Rückstellungsansatz die Frage, ob die Aufwendungen zur Erfüllung der Außenverpflichtung in Kauf genommen werden müssen.
Rn. 311
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Abweichend von dem in ständiger Rspr. vertretenen Vollkostenansatz hat der BFH im Urt. vom 24.11.1983 (BStBl. II 1984, S. 303) eine Bewertung von Rückstellungen für JA- und Betriebssteuererklärungskosten lediglich mit den (internen) EK zugelassen. Als Obergrenze für die anzusetzenden internen Kosten gelte zudem das für die gleiche Leistung an Dritte zu zahlende Honorar. Zur Begründung heißt es, die GK (gemeint waren die Fixkosten) seien nicht durch den Abschluss bzw. durch das Erstellen der Steuererklärungen veranlasst. Die Entscheidung beruht sichtlich auf der Vorstellung, zwischen den zurückzustellenden Aufwendungen und der Verpflichtung müsse ein kausaler Veranlassungszusammenhang bestehen. Mit dieser restriktiven Abgrenzung der zurückzustellenden Aufwendungen wollte der BFH möglicherweise den Zurechnungsschwierigkeiten bei Fixkosten begegnen (vgl. Moxter, A. 2007, S. 237). Die in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG geforderte Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen mit den zu ihrer Erfüllung erforderlichen Einzel- und Gemeinkosten trägt diesen Gedanken nicht in sich. Sie beruht auf einem finalen Verursachungsverständnis. Als Teil des Erfüllungsbetrags einer ungewissen Verbindl. sind danach jene Aufwendungen zu passivieren, die dazu dienen, die Außenverpflichtung zu erfüllen. Dazu rechnet der Gesetzgeber explizit auch Gemeinkosten. Der Rspr. ist durch § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG mithin die Grundlage entzogen. Das gilt auch für die Begrenzung der Rückstellung auf den Betrag, der für die gleiche Leistung an Dritte zu zahlen wäre (a. A. wohl Schubert, in: Beck Bil-Komm. 2014, § 253, Rn. 160).