Prof. Dr. Peter Oser, Dipl.-Ök. Jochen Holzwarth
Rn. 438
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
In mehreren Entscheidungen zum Auskunftsrecht eines Aktionärs (vgl. § 131 AktG) hat sich die Rspr. auch mit der Auslegung des § 286 Abs. 4 befasst (vgl. LG Köln, Beschluß vom 18.12.1996, 91 O 147/96, DB 1997, S. 320f.; OLG Düsseldorf, Beschluß vom 26.06.1997, 19 W 2/97 AktE, DB 1997, S. 1609f.; LG Dortmund, Beschluß vom 01.10.1998, 20 AktE 8/98, AG 1999, S. 133f.). Dabei hat das LG Köln die im Schreiben des BMJ vertretene Auffassung als "mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren" zurückgewiesen. Wie hoch die Bezüge eines einzelnen Vorstandsmitglieds seien, ließe sich aus einer Angabe der Gesamtbezüge nicht feststellen, allenfalls mutmaßen oder "schätzen". Das OLG Düsseldorf geht bei der Auslegung des Begriffs "feststellen" über den Wortlaut hinaus und begründet dies mit dem grundrechtlichen Schutz der persönlichen Daten der Organmitglieder als dem gesetzgeberischen Zweck der Regelung des § 286 Abs. 4. "Dabei kann es nach Sinn und Zweck der Regelung nicht darauf ankommen, ob die Einzelbezüge auf Mark und Pfennig zu ermitteln sind; vielmehr greift der Schutz der persönlichen Daten bereits dann, wenn die Bezüge des Einzelnen durch einfache Division zu ermitteln sind" (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 26.06.1997, 19 W 2/97 AktE, DB 1997, S. 1609f.). Eine erhebliche Abweichung (im Streitfall beliefen sich die Bezüge des Vorstandsvorsitzenden auf das 1,5-fache des weiteren Vorstandsmitglieds) lasse ein verlässliches Abschätzen der Einkommensverhältnisse nicht zu, jedenfalls solange der "Verteilungsschlüssel" nicht bekannt sei. Zu beachten ist indes, dass der interessierten Öffentlichkeit (und auf deren Kenntnis kommt es auch nach Auffassung des OLG Düsseldorf an) der Verteilungsschlüssel für die Vorstandsbezüge (anders als bei AR-Bezügen) in aller Regel unbekannt ist. Ob die Bezüge der Organmitglieder "nicht bedeutend voneinander abweichen", ist nämlich nur Insidern bekannt. Die Argumentation des OLG Düsseldorf ist insofern widersprüchlich, als es die fehlende Kenntnis der Öffentlichkeit über den "Verteilungsschlüssel" durch die Insiderkenntnis ersetzt. Dennoch zeigt der entschiedene Fall, dass das OLG Düsseldorf § 286 Abs. 4 enger ausgelegt, als dies im Schreiben des BMJ geschehen ist. Das LG Dortmund hat in einem Fall von zwei Vorstandsmitgliedern, von denen einer während des GJ in den Vorstand aufgenommen wurde, entschieden, dass einer Auskunftserteilung nach § 131 AktG auch Datenschutzgründe nicht entgegenstehen. So ließe sich aus den zusammengerechneten Bezügen nicht feststellen, wie hoch die Bezüge eines einzelnen Vorstandsmitglieds seien, zumal die einzelnen Vorstandsmitglieder i. d. R. keine einheitlichen Vergütungen erhielten. Obwohl die ergangene Rspr. nicht einheitlich ist, erscheint es ernstlich zweifelhaft, ob ein Abstellen auf die weite Auslegung durch das Schreiben des BMJ weiterhin zulässig ist.