Prof. Dr. Michael Dusemond, Dr. h.c. Armin Pfirmann
Rn. 195
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Grundvoraussetzung zur Feststellung, ob am BilSt ein Wertminderungsbedarf für einen VG vorliegt, ist gemäß § 253 Abs. 3 Satz 5 die Ermittlung des Werts, der dem VG am BilSt beizulegen ist. Gesetzliche Vorschriften zur Ermittlung des beizulegenden Werts existieren jedoch nicht (vgl. auch Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 307). Ein verpflichtend anzuwendendes Wertfindungsverfahren ist durch den Gesetzgeber nicht vorgegeben (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 454f.).
Der Bilanzierende hat sich zur Ermittlung des beizulegenden Werts insbesondere am Zweck der außerplanmäßigen Abschreibung zu orientieren. Dieser liegt in der Erfassung von Wertminderungen bei VG, die durch die planmäßigen Abschreibungen nicht oder nicht stichtagsgerecht abgebildet werden ((können); vgl. Bonner-HdR (2014), § 253 HGB, Rn. 341). Bei der Wertfindung sind zudem der Einzelbewertungsgrundsatz (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3) und das Gebot der vorsichtigen Bewertung (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4) zu beachten. Eine Aufrechnung von etwaigen Wertminderungen eines VG mit stillen Reserven in einem anderen VG ist bei der Ermittlung des beizulegenden Werts damit ebenso untersagt wie eine willkürliche Unterbewertung (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 307).
Rn. 196
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Unter Beachtung der o. g. Grundsätze ist der beizulegende Wert aus Hilfsgrößen abzuleiten. Solche Hilfsgrößen können grds. aus der Sicht des Käufers oder aus Verkäuferperspektive ermittelt werden. Da im Normalfall von einer positiven Prämisse zur UN-Fortführung auszugehen ist (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 2), ist grds. die Käuferperspektive und damit der Beschaffungsmarkt bei der Wertermittlung maßgeblich (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 308).
Bei der Ermittlung des beizulegenden Werts kommen insbesondere die folgenden Hilfswerte in Betracht:
(1) |
Wiederbeschaffungs-(zeit-)wert, |
(2) |
Ertragswert bzw. DCF-basierter Wert, |
(3) |
Einzelveräußerungswert und |
(4) |
Teilwert (rein steuerrechtlich). |
Rn. 197
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Der Wiederbeschaffungswert entspricht den AK (einschließlich Nebenkosten) für einen gleichartigen (ggf. gebrauchten) VG. Voraussetzung zur Ermittlung eines Wiederbeschaffungswerts ist damit das Vorliegen eines funktionierenden Marktes, an dem der entsprechende VG erworben werden kann. Insoweit wird der Wiederbeschaffungswert insbesondere für Wertminderungstests bei Fahrzeugen, Grundstücken und Wertpapieren infrage kommen, weil für diese VG häufig funktionierende Märkte bestehen (vgl. Haufe HGB-Komm. (2019), § 253, Rn. 221).
Rn. 198
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Bei abnutzbaren VG des AV gelangt hingegen regelmäßig der Wiederbeschaffungszeitwert zur Anwendung. Dieser entspricht dem Betrag, der zum Erwerb eines gebrauchten und nach Art und Zustand vergleichbaren VG aufgewendet werden muss. Ein solcher Wiederbeschaffungszeitwert wird sich aber oftmals nicht direkt feststellen lassen, da ein Markt für solche gebrauchten VG fehlt. In diesen Fällen erfolgt dessen Ableitung hilfsweise aus den AK neuer VG (Wiederbeschaffungsneuwert), gekürzt um – gemäß dem Alter des Bewertungsobjekts bemessene – planmäßige Abschreibungen. Bei der Bestimmung des Wiederbeschaffungsneuwerts für einen zu bewertenden VG ist zudem der technische Stand des Vergleichs-VG zu berücksichtigen. Neue VG liegen häufig in einer technisch verbesserten Generation vor. Führt der technische Fortschritt beim Vergleichs-VG zu nennenswerten Verbesserungen im Vergleich zum Bewertungsobjekt, ist der Wiederbeschaffungsneuwert abzgl. planmäßiger Abschreibungen um einen angemessenen Abschlag zu reduzieren (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 458; Wöhe (1997), S. 452).
Fehlt ein Beschaffungsmarkt für zu bewertende VG (z. B. selbst geschaffene VG), kann anstatt des Wiederbeschaffungs-(zeit-)werts auch der Reproduktionswert als Vergleichsmaßstab infrage kommen (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 308). Der Reproduktionswert ergibt sich aus den Kosten, die zur Erstellung eines Duplikats des VG oder zumindest zur Erstellung eines nutzenäquivalenten VG notwendig sind (vgl. Haufe HGB-Komm. (2019), § 253, Rn. 222).
Existiert am Abschlussstichtag ein Börsen- oder Marktpreis für einen zu bewertenden VG des AV, bildet dieser Preis den Wiederbeschaffungswert des VG (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 459; Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 308).
Rn. 199
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Können VG des AV nicht wiederbeschafft werden, kommt zur Ermittlung des beizulegenden Werts der Ertragswert (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 464ff.) bzw. der DCF-Wert (vgl. Haufe HGB-Komm. (2019), § 253, Rn. 224) infrage. Wiederbeschaffungswerte fehlen bspw. bei Beteiligungen, Patenten und Lizenzen. Gerade immaterielle VG haben – bedingt durch den technischen Fortschritt – oft kurze Produktlebenszyklen, weshalb Wiederbeschaffungswerte häufig nicht existieren. Auch für Beteiligungen ist der am BilSt beizulegende Wert grds. aus dem Ertragswert abzuleiten (vgl. zur Anwendung der Grundsätze des IDW S 1 bei der Bewertung von Beteilig...