Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB ist der Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zur Erfüllung der Verpflichtung notwendig ist (Erfüllungsbetrag). Die Höhe der Rückstellungen richtet sich also nach den Aufwendungen, die im Zeitpunkt der Erfüllung voraussichtlich entstehen werden. D. h., dass künftige Preis- und Kostensteigerungen bei der Bewertung der Rückstellungen einzubeziehen sind.
Die künftigen Preis- und Kostensteigerungen müssen geschätzt werden. D.h. aber nicht, dass die Werte willkürlich angesetzt werden können. Andererseits dürfen auch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Es besteht daher die Möglichkeit, sich an den Inflationserwartungen zu orientieren.
Bei Lohnkosten sind Lohnsteuersteigerungen anzusetzen
Bei Lohnkosten sind die Lohnsteigerungen anhand von Erfahrungswerten des Unternehmens oder der entsprechenden Branche anzusetzen. Es können z.B. auch die Entwicklungen am privaten Derivatemarkt und bei den Inflationsswaps zugrunde gelegt werden. Umsatzsteuerbeträge, die später als Vorsteuer abgezogen werden können, sind nicht einzubeziehen. Grundsätzlich ist daher bei einer Rückstellungsbewertung das Gebot der Einzelbewertung zu beachten.
Durchschnittlicher Marktzinssatz der vergangenen 7 Jahre
Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als 1 Jahr sind mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre entsprechend ihrer Restlaufzeit abzuzinsen (§253 Abs. 2 HGB). Handelsrechtliche Rückstellungen für Verpflichtungen werden auf der Grundlage der Abzinsungszinssätze abgezinst, die von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) mit 2 Nachkommastellen ermittelt und bekannt gemacht werden. Die Zinssätze werden aus einer um einen Aufschlag erhöhten Null-Kupon-Euro-Zinsswapkurve ermittelt.
Hinweis: Quelle im Internet Die durch die Bundesbank ermittelten Zinssätze für die Abzinsung lassen sich im Internet finden. Wenn der Link nicht mehr funktionieren sollte, führt eine Suche auf der Website der Bundesbank nach „Abzinsungssätze“ zu Verlinkungen mit einem PDF-Download. Die Suche auf der Website über „Statistiken – Geld und Kapitalmärkte – Zinssätze und Renditen“ führt zu Downloads im Excel-Format. Die Suche über eine Suchmaschine mit dem Begriff „Bundesbank Abzinsungssätze“ führt ebenfalls zum Ziel. Wichtig ist darauf zu achten, die Tabellen mit dem 7-Jahres-Durchschnitt zu wählen. |
Praxis-Beispiel: Handelsrechtliche Abzinsung
Ein Unternehmer hat eine Lagerhalle auf einem fremden Grundstück errichtet. Er hat sich verpflichtet, das Grundstück nach 10 Jahren in seinem ursprünglichen Zustand zurückzugeben. Somit muss er die Halle zu diesem Zeitpunkt abreißen. Die Abbruch- und Entsorgungskosten betragen zum Bilanzstichtag 31.12.01 voraussichtlich 10.000 EUR (= steuerlicher Ausgangswert). Der Erfüllungsbetrag, der handelsrechtlich anzusetzen ist, beträgt 12.189,90 EUR, wenn man eine jährliche Preis- und Kostensteigerung von 2 % zugrunde legt. Der aktuelle von der Bundesbank ermittelte Zinssatz muss mit der folgenden Formel auf den Abzinsungsfaktor umgerechnet werden.
Diskontierungssatz = 1 ______________________ (1+Zinssatz)Laufzeit |
In der Tabelle der Bundesbank wird der Abzinsungszinssatz für den 31.12.2021 bei 9 Jahren Restlaufzeit mit 0,95 % angegeben. Eingesetzt in die Formel für den Diskontierungssatz ergibt sich:
1 / (1+0,0095)^9 = 0,918.
Der 10. Teil des Erfüllungsbetrages, der handelsrechtlich anzusetzen ist, wird also zum Rückstellungsbetrag von 1.218,99 EUR * 0,918 = 1.119,03 EUR.
Am 31.12.2022 ist dann diese Rechnung zu wiederholen. Als Erfüllungsbetrag ist dabei 20 % des Gesamtwertes zu verwenden. Der Diskontierungssatz kann erst dann ermittelt werden, wenn die Bundesbank diesen veröffentlicht. Dann ist der Wert für 8 Jahre Restlaufzeit einzusetzen.