Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Prof. Dr. Harald Kessler
Rn. 333
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Im Interesse der Bilanzobjektivierung hat der Gesetzgeber den Abzinsungssatz in mehrfacher Hinsicht normiert. Nach § 253 Abs. 2 Satz 1 sind Rückstellungen "mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre abzuzinsen". Die Verwendung eines Durchschnittszinssatzes soll Ergebnisschwankungen entgegenwirken, die sich allein aus der Wahl von Jahr zu Jahr unterschiedlicher Zinssätze ergeben (vgl. Begründung zur RückAbzinsV, S. 1). Die Verwendung eines Stichtagszinses kann insb. bei der Bewertung langfristiger ungewisser Schulden zu erratischen Schwankungen der Rückstellungshöhe mit einem entspr. Einfluss auf das Jahresergebnis führen (vgl. auch Wüstemann, J./Koch, C. 2010, S. 1076). Um diese Bewertungseinflüsse zu beschränken, greifen internationale RL-Standards wie die IFRS oder US GAAP auf komplexe Glättungsmechanismen zurück, die die Bundesregierung den überwiegend mittelständischen UN nicht zumuten wollte (vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 55). Mit der Entscheidung für einen Marktzins hat der Gesetzgeber einer von den wirtschaftlichen Verhältnissen des UN unabhängigen Schuldenbewertung den Vorzug gegeben. Sie schließt im Interesse des Vorsichts- und Höchstwertprinzips eine allein auf die sinkende Bonität des UN zurückgehende niedrigere Rückstellungsbemessung aus. Schließlich hat er die Ermittlung der für die Diskontierung ungewisser Schulden maßgeblichen Zinssätze der Deutsche Bundesbank übertragen. Sie stellt monatlich die von allen UN heranzuziehenden Abzinsungssätze auf ihrer Website (www.bundesbank.de) zur Verfügung. Die dreifache Normierung der Zinssätze (Durchschnittszinssatz, Marktzinssatz, zentrale Ermittlung) soll die Vergleichbarkeit der JA in Bezug auf die Bewertung längerfristiger Rückstellungen gewährleisten. Zudem erspart sie den UN die Aufwendungen für die Herleitung des Abzinsungssatzes.
Rn. 334
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Rechtsgrundlage für die Zinssatzermittlung durch die Deutsche Bundesbank ist die Verordnung über die Ermittlung und Bekanntgabe der Sätze zur Abzinsung von Rückstellungen (Rückstellungsabzinsungsverordnung – RückAbzinsV) vom 18.11.2009 (vgl. BGBl. I 2009, S. 3790). Die Datengrundlage zur Bestimmung der Marktzinssätze liefert danach eine Null-Kupon-Euro-Zinsswapkurve, in die Euro-Festzins-Swapsätze mehrerer Swap-Anbieter für unterschiedliche Laufzeiten von einem Jahr bis 50 Jahre eingehen. Die veröffentlichten Zinssätze berücksichtigen zusätzlich einen Aufschlag für auf Euro lautende UN-Anleihen aller Laufzeiten mit einer hochklassigen Bonitätseinstufung (AA oder Aa) (vgl. § 2 RückAbzinsV; Begründung zur RückAbzinsV, S. 3).
Rn. 335
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Für die Barwertermittlung ist der am Bewertungsstichtag gültige Zinssatz heranzuziehen, der der Restlaufzeit der Rückstellung entspricht. Die Anweisung ist nicht ganz klar. Rückstellungen haben keine Restlaufzeit. Gemeint ist die Fristigkeit der ihnen zugrunde liegenden (ungewissen) Verbindl. Sie lässt sich problemlos für Verpflichtungen ermitteln, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft fällig und erfüllt werden. Das betrifft etwa Gratifikations- und Jubiläumsverpflichtungen, Abfindungsverpflichtungen, Verpflichtungsüberschüsse aus Beschaffungsgeschäften über aktivierungspflichtige VG oder einfache Entfernungsverpflichtungen. Bei diesen stellt sich allenfalls die Frage, welcher Abzinsungssatz bei nicht ganzjährigen Fristigkeiten zu verwenden ist. Drei Lösungen sind denkbar:
(1) |
Lineare Interpolation der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze auf die exakte Rückstellungsrestlaufzeit; |
(2) |
Verwendung des jeweils niedrigeren Ganzjahreszinssatzes (Vorsichtsprinzip); |
(3) |
Verwendung des Zinssatzes, der näher an der tatsächlichen Restlaufzeit liegt. |
Rn. 336
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Beispiel:
Eine zum 31.12.01 zu bewertende Gratifikationsverpflichtung ist zum 31.09.06 unter der Bedingung der bis dahin fortgesetzten Betriebszugehörigkeit der begünstigten Mitarbeiter auszuzahlen. Der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Marktzins für eine Restlaufzeit von vier (fünf) Jahren beträgt 4,1 % (4,3 %).
Bei linearer Interpolation ermittelt sich ein Abzinsungssatz von 4,25 % (4,1 % + 270/360 • 0,2 %). Bei Verwendung des niedrigeren Ganzjahreszinssatzes ist die Rückstellung mit 4,1 % abzuzinsen. Die Wahl des näher an der tatsächlichen Restlaufzeit liegenden Zinssatzes führt zu einer Barwertermittlung mit 4,3 %.
Rn. 337
Stand: EL 19 – ET: 05/2014
Die lineare Interpolation ergibt das genaueste Ergebnis. Sie ist in jedem Fall zulässig, zumal auch die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze teilweise nach dieser Methode ermittelt werden (vgl. § 2 RückAbzinsV). Die alternativen Ermittlungsverfahren erscheinen unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten ebenfalls vertretbar (so auch IDW RS HFA 34, Rn. 42).
Die Abzinsungsregelung des § 253 Abs. 2 differenziert aus Vereinfachungsgründen nicht nach der Währung, in der die pas...