Prof. Dr. Christian Zwirner, Dr. Corinna Boecker
Rn. 14
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Für die den Vertragsprüfern zustehenden Auskunfts- und Einsichtsrechte gelten über den Verweis in § 293d Abs. 1 Satz 1 AktG auf § 320 die handelsrechtlichen Regelungen zur gesetzlichen AP entsprechend. Dies bedeutet für den Wirkungsgrad, dass dem Vertragsprüfer die genannten Rechte lediglich gegenüber den gesetzlichen Vertretern einer Gesellschaft zustehen. Da es sich bei einem AR nicht um gesetzliche Vertreter handelt, kann ein Prüfer gegenüber diesem (oder einem vergleichbaren) Gremium hingegen keinerlei Auskunfts- bzw. Einsichtsrechte geltend machen (vgl. AktG-Komm. (2024), § 293d, Rn. 6; Hüffer-AktG (2024), § 293d, Rn. 4).
Rn. 15
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Weiterhin ist bezüglich der Wirkung der Auskunfts- und Einsichtsrechte von Vertragsprüfern danach zu unterscheiden, ob die Bestellung eines Vertragsprüfers gemeinsam für alle vertragschließenden Gesellschaften oder getrennt für die einzelnen Gesellschaften erfolgt ist. Im ersten Fall, d. h. bei einer gemeinsamen Bestellung, wirken die nach § 293d Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 320 auch für Vertragsprüfer geltenden Prüfungs- und Einsichtsrechte gegen alle beteiligten Gesellschaften.
Rn. 16
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Bei einer getrennten Prüferbestellung machen verschiedene im Schrifttum vertretene Auffassungen eine differenziertere Betrachtung erforderlich: Nach einer Mindermeinung resultiert aus einer getrennten Bestellung eines Vertragsprüfers auch, dass die Einsichtsrechte lediglich gegenüber der Gesellschaft ausgeübt werden können, für die das Gericht den Vertragsprüfer bestellt hat (vgl. Hölters-AktG (2022), § 293d, Rn. 7). Die h. M. sieht dagegen keinen Unterschied darin, ob der Vertragsprüfer gemeinsam für alle vertragschließenden Gesellschaften oder nur für eine der beteiligten Parteien bestellt wurde (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 293d, Rn. 4; Bürgers/Körber (2021), § 293d AktG, Rn. 5). Nach dieser Auffassung ist eine zuverlässige und zielführende Tätigkeit eines Vertragsprüfers nur dann möglich, wenn er alle Seiten beurteilen kann.
Rn. 17
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das Gesetz sieht für einen Vertragsprüfer keinerlei Möglichkeiten vor, seine Auskunfts- bzw. Einsichtsrechte tatsächlich durchzusetzen. Anders als die handelsrechtliche JA-Prüfung gemäß der §§ 316ff., die eine staatliche Prüfungsanordnung darstellt und deswegen "nicht zur Disposition der Vertragsparteien" (MünchKomm. AktG (2023), § 293d, Rn. 14) steht, kann auf eine Vertragsprüfung unter der Voraussetzung verzichtet werden, dass die Anteilseigner aller beteiligten Gesellschaften gemäß § 293a Abs. 3 AktG eine öffentlich beglaubigte Verzichtserklärung über die Erstellung eines entsprechenden Berichts über den UN-Vertrag abgeben (vgl. HdR-E, AktG § 293a, Rn. 20). Mangels Existenz solch eines Berichts entfällt folglich auch dessen Prüfungspflicht. Diese Verzichtsoption beeinflusst die Durchsetzungsmöglichkeit der Auskunfts- bzw. Einsichtsrechte von Vertragsprüfern.
Rn. 18
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Darüber hinaus kann die Mitwirkung bei der Vertragsprüfung auch nicht von einem Vertragsteil bei dem anderen Vertragsteil erzwungen werden. Als einziges Druckmittel verbleibt dem Vertragsprüfer die Verweigerung seines Prüfungsberichts, was jedoch zum Scheitern des Vertragsabschlusses führen würde (vgl. MünchKomm. AktG (2023), § 293d, Rn. 14f.). Insofern spielt diese Maßnahme in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle.
Rn. 19
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Nichtsdestotrotz erfordert ein verlässliches Prüfungsurteil des Vertragsprüfers das Vorliegen einer ausreichenden Informationsbasis. Vor diesem Hintergrund erstrecken sich die Auskunfts- und Einsichtsrechte in den Grenzen dessen, was für eine sorgfältige Prüfung notwendig ist (vgl. Bürgers/Körber (2021), § 293d AktG, Rn. 5; Hüffer-AktG (2024), § 293d, Rn. 4). Der Prüfer muss alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um so viele Informationen zu beschaffen, dass eine sorgfältige Vertragsprüfung durchführbar ist. Hierzu gehört mitunter auch das Einholen einer Vollständigkeitserklärung.
Rn. 20
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Die Auskunftspflicht der gesetzlichen Vertreter erstreckt sich auf alle Konzerngesellschaften, d. h. sowohl auf abhängige als auch herrschende UN. Ausländische Konzerngesellschaften fallen ebenfalls darunter. Für das Einsichtsrecht fehlt es an einer vergleichbaren Erstreckung (vgl. MünchKomm. AktG (2023), § 293d, Rn. 16).
Rn. 21
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Auch wenn der Vertragsprüfer sein Prüfungsurteil letztendlich für den endgültigen Bericht i. S. v. § 293a AktG abgibt, kann er trotzdem bereits i. R.e. sog. Parallelprüfung (vgl. HdR-E, AktG § 293d, Rn. 10) noch während der Erstellung des Berichts über den UN-Vertrag tätig werden. Nach § 293d Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 320 Abs. 2 Satz 2 stehen ihm für diesen Fall die Auskunfts- und Einsichtsrechte auch bereits vor Erstellung des endgültigen Vertrags zu.