Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
Rn. 68
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Dieses – auch als sog. korporatives Agio bezeichnete – Aufgeld umfasst den gesamten Erlös aus der Ausgabe von Anteilen, der den Nennbetrag dieser Anteile übersteigt.
Das Aufgeld ist ungekürzt der Kap.-Rücklage zuzuführen, eine Verrechnung mit angefallenen Ausgabekosten (z. B. Notar- und Gerichtskosten, Prüfungsgebühren, Steuern etc.) ist – anders als im Kontext der internationalen RL – unzulässig; diese Kosten sind vielmehr im Jahr der Ausgabe betreffender Anteile erfolgswirksam zu erfassen.
Nicht zum (korporativen) Agio gehören grds. freiwillige Leistungen der Gesellschafter in Form von Zuzahlungen (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 98ff.) sowie solche Beträge, die die Erwerber der Anteile an Dritte leisten. Diesbezüglich ist indes speziell im Kontext von (Neu-)Gründungen und/oder Kap.-Erhöhungen bilanz- wie gesellschaftsrechtlich umstritten, ob und inwieweit (auch) ein sog. (unechtes) schuldrechtliches Agio der Kap.-Rücklage i. S. d. § 272 Abs. 2 Nr. 1 zugeführt werden darf oder gar muss. Gegenstand einer möglichen Zuzahlung gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 ist eine schuldrechtlich vereinbarte Zahlung der Differenz zwischen dem Ausgabebetrag neu ausgegebener Anteile und dem Emissionspreis (Barkap.-Erhöhung) respektive Einbringungswert betreffender Sacheinlage (Sachkap.-Erhöhung). Im Ausgangspunkt ist unstreitig, dass gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 "Andere Zuzahlungen" in das EK grds. zulässig sind (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 102ff.). Streitig ist jedoch, ob eine Leistung an die Gesellschaft auch dann als Zuzahlung nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 bilanziert werden darf, wenn sie in sachlichem Zusammenhang mit einer Kap.-Erhöhung steht, mithin wirtschaftlich eine Gegenleistung für die ausgegebenen Aktien darstellt, oder sie in letzterem Fall in Übereinstimmung mit § 272 Abs. 2 Nr. 1 bilanziert werden muss. Bejaht man die gesellschaftsrechtlich zu beantwortende (Vor-)Frage, dass solche schuldrechtlichen Zuzahlungen i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 1 durch die Anteilsausgabe "erzielt" werden, gehören die entsprechenden Beträge in die Kap.-Rücklage nach Nr. 1 und unterliegen damit den Verfügungsbeschränkungen des § 150 Abs. 3f. AktG (vgl. bei engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Ausgabe von Anteilen MünchKomm. BilR (2013/II), § 272 HGB, Rn. 102; sodann eingehend Becker, NZG 2003, S. 510 (515ff.); Baums, in: FS Hommelhoff (2012), S. 61 (83ff.); Hüffer-AktG (2024), § 9, Rn. 14f.; einschränkend ADS (1997), § 272, Rn. 90, sowie Haufe HGB-Komm. (2023), § 272, Rn. 119, jedenfalls, soweit die vereinbarten Zuzahlungen zur Herstellung eines angemessenen Ausgabekurses erforderlich sind; nicht eindeutig Beck Bil-Komm. (2022), § 272 HGB, Rn. 170; kritisch mit Verweis auf IDW RS HFA 42 (2012) Ross, DB 2023, S. 1361 (1362)). Soweit man dies – wie (auch) hier – verneint (vgl. ebenso Schnorbus/Plassmann, ZIP 2016, S. 693ff.; Oser, StuB 2017, S. 638f.; MünchKomm. AktG (2022), § 150, Rn. 19; BilR-Komm. (2022), § 272 HGB, Rn. 140; BeckOK-HGB (2023), § 272, Rn. 100f.; Priester, in: FS Röhricht (2005), S. 467 (476f.); ADS (2024), § 272, Rn. 227f.), qualifizieren sie sich als "Andere Zuzahlungen der Gesellschafter" gemäß Nr. 4 und sind damit zwar in der Kap.-Rücklage auszuweisen, aber nicht gebunden. M.a.W.: Wird es – so, wie offenkundig der Fall – als aktienrechtlich zulässig angesehen (vgl. OLG München, Urteil vom 27.09.2006, 7 U 1857/06, ZIP 2007, S. 126ff.; BGH, Beschluss vom 15.10.2007, II ZR 249/06, NZG 2008, S. 76), den "Schutzzweck der §§ 9 Abs. 2, 36a Abs. 1 AktG durch die Verbindung einer Ausgabe zu pari mit einer schuldrechtlich geschuldeten Leistung zu unterwandern, muss sich das Bilanzrecht dem nolens volens beugen" (HdJ, Abt. III/2 (2021), Rn. 265; vgl. mit a. A. WP-HB (2023), Rn. 481: "Bis zu einer abschließenden Klärung der Rechtslage wird man daher beide Sichtweisen als zulässig ansehen müssen."). I.d.S. sollte mit Oser deshalb gerade unter Gläubigerschutzgesichtspunkten erwogen werden, die bei einer (Neu-)Gründung oder Kap.-Erhöhung regelmäßig eintretende Veränderung der Kap.-Rücklage nach den Nr. 1 und 4 im Anhang angeben zu müssen (vgl. Oser, StuB 2017, S. 638f.).
Rn. 69
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Ebenfalls in die Kap.-Rücklage einzustellen ist das im Fall der Ausgabe von Bezugsanteilen erzielte Aufgeld. Das Gesetz unterscheidet somit zwischen dem Aufgeld bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 74ff.) und dem Aufgeld, das bei der Ausübung der eingeräumten Wandlungs- bzw. Bezugsrechte anfällt. Letzteres kann aus Zuzahlungen der Bezugsberechtigten bei der Ausübung ihrer Option stammen oder rein buchtechnisch dadurch entstehen, dass die Wandelschuldverschreibung nicht zu pari, sondern in einem anderen Verhältnis in Aktien umgetauscht wird. Für die GmbH ist diese Bestimmung ohne Bedeutung, da das GmbHG eine für die Ausgabe von Bezugsanteilen erforderliche bedingte Kap.-Erhöhung nicht vorsieht.
Rn. 70
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Bei Sacheinlagen ermittelt sich das in die Kap...