Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
Rn. 4
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Bei einer AG ist der AP auf der HV zu wählen (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG). Diese Regelung entspricht dem Grundsatz, dass die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft auf der HV einer AG ausüben (vgl. § 118 Abs. 1 AktG). Die Wahl des AP wird regelmäßig in der ordentlichen HV, die über die Gewinnverwendung und Entlastung beschließt, stattfinden. Die Wahl des AP in einer außerordentlichen HV ist allerdings ebenfalls zulässig (vgl. Beck Bil-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 12). Bei einer AG ist die Wahl durch die HV zwingend; dieses Recht kann nicht auf andere Organe, etwa Vorstand oder AR, übertragen werden (vgl. ADS (2000), § 318, Rn. 104). Das Wahlrecht der Aktionäre darf auch nicht durch Satzungsbestimmungen beschränkt werden (vgl. ADS (2000), § 318, Rn. 104; MünchKomm. AktG (1973), § 163, Rn. 6), wie dies bei GmbH-Gesellschaftern zulässig ist. Lediglich für das erste Voll- oder Rumpf-GJ einer AG wird der AP nicht durch die HV gewählt, sondern durch die Gründer bestellt (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 1 AktG).
Rn. 5
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
In formaler Hinsicht setzt die Wahl des AP voraus, dass der Vorstand (vgl. § 121 Abs. 2 Satz 1 AktG) die HV unter Bekanntmachung der Tagesordnung (vgl. § 124 Abs. 1 AktG) einberuft. Der AR hat der HV einen AP zur Wahl vorzuschlagen (vgl. § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG). Bei PIE i. S. d. § 316a Satz 2 hat sich der Wahlvorschlag auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses zu stützen (vgl. § 124 Abs. 3 Satz 2 AktG; fernerhin HdR-E, HGB § 318, Rn. 75g). Der Vorschlag ist in der Tagesordnung unter Angabe des Namens, Berufs und Wohnorts des Prüfers (vgl. § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG) bekannt zu machen, damit sich die Aktionäre über den vorgeschlagenen Prüfer informieren können. Ohne Bekanntmachung des entsprechenden Tagesordnungspunkts "Wahl des Abschlussprüfers" darf ein Prüfer nicht gewählt werden (vgl. § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG). Wird trotzdem ein Prüfer gewählt, so ist der Wahlvorgang nach § 124 Abs. 4 AktG i. V. m. § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar (vgl. so auch ADS (2000), § 318, Rn. 108).
Rn. 6
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Der AR ist verpflichtet, sich vor seinem Vorschlag über die Person des AP zu erkundigen. Er muss sich davon überzeugen, dass der vorgeschlagene Prüfer in der Lage ist, den Prüfungsauftrag ordnungsgemäß durchzuführen. Dazu gehört, dass der Prüfer über die in der konkreten AP erforderlichen Branchenkenntnisse verfügt, z. B. für die Prüfung von Kreditinstituten und Versicherungen. Ferner muss der AP von seinen Fähigkeiten ebenso wie der Praxisorganisation dazu in der Lage sein, die in Rede stehende AP zu übernehmen. Der AR muss sich darüber hinaus vergewissern, dass keine Umstände eingetreten sind oder eintreten können, die die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des AP gefährden (vgl. Mellerowicz/Brönner (1970), § 163 AktG, Rn. 3). Dabei gehört die Überwachung der Unabhängigkeit des AP zu den ausdrücklich in § 107 Abs. 3 genannten Überwachungsaufgaben des AR bzw. Prüfungsausschusses, sofern die Aufgaben delegiert wurden (vgl. Bonner HGB-Komm. (2022), § 318, Rn. 28).
Rn. 7
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Neben dem AR können auch Aktionäre spätestens zwei Wochen vor dem Tag der HV dem Vorstand einen Wahlvorschlag zur Person des Prüfers unterbreiten (vgl. § 127 Satz 1 AktG mit Verweis auf § 126 Abs. 1 AktG). Der Vorstand muss diesen Vorschlag indes nur bekannt machen, wenn die Voraussetzungen der §§ 124, 125, 126 und 127 AktG erfüllt sind und der Wahlvorschlag des Aktionärs den Namen, Beruf und Wohnort des Prüfers (vgl. § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG) enthält (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.1967, 6 U 280/66, DB 1967, S. 2156). Die gesetzlich vorgesehenen Vorschlagsrechte von AR und Aktionären sind abschließend. Daher kann der AP nicht vom Vorstand vorgeschlagen werden und zwar auch dann nicht, wenn der Vorstand selbst Aktionär ist (vgl. Staub: HGB (2023), § 318, Rn. 8; BilR-Komm. (2024), § 318 HGB, Rn. 6; Bonner HGB-Komm. (2022), § 318, Rn. 28.2; a. A. Grigoleit-AktG (2020), § 126, Rn. 4; AktG-Komm. (2020), § 126, Rn. 13; AktG-GroßKomm. (2017), § 126 Rn. 9), da der Vorstand ansonsten schon mit einer einzigen Aktie die Regelungen des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG aushebeln könnte.
Rn. 8
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Die HV ist an die bekannt gemachten Vorschläge von AR und Aktionär nicht gebunden. Sie kann jeden Prüfer wählen, der die Voraussetzungen der §§ 319, 319b und bei PIE zusätzlich des Art. 5 Abs. 1 der AP-VO erfüllt. Bei Publikumsgesellschaften fällt in der Praxis mit dem Vorschlag des AR aber zumindest eine Vorentscheidung. Kropff (MünchKomm. AktG (1973), § 163, Rn. 3ff.) sieht sogar die Gefahr, dass die Entscheidung de facto im AR getroffen wird (vgl. ähnlich auch ADS (2000), § 318, Rn. 107). Aufgrund der besonderen Bedeutung, die der Wahlvorschlag des AR hat, ist er daher verpflichtet, seinen Vorschlag unabhängig von Anregungen des Vorstands zu unterbreiten. Anderenfalls erhielte der Vorstand Einfluss auf die Wahl des AP, was dessen Unabhängigkei...