Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
Rn. 136
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die Bildung einer Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN ist für alle KapG verbindlich in § 272 Abs. 4 normiert. Danach ist für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN eine Rücklage zu bilden (vgl. § 272 Abs. 4 Satz 1).
Auch für bestimmte PersG i. S. d. § 264a besteht eine Verpflichtung zur Bildung eines entsprechenden Sonderpostens. Für diese Gesellschaften bestimmt § 264c Abs. 4 Satz 2, dass für Anteile an Komplementärgesellschaften in entsprechender Anwendung des § 272 Abs. 4 nach dem Posten "EK" ein Sonderposten unter der Bezeichnung "Ausgleichsposten für aktivierte eigene Anteile" in der Höhe des aktivierten Betrags der Anteile zu bilden ist.
Die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN ist gemäß § 266 Abs. 3 A. III. ein Unterposten der Gewinnrücklagen. Sie steht damit formal gleichwertig auf einer Ebene mit den gesetzlichen, satzungsmäßigen und anderen Gewinnrücklagen.
Rn. 137
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Aufgrund der aus dem Doppelcharakter von eigenen Anteilen – und damit in Konzernen grds. auch von Anteilen an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN – (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 47) resultierenden Gefahren für die Erhaltung des Kap. der (Konzern-)Gesellschaft hat der Gesetzgeber neben den besonderen Ausweis- und Berichtspflichten (vgl. insbesondere § 160 Abs. 1 Nr. 2 AktG) die Passivierung einer entsprechenden Rücklage gefordert, um auf die gehaltenen Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN bilanziell hinzuweisen und diese zu neutralisieren.
Für eigene Anteile besteht seit dem BilMoG dahingegen keine Verpflichtung zur Bilanzierung einer entsprechenden Rücklage mehr (vgl. allerdings zur Prüfung auf eine hypothetisch mögliche Bildung eines derartigen Postens §§ 71 Abs. 2 Satz 2, 71a Abs. 1 Satz 2 AktG, § 33 Abs. 2f. GmbHG); diese sind vielmehr direkt offen vom EK abzusetzen bzw. passivisch zu verrechnen (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 51ff.). Durch den Wegfall der Verpflichtung zur Bildung einer Rücklage für eigene Anteile bestand für den Gesetzgeber – um die Behandlung von Anteilen an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN auch künftig beizubehalten – die Notwendigkeit, die Regelung zur Gleichstellung von eigenen Anteilen und Anteilen an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN gemäß § 272 Abs. 4 Satz 4 (a. F.) aufzuheben und die bisherigen Vorschriften zur Bildung einer Rücklage für eigene Anteile durch das BilMoG dahingehend anzupassen, dass sich die entsprechenden Normen nun originär auf die Bildung einer Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN beziehen. Eine darüber hinausgehende sachliche Änderung zum vormaligen Recht dürfte sich dadurch allerdings nicht ergeben haben. Gleichwohl fallen die Behandlung von eigenen Anteilen und Anteilen an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN im handelsrechtlichen Abschluss nun auseinander.
Die Funktion der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN ist – wie bereits früher – in einer Ausschüttungssperre zu sehen, die eine Rückzahlung von Kap. nicht nur im Erwerbsjahr, sondern auch in den folgenden GJ verhindert. Damit dient die Bildung der Rücklage dem Aktionärs- und insbesondere dem Gläubigerschutz (vgl. auch Coenenberg/Haller/Schultze (2024), S. 379ff.).
Rn. 138
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Auch unentgeltlich erworbene Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN müssen durch die Rücklage neutralisiert werden (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 272 HGB, Rn. 308). Zwar werden durch den unentgeltlichen Erwerb die gebundenen Mittel der Gesellschaft nicht angegriffen. In den folgenden Perioden ist jedoch die Erhaltung des Kap. nicht garantiert, falls aus offenen Rücklagen ausgeschüttet wird und die Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN mit mehr als einem Merkposten von 1 EUR aktiviert sind (vgl. dazu bezüglich eigener Anteile Soufleros (1983), S. 160). Die Art und Weise, wie Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN erworben wurden, ist folglich unbeachtlich. Es kommt lediglich auf ihre Fähigkeit an, jederzeit (über entsprechenden Gestaltungen im Konzern) gebundenes Kap. zu ersetzen (vgl. Soufleros (1983), S. 160). Das Unterlassen einer Rücklagenbildung bei unentgeltlichem Erwerb stellt einen Verstoß gegen den Wortlaut des § 272 Abs. 4 Satz 1 dar und hat nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG die Nichtigkeit des JA zur Folge (vgl. hierzu HdR-E, AktG § 256).