Rn. 28

Stand: EL 25 – ET: 05/2017

Steuerrechtlich wird einhellig davon ausgegangen, dass die Aufbewahrungspflicht hinsichtlich vor der Veräußerung entstandener Unterlagen nicht auf den Erwerber übergeht, sondern beim Veräußerer verbleibt (vgl. Drüen 2015, § 147 AO, Rn. 32). Für nach der Veräußerung entstehende Unterlagen ist der Erwerber zur Aufbewahrung verpflichtet. Soweit der Veräußerer dem Erwerber vor der Veräußerung entstandene Unterlagen übergibt, wird er von seinen in der Zeit vor der Veräußerung entstandenen Aufbewahrungspflichten nicht befreit (vgl. Trzaskalik 2003, § 147 AO, Rn. 9).

Handelsrechtlich ist dies strittig. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass die öffentlich-rechtliche Aufbewahrungspflicht durch das privatrechtliche Rechtsgeschäft der Veräußerung nicht auf den Erwerber übertragen werde (vgl. Jung 1989, § 257, Rn. 1). Andererseits wird argumentiert, dass die Aufbewahrungspflicht in engem Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehe und es – unabhängig von im Übrigen unzulässigen schuldrechtlichen Vereinbarungen – allein sachgerecht sei, dass die Pflicht auf den Erwerber übergehe (vgl. ADS 1995, § 257, Rn. 14). Zu denken wäre schließlich an eine Verpflichtung von Veräußerer und Erwerber gemeinsam. Eine solche gemeinsame Verpflichtung ist der Rechtsordnung nicht fremd (vgl. z. B. § 613a Abs. 2 BGB für Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen bei Betriebsübergang).

 

Rn. 29

Stand: EL 25 – ET: 05/2017

Die Entscheidung dieser Frage hat sich am Zweck der Aufbewahrungspflicht, den betroffenen Interessen und an der Praktikabilität zu orientieren. Auch die Rechtsform des UN ist von Bedeutung.

(1) Wird eine GmbH, AG oder eine andere juristische Person veräußert, besteht das bisherige Rechtssubjekt als solches fort. Die Aufbewahrungspflicht obliegt der Gesellschaft und damit dem leitenden Organ, unabhängig von einem Gesellschafterwechsel. Das oben geschilderte Problem stellt sich hier nicht.
(2) Entsteht durch die Veräußerung ein neues Rechtssubjekt, geht das alte Rechtssubjekt und damit auch der bisherige Träger der Rechte und Pflichten unter (z. B. bei Verschmelzung, Umwandlung, Veräußerung einer OHG/KG). Aus der Funktion der Aufbewahrung (Ermöglichung von Nachprüfungen, Beweisführung im Rechtsstreit, Nachweis bei Wirtschafts- oder Insolvenzstraftaten) als auch aus der Interessenlage lassen sich gute Gründe für eine Pflicht des Veräußerers als auch des Erwerbers herleiten. Letztlich bleiben lediglich Praktikabilitätserwägungen und der Sachzusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb: Wird der bisherige Geschäftsbetrieb fortgeführt, ist die Aufbewahrung durch den Erwerber sachgemäß. Wird der Geschäftsbetrieb nicht fortgeführt, ist eine Aufbewahrung durch den Erwerber nicht zweckmäßig und auch nicht erforderlich. Es bleibt bei der Aufbewahrungspflicht des Veräußerers.
(3) Veräußert ein Einzelkaufmann sein Handelsgeschäft und wird der bisherige Geschäftsbetrieb durch den Erwerber fortgeführt, ist hier ebenfalls die Aufbewahrung durch den Erwerber sachgemäß (vgl. hierzu Wolff, H.-J./Bachof, O. 1974, S. 316).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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