Prof. Dr. Hartmut Bieg, Prof. Dr. Gerd Waschbusch
Rn. 35
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Das Kriterium der Dauerhaftigkeit ist allerdings nicht erfüllt – und damit ein Ausweis unter den Finanzanlagen nicht möglich, wenn die wirtschaftliche Situation des anderen UN ein längerfristiges Halten der Anteilspapiere nicht erlaubt. Dieses objektive Zuordnungskriterium der Haltefähigkeit wird in der handelsrechtlichen Literatur weitgehend vernachlässigt; eine Ausnahme macht hier v.a. Birck (Blätter für Genossenschaftswesen 1965, S. 18 (19ff.); vgl. auch Bieg, DB 1985, Beilage Nr. 24 zu Heft 41, S. 1 (7)).
Rn. 36
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Da der Ausweis im UV eine leichte Liquidierbarkeit der Anteile an einem anderen UN vermuten lässt, ist er nur dann gerechtfertigt, wenn nicht nur die Absicht bzw. der Zwang, sondern auch die Möglichkeit zur kurzfristigen Veräußerung besteht. Jede weitergehende Zuordnung von Anteilspapieren zum UV birgt die Gefahr in sich, dass externe Bilanzleser die Liquiditätslage des Bilanzierenden zu günstig einschätzen.
Rn. 37
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Damit wird aber deutlich, dass durch diese beiden Zuordnungskriterien die subjektiven, d. h. ausschließlich vom Willen des Bilanzierenden abhängigen Möglichkeiten der Zuordnung zum AV oder UV von zwei Seiten her eingeengt werden:
(1) |
Erlaubt die wirtschaftliche Situation das längerfristige Halten dieser VG nicht, so kommt es zwingend zum Ausweis im UV. |
(2) |
Können die VG grds. nicht kurzfristig veräußert werden, so ist lediglich ein Ausweis im AV möglich. Dies gilt unabhängig von einer evtl. bestehenden Veräußerungsabsicht, aber auch unabhängig von den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die VG längerfristig zu halten. Damit setzt sich in Bilanzierungsfragen, falls fehlendes Haltevermögen und fehlende Veräußerungsmöglichkeit zusammentreffen, (wie auch in der Realität) die fehlende Veräußerungsmöglichkeit durch. |
Rn. 38
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Nur bei gleichzeitigem Vorliegen von Haltefähigkeit und Veräußerungsmöglichkeit kommt es also für die Zuordnung zum AV oder UV ausschließlich auf die vom Bilanzierenden mit den Kap.-Anteilen verfolgten Absichten an. Eine Objektivierung der Postenzuordnung ist damit erreicht.
Rn. 39
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
In den folgenden Fällen kann man davon ausgehen, dass sich die Veräußerungsabsicht kurzfristig realisieren lässt:
(1) |
Eine kurzfristige Veräußerungsmöglichkeit setzt die Existenz eines funktionsfähigen Markts voraus. Für börsengängige Anteilspapiere besteht er i. d. R., nicht jedoch für unverbriefte Kap.-Anteile, etwa an einer PersG, GmbH oder eG; Letztere sind daher, da kurzfristige Veräußerungsmöglichkeiten grds. nicht bestehen, unter den Finanzanlagen auszuweisen (vgl. Fuchs (1939), S. 73ff.; Weber (1980), S. 26; zur eG aber auch HdR-E, HGB § 271, Rn. 60ff.). Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, die Mitgliedschaft in einer PersG ausdrücklich als Beteiligung zu definieren. Dies hätte nach seiner Auffassung nur klarstellende Bedeutung gehabt (vgl. BT-Drs. 10/4268, S. 106). |
(2) |
Da die Aufnahmefähigkeit eines Markts begrenzt ist, verschlechtert sich i. d. R. mit einer wachsenden absoluten Höhe des Anteilsbesitzes an einem UN wegen des ausgelösten Kursdrucks die Möglichkeit eines kurzfristigen Verkaufs. |
(3) |
Aber auch die relative Höhe des Anteilsbesitzes hat Einfluss auf die kurzfristigen Veräußerungsmöglichkeiten der Anteilsrechte. Nicht erst mit der Mehrheit der Anteile, sondern auch mit Sperrminoritäten der unterschiedlichsten Höhe lassen sich eigene Interessen durchsetzen – zumindest in dem Umfang, als durch Ablehnung von Beschlussvorlagen die gesetzlich festgelegte Zustimmungsquote verhindert wird ("Einflussnahme durch Negation"). Da deswegen bei einem Verkauf des gesamten Pakets ein Paketzuschlag erzielt werden könnte, ist es i. d. R. unwahrscheinlich, dass die Papiere einzeln zum Verkauf kommen. Ihre kurzfristige Veräußerung an der Börse scheidet damit grds. aus; dies gilt im Übrigen auch wegen des Kursdrucks, der durch in größerem Umfang vorgenommene Einzelverkäufe ausgelöst würde. Ab einer bestimmten Anteilsquote kann deswegen vom dauerhaften Besitz der Anteilspapiere ausgegangen werden (vgl. Weber (1980), S. 30). |
(4) |
Wird die kurzfristige Veräußerungsmöglichkeit als Voraussetzung für einen Ausweis im UV angesehen, so sind Anteilsrechte, die sich wegen einer schlechten wirtschaftlichen Lage des TU nicht veräußern lassen, im AV auszuweisen. Da es dabei auf die Verkaufssituation am BilSt ankommt, sind auch Anteilsrechte an UN, die zunächst mit Hilfe des MU saniert, im Anschluss daran aber verkauft werden sollen, wegen ihrer derzeitigen Unverkäuflichkeit i. d. R. Beteiligungen und damit Bestandteil des AV. Ist das Halten der Anteile allerdings auf die Dauer des Sanierungsprozesses befristet und dies aufgrund eingegangener Verpflichtungen zur Weiterveräußerung oder Einbringung in ein anderes UN für Dritte nachvollziehbar, so kann bei einer entsprechenden Zeitdauer des Sanierungsprozesses auch ein Ausweis im UV zulässig sein (sofern die geschilderte Situation die Folg... |