Rn. 121

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Vorbehaltsregelungen des § 5 Abs. 3f. EStG sind Folge der BFH-Entscheidungen zur Bildung von Rückstellungen wegen Patentrechtsverletzungen bzw. Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen (vgl. BFH, Urteil vom 11.11.1981, BStBl. II 1982, S. 748; BFH, Urteil vom 05.02.1987, BStBl. II 1987, S. 845; fernerhin das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20.12.1982 (BGBl. I 1982, S. 1857ff., ebenso wie das Steuerreformgesetz 1990 vom 25.07.1988 (BGBl. I 1988, S. 1093ff.)).

 

Rn. 122

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Verpflichtungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte, die am BilSt aufgrund erfolgter Rechtsverletzung dem Grunde nach bestehen, deren Höhe aber ungewiss ist, sind ungewisse Verbindlichkeiten i. S. d. § 249 Abs. 1 und damit handelsrechtlich verpflichtend anzusetzen. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist u. a. die gegebene Wahrscheinlichkeit des Bestehens einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit, deren wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem BilSt liegt, sowie die gegebene Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme des Schuldners (vgl. BFH, Urteil vom 16.12.2014, VIII R 45/12, BFH/NV 2015, S. 1183). Das handelsrechtliche Passivierungsgebot für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gehört zu den GoB und ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für die StB maßgeblich (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2014, VIII R 45/12, BFH/NV 2015, S. 1183, m. w. N.). Steuerlich unterliegt die Rückstellungsbildung wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte mit § 5 Abs. 3 EStG einem Passivierungsverbot in Gestalt eines Auflösungsgebots. Die Norm statuiert in Satz 1 zunächst zwei alternative (GoB-konforme und damit deklaratorische) Mindestvoraussetzungen: der Rechteinhaber muss die Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht haben (Nr. 1) oder mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung muss ernsthaft zu rechnen sein (Nr. 2). Die Rückstellungsbegrenzung erfolgt für letzteren Fall durch die typisierende Fiktion in Satz 2, die vorgibt, dass nach Ablauf von drei Jahren seit dem erstmaligen Vorliegen der Passivierungsvoraussetzungen nicht mehr mit einer Geltendmachung der Ansprüche zu rechnen ist, wenn diese bis dahin nicht erfolgt ist. Für entsprechende Rückstellungen wird eine gewinnerhöhende Auflösung spätestens im dritten Jahr nach ihrer Bildung angeordnet (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG). Wird ein Schutzrecht mehrfach verletzt, bestimmt sich der Ablauf der dreijährigen Auflösungsfrist i. S. d. § 5 Abs. 3 Satz 2 EStG nach der erstmaligen Rechtsverletzung (vgl. BFH, Urteil vom 09.02.2006, BStBl. II 2006, S. 517). Die Vorschrift durchbricht das Verbot des § 249 Abs. 2 Satz 2, Rückstellungen vor Wegfall des Grundes ihrer Bildung aufzulösen, wenn und soweit nach Ablauf der typisierenden Dreijahresfrist weiterhin Gründe für eine Inanspruchnahme sprechen.

 

Rn. 123

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Jubiläumszuwendungen sind wirtschaftlich Entgelt für bisher erbrachte Arbeitsleistungen, so dass beim Arbeitgeber bis zur Leistung der Zuwendung ein Erfüllungsrückstand besteht, der handelsrechtlich nach § 249 Abs. 1 die Passivierung einer Verbindlichkeitsrückstellung in dem Umfang verlangt, wie die Anspruchsvoraussetzungen durch die Betriebszugehörigkeit des AN bis zum BilSt erfüllt sind (vgl. z. B. IDW, WPg 1994, S. 27). Zu berücksichtigen sind sämtliche aus Anlass von Dienstjubiläen rechtsverbindlich zugesagte Leistungen des Arbeitgebers. Dem vorzeitigen Ausscheiden von AN ist durch einen anhand betrieblicher Erfahrungswerte oder pauschal ermittelten Fluktuationsabschlag Rechnung zu tragen (vgl. dazu Höfer, BB 1987, S. (997) 998; Hartung, BB 1989, S. 736 (739)). § 5 Abs. 4 EStG schränkt die Rückstellungsbildung steuerrechtlich in sachlicher und zeitlicher Hinsicht (verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BStBl. II 2009, S. 685) ein und fordert zusätzlich, dass

(1) das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat (die Fluktuation soll damit in pauschaler Weise Berücksichtigung finden; ein gesonderter Fluktuationsabschlag ist nicht vorzunehmen),
(2) die Zuwendung das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt,
(3) die Zusage schriftlich erteilt wird und
(4) die Anwartschaft auf Dienstzeiten nach dem 31.12.1992 entfällt.

Nicht erforderlich ist, dass die Zusage rechtsverbindlich, unwiderruflich und vorbehaltlos erteilt wird (vgl. BFH, Urteil vom 18.01.2007, IV R 42/04, BStBl. II 2008, S. 956). Bei Verpflichtungen unter Widerrufsvorbehalt ist gleichwohl in besonderem Maße zu prüfen, ob die Entstehung der Verbindlichkeit nach der bisherigen betrieblichen Übung bzw. objektiv erkennbaren Tatsachen am zu beurteilenden BilSt wahrscheinlich ist (vgl. BMF, Schreiben vom 08.12.2008, IV C 6 – S 2137/07/10002, BStBl. I 2008, S. 1013ff. (Rn. 4); OFD Niedersachsen, Verfügung vom 06.02.2017, S 2137 – 48 – St 22...

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